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I. „Das ist gemiß das Auto, das zur Bahrt fährt. Wenri i nur müßt,
mo i da einsteigen soll!“

D i e ich rief, die Geister . ♦ . .

Groteske von Caren
I.

Die Automobile hatten es endlich satt.

Sie hatten es satt, sich von diesem hilflosen und lächerlichen Ding
„Mensch" nocb länger gängeln und bevormunden zu lassen. Satt, ihm
auf Plätzen und Landstraßen respektvoll auszuweichen und sich wegen
jeder Lappalie, wie etwa der raschen
und humanen Abscblacbtung eines
überflüssigen Fußgängers, beschlag-
nahmen und die Nummer vom Leibe
reißen zu lassen! Dieser unerträgliche
und entwürdigende Zustand mußte ein
Ende nehmen! Es war schon wirklich
eine Affenschande, daß km zwanzig-
sten Jahrhundert noch immer der
Mensch die höchsten Privilegien
genoß!

Die Automobile schlossen sich, nach
menschlichem Muster, zu einer inter-
nationalen Gewerkschaft zusammen,
die eine einheitlicbe Stellungnahme
in dieser wichtigen Existenzfrage an-
strebte. Die überwiegende Mehrheit der Autos trat der Emanzipations-
bewegung bei. II.

2m Frühling des Jahres 1931 tagte in Friedrichshafen am Boden-
see der erste internationale Automobilkongreß. Die große Zeppelinhalle
war zu diesem Zweck wiederaufgebaut und beträchtlich vergrößert wor-
den,- vermochte aber trotzdem kaum die verblüffende Masse der aus allen
Herren Länder heranbrausenden Fahrzeuge zu fassen. Sämtliche
Marken —vom vornehmsten Royce und Maybach bis zum bescheidenen
Eknheitstari, waren vertreten. Auck ein paar Motorräder, mit und
ohne Anhang, halten es nicht lassen können zu erscheinen, fühlten sich
aber in der illustren Versammlung offensichtlich als krasse Outsider und
wenig behaglich. Ein königsblau lackiertes Landskiff drückte sich ver-
schüchtert in eine Ecke. Bor Scham und Enttäuschung trat ihm der
Angstschweiß auf den Rollsitz. Es versuchte vergeblich, mit zwei billigen
Motocyclcn ein Gespräch anzubahnen. Sie betätigten den Auspuff und
straften das Landskiff mit eisiger Verachtung. —

2n dem ungeheuren Raum herrschte betäubender, nervenmordender
Lärm. Tausende von Autostkmmen in allen Klangfarben und Höhen-
lagen—von der schrillsten Trillersirene bis zum grunzenden Hupenbaß
— gröhlten durcheinander und vermischten sich mit dem ungeduldigen
Stampfen der Motore, dem unappetitlichen Gekreisch ungepflegter

Achsen und anderen Geräuschen unkultivierter Maschinen. Ein kleiner
Ford gurgelte sogar ganz ungeniert mit Benzin!

Aus dem Erfrischungsraum kamen gerade, mit offenem Kühler und
von mehreren Litern Dapolin leicht angesäuselt, ein auffallend lackierter
Chrysler und ein protziger Rolls Royce mit goldenem Glücksvogei und
dem Sternenbanner im Knopfloch. Sie moquierten sicb in auffälliger
und arroganter Weise über einen kurzbeinigen Hanomag, der blank und
gutlaunkg in der Nähe stand. Sie sagten auf Amerikanisch, derartige
Mißgeburten müßten überhaupt verschwinden, denn sie verunzierten
jede Landschaft in geradezu beleidigender Weise. Sie sagten das nur so
wie a propos. Aber der kleine Hanomag fühlte sich sofort angerempelt.
Es begann in ihm zu kochen, daß seine Flanken bebten. Und plötzlich
gab er Vollgas und löffle springgiftig auf die beiden Angreifer los.
daß dem Royce der linke Kotflügel total verbogen wurde und der
Chrysler, obwohl er noch geschickt ausbog, ein Teil seiner hagebutten-
roten Lackierung einbüßte. „Meine Herren," schrie das hitzige Kerlchen
erbost und mit auffallender Trennung des s—t, „ich verbitte mir Ihre
Anzüglichkeiten! Überhaupt vers—tehen Sie einen Dr . . . eizylinder-
motor von meinen Fähigkeiten!! Ich halte jede Wette, daß ich Ihnen
z. B. an Bergfreudigkeit bei weitem über bin! Iawoll! Ein Ver-
wandter von mir hat erst kürzlich den Mount Mc. Kinley mit ers- taun-

lkcher Leichtigkeit genommen. Fawoll ja — hähä-Sie . . . Sie . . .

Pann — Amerikanist, Sie!!!"

Der Hanomag knatterte vor Aufregung und schüttelte so drohend

sein rechtes Vorderrad, daß es aus
den Lagern sprang und in hohem
Bogen durch den Saal schoß,- Gott-
lob, ohne Jemand zu verletzen. Eine
reizende Limousine, die aus einiger
Entfernung die ganze Scene mitan-
gesehcn hatte, schoß aus verkniffenen
Scheinwerfern mißbilligende Blicke
auf die beiden Snobs. Und schenkte
dem kleinen Hanomag zum Trost ihr
Mascottchen. Die Sache soll sogar
später zti einer Verlobung ausgeartet
sein. Die Limousine hätte natürlicb
auch jederzeit den Royce bekommen
können, schick und weichgepolstert, wie
sie war, und mit Innenheizung! Aber
ihr gutes Herz entschied sich für den geschmähten Hanomag. Frauen
sind eben unergründlich!

plötzlich trat eine verhältnismäßige Stille ein und alles sah gespannt
nach der Rednertribüne. Ein ehrwürdiger Benzwagen, starkantiquierte
Type, hatte mit einiger Anstrengung das Podium erklommen und rich-
tete unter asthmatisch röchelnden Hupenstößen ein paar einleitende Be-
grüßungsworte an die Versammlung. Er sagte: „Meine geehrten Damen
und Herren! Ich war das erste Automobil — ja ja! Ich stehe sonst im
Deutschen Museum, wissen Sie. Mit der Zeit hat sich bei mir schon

II. „Ah mas. i hock' mi'halt hinten nauf!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das ist gewiß das Auto, das zur Bahn fährt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4317, S. 212

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