Zeichnung von M, Staus
Das war der Wächter Valentin
Zu Merseburg am Tore,
2n seiner Freizeit zog es ihn
Hin zu der scbönen Lore —
Das heißt: es zog ihn auch im Dienst
Zu diesem Frauenzimmer,
Sein ideales Hirngespinst,
Oe kacto zogs ihn immer.
Wenn er des Tags am Tore stand,
Zu sehn, wem Einlaß tauge,
Ach, immer nur die Lore stand
Vor seinem Seelenauge.
Chronik von Merseburg
Doch ihr Papa dem Stadtsenat
Berichtet dies Getandle,
Daß ein gewisser Stadtsoldat
Auf Amors Pfaden wandle,
Verliebten Blicks, wie aus dem Ei,
Geschniegelt und gepudert.
Die Soldateska, sprach er, sei
Heut überhaupt
Die Flinte auf den wackern Knien,
Im allerhöchsten Turme
Saß liebeskrank Held Valentin —
Und Leipzig blies zum Sturme.
Ein Ausfall ward mit Glück gewagt.
Die Bürgersleut am Tore
meist ganz verzagt,
ihnen Lore.
Und ging im Wehrgang er gebückt,
Um nach dem Feind zu gucken,
Dann plötzlich wie durch Zauber blickt
Ihr Blondkopf durch die Luken.
Lag nachts er auf dem Pritschenbrett,
Versucht er, statt zu beten,
Aus städtischem Kanonenfett
Ihr Bildnis nachzukneten.
War er des Pikendienstes frank ~
Die Minne gibt nie Pause:
Dann putzte er die Plempe blank
Und ging zu ihrem Hause.
Er promenierte stundenlang
lind stelzte hin und wieder
Genau wie auf dem Postengang —
Die Nachbarn schauten nieder:
Der Rat vom Hoben Halsgerlcbt,
Des Stadtvogts Demoiiellen,
Nur Lores Engelsangesicht
Sah er in seltnen Fällen.
Dem hohen
' ^ Magistrat empfahl
In wohlgesetzter Rede
Der Rat zur Stärkung der Moral
Des Heeres eine Fehde.
Ein Kriegsgrund fände sich zumeist,
Man zögre keine Stunde:
Denn Leipzigs Wäscher bleichten dreist
Auf Merseburger Grunde.
Man stell in einem Breve den
Rechtsfrevel an den Pranger!
Soll n Leipzigs Unterhosen wehn
Auf Merseburger Anger?
Man fordere ein Sühnegeld
Und offnes Deprezicren,
2m Weigrungsfalle sei ins Feld
. Mit Truppen zu marschieren.
Die Fehde kam, der Krieg brach aus,
Und Merseburgs Vedetten
Brachten 10 Hemden mit nach Haus,
8 Hosen, 17 Betten.
In Valentins Soldatenbrust
Begann ein mailich Sprießen,
Und er vergaß, wie er gemußt,
Das Ausfallstor zu schließen.
Warf Plempe sowie Flinte hin,
Vergaß so Krieg wie Städtchen
Und folgt' in liebesirrem Sinn
Dem herzgeliebten Mädchen
Die Merseburger droschen wild,
Und Leipzig kam ins Laufen,
Doch durch das offne Stadttor quillt
Ein frischer Feindeshaufen.
Von allen Wällen flatternd wehn
Bald Leipzigs bunte Fahnen —
Was Lore unterdes geschehn,
Kann der Chronist nur ahnen.
Als dann der Friedenspakt im Schrein
Beschworen lag von allen,
Da war nicht eine Festung, nein,
Da waren zwei gefallen.
A. W.
s
Das war der Wächter Valentin
Zu Merseburg am Tore,
2n seiner Freizeit zog es ihn
Hin zu der scbönen Lore —
Das heißt: es zog ihn auch im Dienst
Zu diesem Frauenzimmer,
Sein ideales Hirngespinst,
Oe kacto zogs ihn immer.
Wenn er des Tags am Tore stand,
Zu sehn, wem Einlaß tauge,
Ach, immer nur die Lore stand
Vor seinem Seelenauge.
Chronik von Merseburg
Doch ihr Papa dem Stadtsenat
Berichtet dies Getandle,
Daß ein gewisser Stadtsoldat
Auf Amors Pfaden wandle,
Verliebten Blicks, wie aus dem Ei,
Geschniegelt und gepudert.
Die Soldateska, sprach er, sei
Heut überhaupt
Die Flinte auf den wackern Knien,
Im allerhöchsten Turme
Saß liebeskrank Held Valentin —
Und Leipzig blies zum Sturme.
Ein Ausfall ward mit Glück gewagt.
Die Bürgersleut am Tore
meist ganz verzagt,
ihnen Lore.
Und ging im Wehrgang er gebückt,
Um nach dem Feind zu gucken,
Dann plötzlich wie durch Zauber blickt
Ihr Blondkopf durch die Luken.
Lag nachts er auf dem Pritschenbrett,
Versucht er, statt zu beten,
Aus städtischem Kanonenfett
Ihr Bildnis nachzukneten.
War er des Pikendienstes frank ~
Die Minne gibt nie Pause:
Dann putzte er die Plempe blank
Und ging zu ihrem Hause.
Er promenierte stundenlang
lind stelzte hin und wieder
Genau wie auf dem Postengang —
Die Nachbarn schauten nieder:
Der Rat vom Hoben Halsgerlcbt,
Des Stadtvogts Demoiiellen,
Nur Lores Engelsangesicht
Sah er in seltnen Fällen.
Dem hohen
' ^ Magistrat empfahl
In wohlgesetzter Rede
Der Rat zur Stärkung der Moral
Des Heeres eine Fehde.
Ein Kriegsgrund fände sich zumeist,
Man zögre keine Stunde:
Denn Leipzigs Wäscher bleichten dreist
Auf Merseburger Grunde.
Man stell in einem Breve den
Rechtsfrevel an den Pranger!
Soll n Leipzigs Unterhosen wehn
Auf Merseburger Anger?
Man fordere ein Sühnegeld
Und offnes Deprezicren,
2m Weigrungsfalle sei ins Feld
. Mit Truppen zu marschieren.
Die Fehde kam, der Krieg brach aus,
Und Merseburgs Vedetten
Brachten 10 Hemden mit nach Haus,
8 Hosen, 17 Betten.
In Valentins Soldatenbrust
Begann ein mailich Sprießen,
Und er vergaß, wie er gemußt,
Das Ausfallstor zu schließen.
Warf Plempe sowie Flinte hin,
Vergaß so Krieg wie Städtchen
Und folgt' in liebesirrem Sinn
Dem herzgeliebten Mädchen
Die Merseburger droschen wild,
Und Leipzig kam ins Laufen,
Doch durch das offne Stadttor quillt
Ein frischer Feindeshaufen.
Von allen Wällen flatternd wehn
Bald Leipzigs bunte Fahnen —
Was Lore unterdes geschehn,
Kann der Chronist nur ahnen.
Als dann der Friedenspakt im Schrein
Beschworen lag von allen,
Da war nicht eine Festung, nein,
Da waren zwei gefallen.
A. W.
s
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Chronik von Merseburg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4483, S. 5
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg