Zeichnung von M. Claus
nach Lause gegangen, wobei
ihn sein Weg durch eine unbe-
leuchtete Parkgegend führte,
und da wäre dann vom Früh-
ling bis zum Winter immer
der weiße Pudel voraus mar-
schiert, um als scharf aus dem
Dunkel sich abhebender weißer
Fleck seinen Lerrn zu leiten;
im Winter aber, wenn Schnee
gelegen hätte, wäre der
schwarze Pudel der Führer
gewesen. So sollten, meinte
Lahnepoot, Schachtelhalm und
ich das auch mit unfern Pudeln
machen, und diese spaßhafte
Anregung erweckte allgemeine
Leiterkeit.
Dann wurde die Ange-
legenheit eines Vereinsmit-
gliedes besprochen, eines Fräu-
leins Lerbstlaub,der Besitzerin
eines Zwergpudels, die wegen
dieses Lundes in einen Streit
mit ihrem Lauswirt und da-
durch in Aengste und Nöte
geraten war. Ein erfreulicher
Beschluß wurde gefaßt, dahin-
gehend, daß der Verein Fräu-
lein Lerbstlaub in jeder Weise
unterstützen und bei einer ge-
richtlichen Auseinandersetzung
mit ihrem Lauswirt — der
übrigens in feierlicher Weise
verflucht wurde, wobei alle
Pudel bellten — sämtliche
Kosten tragen sollte — und
wenn das ganze Vereinsver-
mögen draufgehen sollte. Das
gefiel mir, und der „Pudel-
verein" wurde mir nun recht
sympathisch. Vielleicht war
Merkwürdige Pudelgeschtchkcn
seiner Bestimmung: an den Wänden hingen Bilder berühmter
Pudel und dazwischen in einem Prunkrahmen eine Ehrentafel
mit den Namen jener Pudel des Vereins, die es durch erfolg-
reichen Besuch von Ausstellungen zur Würde eines „Champions"
gebracht hatten. Längs einer Wand lagen am Boden üppige
kleine Roßhaarmatratzen als Lagerstätten für die Pudel, aber nur
wenige machten davon Gebrauch; die meisten saßen mit am Tisch,
würdig auf Stühlen aufgebaut, und schauten ernsthaft darein.
Schachtelhalm, der sich mit dem lauten Rufe: „Pudel Leil!"
einführte — das war wohl der Vereinsgruß — stellte mich und
Cornelius als Gäste vor, und wir wurden liebenswürdig empfangen.
Ein Lerr Lahnepoot, der den Vorsitz zu haben schien, lobte
Cornelius und war erfreut, zu vernehmen, daß es sich um Kuno
von der Kyburg handelte; er schien alle im Zucht- und Stammbuch
verzeichneten Namen zu kennen. Als er dann erfuhr, daß
Schachtelhalm mein Nachbar wäre, erklärte er es für einen sehr
günstigen Amstand, daß wir einen schwarzen und einen weißen
Pudel besäßen — günstig für den Fall, daß wir auch einen ge-
meinsamen Stammtisch hätten und manchmal spät nach Lause
gingen. Er hätte nämlich einen Freund gehabt, und der hätte
zwei Pudel besessen, einen schwarzen und einen weißen, und die
hätte er jeden Abend in die Kneipe mitgenommen. Er wäre dann
gewöhnlich sehr spät und meist in ziemlich berauschtem Zustande
diese Wirkung auch beabsichtigt.
Nun aber drängte es die Lerrschaften, mir, dem Fremden,
ihre Pudel zu zeigen und zu rühmen, und ich bekam Geschichten
zu hören von so großartigem Pudelverstande und so scharfsinnigen
Taten, daß mir bald bange wurde, wie ich mit meinem Cornelius
dagegen aufkommen sollte. Zuerst meldete sich eine Frau Rum-
poldin, deren Pudel — Roland hieß er — schon ein alter Lerr
war und deshalb nicht am Tische saß; er schlief sanft auf einer
Matratze. Es war ein weißer Pudel, aber vor einigen Zähren
hatte er sich als Schwarzfahrer hervorgetan. „Da hatte sich näm-
lich meine Tochter verheiratet," erzählte mir Frau Rumpoldin,
„und war fortgezogen; etwa zwei Stunden Bahnfahrt mit dem
langsamen Personenzug machte es. Der Roland hing sehr an ihr,
und wie ich dann mal meine Tochter besuchte und ihn mitnahm,
hat er sich furchtbar gefreut. Und nun denken Sie: 14 Tage
später kommt eines Vormittags der Roland bei meiner Tochter
an, bleibt drei Stunden da und verschwindet dann wieder. Nach
zwei Wochen dieselbe Geschichte! Wir wundern uns, wie der
Lund das fertig gebracht har, denn gelaufen konnte er den weilen
Weg nicht sein, das hätte man ihm angesehen-und schließ-
lich kriegten wir heraus: Roland fuhr ganz einfach mit der Eisen-
bahn. Er schlängelte sich heimlich auf den Bahnsteig und sprang
dann in den Wagen mit dem Schilde: Für Reisende mit Lunden.
Dort versteckte er sich unter einer Bank. And das hat er dann
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nach Lause gegangen, wobei
ihn sein Weg durch eine unbe-
leuchtete Parkgegend führte,
und da wäre dann vom Früh-
ling bis zum Winter immer
der weiße Pudel voraus mar-
schiert, um als scharf aus dem
Dunkel sich abhebender weißer
Fleck seinen Lerrn zu leiten;
im Winter aber, wenn Schnee
gelegen hätte, wäre der
schwarze Pudel der Führer
gewesen. So sollten, meinte
Lahnepoot, Schachtelhalm und
ich das auch mit unfern Pudeln
machen, und diese spaßhafte
Anregung erweckte allgemeine
Leiterkeit.
Dann wurde die Ange-
legenheit eines Vereinsmit-
gliedes besprochen, eines Fräu-
leins Lerbstlaub,der Besitzerin
eines Zwergpudels, die wegen
dieses Lundes in einen Streit
mit ihrem Lauswirt und da-
durch in Aengste und Nöte
geraten war. Ein erfreulicher
Beschluß wurde gefaßt, dahin-
gehend, daß der Verein Fräu-
lein Lerbstlaub in jeder Weise
unterstützen und bei einer ge-
richtlichen Auseinandersetzung
mit ihrem Lauswirt — der
übrigens in feierlicher Weise
verflucht wurde, wobei alle
Pudel bellten — sämtliche
Kosten tragen sollte — und
wenn das ganze Vereinsver-
mögen draufgehen sollte. Das
gefiel mir, und der „Pudel-
verein" wurde mir nun recht
sympathisch. Vielleicht war
Merkwürdige Pudelgeschtchkcn
seiner Bestimmung: an den Wänden hingen Bilder berühmter
Pudel und dazwischen in einem Prunkrahmen eine Ehrentafel
mit den Namen jener Pudel des Vereins, die es durch erfolg-
reichen Besuch von Ausstellungen zur Würde eines „Champions"
gebracht hatten. Längs einer Wand lagen am Boden üppige
kleine Roßhaarmatratzen als Lagerstätten für die Pudel, aber nur
wenige machten davon Gebrauch; die meisten saßen mit am Tisch,
würdig auf Stühlen aufgebaut, und schauten ernsthaft darein.
Schachtelhalm, der sich mit dem lauten Rufe: „Pudel Leil!"
einführte — das war wohl der Vereinsgruß — stellte mich und
Cornelius als Gäste vor, und wir wurden liebenswürdig empfangen.
Ein Lerr Lahnepoot, der den Vorsitz zu haben schien, lobte
Cornelius und war erfreut, zu vernehmen, daß es sich um Kuno
von der Kyburg handelte; er schien alle im Zucht- und Stammbuch
verzeichneten Namen zu kennen. Als er dann erfuhr, daß
Schachtelhalm mein Nachbar wäre, erklärte er es für einen sehr
günstigen Amstand, daß wir einen schwarzen und einen weißen
Pudel besäßen — günstig für den Fall, daß wir auch einen ge-
meinsamen Stammtisch hätten und manchmal spät nach Lause
gingen. Er hätte nämlich einen Freund gehabt, und der hätte
zwei Pudel besessen, einen schwarzen und einen weißen, und die
hätte er jeden Abend in die Kneipe mitgenommen. Er wäre dann
gewöhnlich sehr spät und meist in ziemlich berauschtem Zustande
diese Wirkung auch beabsichtigt.
Nun aber drängte es die Lerrschaften, mir, dem Fremden,
ihre Pudel zu zeigen und zu rühmen, und ich bekam Geschichten
zu hören von so großartigem Pudelverstande und so scharfsinnigen
Taten, daß mir bald bange wurde, wie ich mit meinem Cornelius
dagegen aufkommen sollte. Zuerst meldete sich eine Frau Rum-
poldin, deren Pudel — Roland hieß er — schon ein alter Lerr
war und deshalb nicht am Tische saß; er schlief sanft auf einer
Matratze. Es war ein weißer Pudel, aber vor einigen Zähren
hatte er sich als Schwarzfahrer hervorgetan. „Da hatte sich näm-
lich meine Tochter verheiratet," erzählte mir Frau Rumpoldin,
„und war fortgezogen; etwa zwei Stunden Bahnfahrt mit dem
langsamen Personenzug machte es. Der Roland hing sehr an ihr,
und wie ich dann mal meine Tochter besuchte und ihn mitnahm,
hat er sich furchtbar gefreut. Und nun denken Sie: 14 Tage
später kommt eines Vormittags der Roland bei meiner Tochter
an, bleibt drei Stunden da und verschwindet dann wieder. Nach
zwei Wochen dieselbe Geschichte! Wir wundern uns, wie der
Lund das fertig gebracht har, denn gelaufen konnte er den weilen
Weg nicht sein, das hätte man ihm angesehen-und schließ-
lich kriegten wir heraus: Roland fuhr ganz einfach mit der Eisen-
bahn. Er schlängelte sich heimlich auf den Bahnsteig und sprang
dann in den Wagen mit dem Schilde: Für Reisende mit Lunden.
Dort versteckte er sich unter einer Bank. And das hat er dann
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Phantasie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4591, S. 54
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg