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Zeichnung von E. Kirchner


An der schönen Aussicht

„Sie versperren da auf dem Felsvorsprung die ganze
schöne Aussicht!"

„Für zehn Pfennige lege ich mich fünf Minuten hin!"

Der Neufundländer

Von Peter Robinson

Kornschütter sitzt im Vorgarten einer Kneipe bei einem Glase
Bier. Es ist gutes, kühles Bier, es ist auch schon das dritte Glas,
aber Kornschütter ist doch in gräßlicher Laune. Er leidet unter Kitze,
und gerade heute ist es ein rechter Kundstag. Das verträgt er nicht;
da wird er schlapp und untätig, und er möchte sich doch regen und
wirken und streben, um möglichst viel Geld zu verdienen. Weil er
sich dabei durch die Kitze gehemmt sieht, ist er natürlich verdrossen.
O, er möchte für Mitteleuropa sofort den Ausbruch einer neue»
Eiszeit wünschen! Die Folgen — er weiß darüber Bescheid, sie sind
uns ja oft in belehrenden volkstümlichen Aufsätzen von berufenen
Federn eindringlich geschildert worden — die scheußlichen Folgen
wären ihm ganz egal. In solcher Laune ist Kornschütter.

Da kommt Struck an Und setzt sich zu ihm. Struck macht die
Litze nichts. Für ihn ist sie nur angenehme Wärme; sie macht ihn
fröhlich und zu Scherzen geneigt. „Wundervoller Tag, nicht wahr?"

„Der Deiwel soll die Litze holen!" brummt Kornschütter.

„Kaha!" freut sich Struck. „Das tut
der Deiwel nicht, der hat Kitze genug. Wenn
der Deiwel die Litze für sein Etablissement

holen wollte-das hieße ja Eulen nach

Athen tragen."

„Quatsch I" sagt Kornschütter und weiter
nichts. Er möchte freilich Struck, weil er
nicht auch unter der Litze leidet, mit hef-
tigen Reden kränken, aber das würde ihn
zu sehr anstrengen. Er hat auch gerade
einen andern Aerger: auf der Straße kläf-
fen zwei Kunde einander an. „Verdammte
Bestien!" schimpft er und schmeißt einen
Bierfilz nach den Tieren. Das dürste er
nicht, denn der Bierfilz gehört ja nicht ihm,
sondern dem Gastwirt. And außerdem soll
nichts auf die Straße geworfen werden.

Struck lächelt vor sich hin. Richtig —
Kornschütter kann ja Lunde nicht leiden
und ihr Bellen nicht vertragen; er hat so-
gar einmal einen Beleidigungsprozeß mit
einem Nachbarn wegen eines Lundes ge-
habt und eine Geldstrafe zahlen müssen-
Das patzt Struck jetzt vorzüglich; er hofft,
es werde ihm gelingen. Kornschütter etwas
zu reizen und aus seiner Lethargie in wohl-
tätige Aufregung zu versetzen. Er wartet,
bis Kornschütter wieder vor sich hin döst,
und dann erzählt er: „Ich will hier näm-
lich meinen Jungen treffen. Der soll mich
hier abholen-mit unserm neuen Laus-

genossen."

Das ist eine Neuigkeit. Kornschütter
horcht auf. „Lausgenossen?"

„Ja ja — — wir haben einen neuen
Lausgenossen bekommen: einen jungen
Neufundländer."

Kornschütter schneidet eine Grimasse.
„Na, viel Vergnügen! Sie werden schon
noch fluchen, mein Bester. Wie kann man
sich solch eine Last aufbürden!"

„Last?" Struck tut erstaunt. „Nun ja,
unsere Wohnung ist etwas eng, aber wir
haben doch ein hübsches Zimmerchen ein-
richten können."

„Ein Zimmer? Für den Neufundlän-
der?" Kornschütter bleibt der Atem weg.

„Natürlich! Ich möchte doch nicht, daß
er mit meinem Jungen zusammen schläft."
„Das wäre auch noch schöner!" Korn-
schütter kommt wieder zu Atem. „Aber im Korridor soll er schlafen,
da gehört er hin!" brüllt er.

Struck lächelt ungläubig. „Das ist doch nicht Ihr Ernst, Lerr
Kornschütter; davon kann doch nicht die Rede sein. Natürlich braucht
er kein Prunkzimmer, aber ein neues Bett habe ich doch gekauft.
Wissen Sie: so eine hygienische Metallbettstelle, dazu Roßhaarmatratze

und Steppdecke mit-"

„Lalt!" schreit Kornschütter. „Sie wollen mich uzen!"

„Aber nein-mein Wort darauf! Warum regen Sie sich

so auf, Lerr Kornschütter?"

„Weil das Wahnsinn ist, weil mich das empört! Mich wundert,
daß Ihre Frau Gemahlin sich diese Wirtschaft gefallen läßt."

„O, meine Frau ist sehr zufrieden, daß unser Junge diesen

Kameraden hat. Bloß wegen des Essens -"

„Essen? Fressen!" brummt Kornschütter.

Struck tut, als hätte er das nicht gehört. „-hat sie sich

Sorge gemacht. Ich habe ihr aber gesagt: es wird nichts geändert!
And richtig: gestern haben wir ein Leimatgericht meiner Frau ge-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"An der schönen Aussicht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 181.1934, Nr. 4655, S. 244

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