Zu kaufen gesucht Von -v-rer Kringel
Man tut manchmal Dinge, die man sonst nicht tut, und man
kann nicht einmal sagen, warum. Ich lese sonst die Neuesten, eines
Tages aber kaufte ich mir das Abendblatt und las ganz gegen
meine Gewohnheit den Inseratenteil. Plötzlich gab es mir einen
Ruck. Da stand:
Guterhaltene Raketen
aus der Biedermeierzeit zu
kaufen gesucht
Schierlingstr. 21, pt. r.
Mußte mich schon das seltsame Kaufobjekt stutzig machen, so
konnte ich im Aebrigen von diesem sonderbaren Inserat nur beunruhigt
werden. Denn auch ich wohnte Schierlingstr. 21, und zwar im I.
Stock, rechts. Ich fing an, über die Sache nachzudenken. Unter mir
wohnte der alte Rübsam. Was konnte er mit Raketen Vorhaben?
Gab es in der Biedermeierzeit überhaupt schon Raketen? War er
vielleicht Sammler von pyrotechnischen Kuriosa? Oder steckte etwas
ganz anderes, viel gefährlicheres dahinter, vielleicht ein furchtbarer
Anschlag oder ein Racheakt?
Zu Lause angekommen, zeigte ich meiner Frau die Anzeige.
Meine Frau hatte schon lange etwas beängstigendes im Blick des
alten Rübsam bemerkt.
„Er ist zu allem fähig/ sagte sie entschieden, „und der Zusatz
,aus der Biedermeierzeit" soll nur irreführen. Du entsinnst dich, daß
sich der alte Rübsam einigemale über unser Radio beschwert hat —
jetzt kommt die Rache. Ich bin überzeugt: er will uns in die Luft
sprengen."
„Aber dann fliegen ja Kundrichs parterre links und Stilfinks
im ersten Stock mit hochl"
„Das beste ist, du gehst hinunter und stellst den Alten zur Rede."
Ich ging hinunter. An Rübsams Türe war ein Zettel befestigt:
„Bon Donnerstag bis Samstag verreist."
Als ich vorhin die Treppe Hinaufstieg, hatte der Zettel noch nicht
da gehangen. Als ich Röschen das Ergebnis milteilte, bekam sie
einen Ohnmachtsansall.
Mit den Worten: „Siehst du, daß ich recht hatte! Er hat sich
schon in Sicherheit gebracht!" sank sie wie hingemäht aufs Kanapee.
Ich flößte ihr einige Tropfen ein. Leider griff ich in der Eile
nach den Lühneraugentropfen „Lebewohl". Aber die Tropfen wirkten,
und das war schließlich die Lauptsache.
Dann weihten wir erst Kundrichs, die ja nächst uns die meistge-
fährdeten waren, und dann Stilfinks in die düstere Angelegenheit ein.
Auch diese beiden Parteien waren von Rübsams Gefährlichkeit
überzeugt.
„Er hat zusammengewachsene Augenbrauen," sagte Lerr Kund-
rich, „das bedeutet nichts gutes. Ich kenne das von meiner Schwieger-
mutter ber."
Zum Frifieren und zur Nagelbefeilung
Kommt manchmal aus der Damenabteilung
Zur Aushilfe bei dem Haarkünftler Bong
Der Herr Hans zu uns in den Herrenfalon.
Schon wie der Herr Hans die Schere hält,
Merkt man: er kommt aus ‘ner andern Welt.
Und wie er den Kamm durch die Locken zieht —
Mit viel mehr Charme und mehr Gemüt.
Er beugt fich fo wienerisch über die Hüfte,
Hat andere Themen und andere Düfte,
Er spricht nicht von Fußball und Knock out ans Kinn —
Er spricht vom Theater und riecht nach Jasmin.
Wie lyrifch hält er den Seifentiegel!
Das Meller huscht wie Schmetterlingsflügel.
Er bürftet den Schädel nicht rauh und hastig,
Er baut auf der Glatze Sardellenplastik.
Er reicht mir den Stock, als wärs eine Flöte.
Und wenn ich dann an die Kaffe trete,
Und lüfte den Hut in frohem Impulse,
Zirpt er in Gedanken: Grüß Gott, Frau Schulze!
„Theobald!" warnte seine Frau.
Stilfinks wiesen auf seine angewachsenen Ohrläppchen hin, die
verbrecherische Anlagen kundtun. Wo hatte ich meine Menschenkennt-
nis gelassen? Ich nahm mir vor, mich energisch mit Psychologie
und Phrenologie zu beschäftigen.
Wir beschlossen, die Polizei nicht zu benachrichtigen, sondern
die Sache selber zu betreiben. Mit Lilfe eines Nachschlüssels, den
Lerr Kundrich wunderbar zu handhaben verstand, drangen wir in
Rübsams Wobnung ein und durchsuchten sie. Es
muß gesagt werden: ohne jeden Erfolg.
Es schien also keine unmittelbare Lebensge-
fahr vorhanden — wahrscheinlich hatte Rübsam
die gewünschten Sprengkörper noch nicht bekom-
men — und wir beruhigten uns alle wieder
einigermaßen.
Am Samstag früh klingelte es bei uns.
Draußen stand der alte Rübsam. Ich war auf
alles mögliche gefaßt.
„Entschuldigen Sie," sagte der alte Rübsam,
„würden Sie so liebenswürdig sein, für mich
einige Offerten entgegenzunehmen? Ich mußte
nämlich einige Tage verreisen — hatte ein Inserat
aufgegeben — heute steht es wieder im Blatt. Ich
suche nämlich zur Lochzeit meiner Nichte echte
alte Biedermeierplaketten."
In der nächsten Woche ließen wir auf Be-
treiben meiner Frau unser Türschloß ändern.
Wegen Kundrichs Nachschlüssel, sagte sie.
Unglaublich „Mutti — Edi hat Waldi den ganzen Äundekuchen weggegessen!"
„Pfui Edi, da hört sich doch alles auf!"
„And mir hat er nur zwei kleine Stückchen davon gegeben!"
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Man tut manchmal Dinge, die man sonst nicht tut, und man
kann nicht einmal sagen, warum. Ich lese sonst die Neuesten, eines
Tages aber kaufte ich mir das Abendblatt und las ganz gegen
meine Gewohnheit den Inseratenteil. Plötzlich gab es mir einen
Ruck. Da stand:
Guterhaltene Raketen
aus der Biedermeierzeit zu
kaufen gesucht
Schierlingstr. 21, pt. r.
Mußte mich schon das seltsame Kaufobjekt stutzig machen, so
konnte ich im Aebrigen von diesem sonderbaren Inserat nur beunruhigt
werden. Denn auch ich wohnte Schierlingstr. 21, und zwar im I.
Stock, rechts. Ich fing an, über die Sache nachzudenken. Unter mir
wohnte der alte Rübsam. Was konnte er mit Raketen Vorhaben?
Gab es in der Biedermeierzeit überhaupt schon Raketen? War er
vielleicht Sammler von pyrotechnischen Kuriosa? Oder steckte etwas
ganz anderes, viel gefährlicheres dahinter, vielleicht ein furchtbarer
Anschlag oder ein Racheakt?
Zu Lause angekommen, zeigte ich meiner Frau die Anzeige.
Meine Frau hatte schon lange etwas beängstigendes im Blick des
alten Rübsam bemerkt.
„Er ist zu allem fähig/ sagte sie entschieden, „und der Zusatz
,aus der Biedermeierzeit" soll nur irreführen. Du entsinnst dich, daß
sich der alte Rübsam einigemale über unser Radio beschwert hat —
jetzt kommt die Rache. Ich bin überzeugt: er will uns in die Luft
sprengen."
„Aber dann fliegen ja Kundrichs parterre links und Stilfinks
im ersten Stock mit hochl"
„Das beste ist, du gehst hinunter und stellst den Alten zur Rede."
Ich ging hinunter. An Rübsams Türe war ein Zettel befestigt:
„Bon Donnerstag bis Samstag verreist."
Als ich vorhin die Treppe Hinaufstieg, hatte der Zettel noch nicht
da gehangen. Als ich Röschen das Ergebnis milteilte, bekam sie
einen Ohnmachtsansall.
Mit den Worten: „Siehst du, daß ich recht hatte! Er hat sich
schon in Sicherheit gebracht!" sank sie wie hingemäht aufs Kanapee.
Ich flößte ihr einige Tropfen ein. Leider griff ich in der Eile
nach den Lühneraugentropfen „Lebewohl". Aber die Tropfen wirkten,
und das war schließlich die Lauptsache.
Dann weihten wir erst Kundrichs, die ja nächst uns die meistge-
fährdeten waren, und dann Stilfinks in die düstere Angelegenheit ein.
Auch diese beiden Parteien waren von Rübsams Gefährlichkeit
überzeugt.
„Er hat zusammengewachsene Augenbrauen," sagte Lerr Kund-
rich, „das bedeutet nichts gutes. Ich kenne das von meiner Schwieger-
mutter ber."
Zum Frifieren und zur Nagelbefeilung
Kommt manchmal aus der Damenabteilung
Zur Aushilfe bei dem Haarkünftler Bong
Der Herr Hans zu uns in den Herrenfalon.
Schon wie der Herr Hans die Schere hält,
Merkt man: er kommt aus ‘ner andern Welt.
Und wie er den Kamm durch die Locken zieht —
Mit viel mehr Charme und mehr Gemüt.
Er beugt fich fo wienerisch über die Hüfte,
Hat andere Themen und andere Düfte,
Er spricht nicht von Fußball und Knock out ans Kinn —
Er spricht vom Theater und riecht nach Jasmin.
Wie lyrifch hält er den Seifentiegel!
Das Meller huscht wie Schmetterlingsflügel.
Er bürftet den Schädel nicht rauh und hastig,
Er baut auf der Glatze Sardellenplastik.
Er reicht mir den Stock, als wärs eine Flöte.
Und wenn ich dann an die Kaffe trete,
Und lüfte den Hut in frohem Impulse,
Zirpt er in Gedanken: Grüß Gott, Frau Schulze!
„Theobald!" warnte seine Frau.
Stilfinks wiesen auf seine angewachsenen Ohrläppchen hin, die
verbrecherische Anlagen kundtun. Wo hatte ich meine Menschenkennt-
nis gelassen? Ich nahm mir vor, mich energisch mit Psychologie
und Phrenologie zu beschäftigen.
Wir beschlossen, die Polizei nicht zu benachrichtigen, sondern
die Sache selber zu betreiben. Mit Lilfe eines Nachschlüssels, den
Lerr Kundrich wunderbar zu handhaben verstand, drangen wir in
Rübsams Wobnung ein und durchsuchten sie. Es
muß gesagt werden: ohne jeden Erfolg.
Es schien also keine unmittelbare Lebensge-
fahr vorhanden — wahrscheinlich hatte Rübsam
die gewünschten Sprengkörper noch nicht bekom-
men — und wir beruhigten uns alle wieder
einigermaßen.
Am Samstag früh klingelte es bei uns.
Draußen stand der alte Rübsam. Ich war auf
alles mögliche gefaßt.
„Entschuldigen Sie," sagte der alte Rübsam,
„würden Sie so liebenswürdig sein, für mich
einige Offerten entgegenzunehmen? Ich mußte
nämlich einige Tage verreisen — hatte ein Inserat
aufgegeben — heute steht es wieder im Blatt. Ich
suche nämlich zur Lochzeit meiner Nichte echte
alte Biedermeierplaketten."
In der nächsten Woche ließen wir auf Be-
treiben meiner Frau unser Türschloß ändern.
Wegen Kundrichs Nachschlüssel, sagte sie.
Unglaublich „Mutti — Edi hat Waldi den ganzen Äundekuchen weggegessen!"
„Pfui Edi, da hört sich doch alles auf!"
„And mir hat er nur zwei kleine Stückchen davon gegeben!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unglaublich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4675, S. 159
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg