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.Ob Ich dich liebe . . .*

sich zwar ein allgemeiner Protest der
fünf so tragisch in den Aukosport Ver-
strickte». jedoch der furchtbare Trinker
erklärte: „Wer nicht mitfahren will, der
kann ja dableiben," und trank weiter.

Dableiben aber war gleichbedeutend
mit drei Stunde» weit in Nacht, Regen
und Wind zu Fuß heimtappen. „Iager-
loisl, ein weiteres Stamperl!" And der
Wirt brachte die Nummer zehn.

Dem Apotheker stiegen die Laare
zu Berge, der Architekt dachte an seine
junge Frau, die er vielleicht heute morgen
zum letztenmal gesehen habe, und der
Bankier Wohlgeschaffen fragte insge-
heim nach einer Aebernachtungsgelcgen-
heit. Leider lautete die Auskunft durch-
aus unbefriedigend.

„IagerloiLl, ex!" fchrie jetzt der
wilde Trinker und Jäger und hob das
leere Glas, und der unermüdliche Wirt
pflanzte die Nummer elf auf den Tisch.

„Ich habe nämlich kürzlich gelesen,"

Hub jetzt auch noch der Lerr von Sieben-
saß unter unverkennbaren lingualen
Schivicrigkeiten zu erzählen an, „daß
irgendwo in Amerika eine Wette aus-
getragen wurde: in einer Stunde sech-
zehn Gläschen Steinhäger gegen acht
Glas Grog, und der Steinhäger hat
verloren. Ich will nun heute erproben,
ob ich vielleicht gewonnen hätte. Iager-
loisl, vorwärts!"

And der Wirt schwirrte mit Num-
mer zwölf an, und dem Apotheker trat
der Schweiß auf die Stirne. Der Stadt-
theatertenor Narziß indes fragte behutsam, ob denn die in Amerika
bei ihrer Wette auch die Pflicht gehabt hätten, fünf gute Freunde
und Ehemänner heil nach Krause zu bringen.

„Mehr als das," sprach jedoch der unerbittliche Trinker, „denn
dort steuerte ein jeder der Wettenden einen Autobus mit zwanzig
Personen der nächsten Verwandtschaft. Also werdet ihr fünf Lasenfüße
wohl auch noch mit geraden Gliedern heimkommen." Freilich schienen
die Zungenhemmungen schon wieder etwas zugenommen zu haben.

Mit dem dreizehnten Steinhäger meinte sogar der bisher gänzlich
stille, weil entschlafene und soeben wieder erwachte Doktor Wöstner,
jetzt wäre es genug; denn
ein Dutzend Schnäpse
sei eine stattliche, runde
Zahl, mit der sich
niemand zu genieren
brauche.

„Schon vorüber," schrie
aber der Furchtbare. „Es
lebe die Nummer vier-
zehn!" Ja, es folgten so-
gar noch, genau nach dem
Programm, die Schnäpse
fünfzehn und fechzehn,
und damit erst war das
Werk getan und sprach
der trinkfeste Lerr von
Siebensaß: „Ich bin zur
Leimfahrt bereit." Aller-
dings, seine Lände zitter-
ten, und fein Schritt
schien unsicher.

In drei Gliedern, je zwei und zwei
hintereinander, nahmen die sechs Jäger
im Auto Platz, und zehn Augen wand-
ten von da ab keine» Blick mehr weg
vom Forstmeister und seinem Steuer-
rad. „Ich habe nur die eine Bitte,"
sagte er, „daß Sie nämlich alle ohne
Ausnahme ivährend der ganzen Fahrt
singen; denn Gesang wirkt immer be-
ruhigend auf meine Nerven. And zwar
sind es merkwürdigerweise in solche»
Fällen jedesmal Liebeslieder. Bitte,
fangen Sie an!"

Da stimmten denn die fünf Passa-
giere, denen das Weinen näher stand
als das Singen, wohl oder übel, mit
bitteren Gesichtern ein Liebeslied an.
And in der Tat: solange der Gesang
erscholl, nahm das Auto rasch und sicher
die Chaussee; kaum aber war das Lied
zu Ende, so befiel auch schon eine be-
merkenswerte Anruhe den Fahrer und
ein höchst ungemütlicher Zickzackkurs
den Wagen, so daß auf der Stelle der
Ruf nach einem neuen Kantus laut
wurde. And schon fing Doktor Wöstner
das alte Studentenlied „Was kommt
dort von der Löh?" zu gröhlen an.

Allein der Mann am Steuer erklärte
sofort: „Was fällt Ihnen ein! Das
hilft nichts. Ein Liebeslied muß es sein,
je schmachtender desto besser." Da into-
nierte der Apotheker mit spärlichem
Bariton: „Ob ich dich liebe, frage die
Rose;" doch nur der Bankier fiel ein,
noch dazu grundfalsch: „die ich dir sandte,
von Tränen betraut."

„Das ist weitaus das Beste," beteuerte der Forstmeister. „Mit
diesem Lied wären wir schnell daheim, wenn es alle könnten, aber
leider..." And schon war die Limusine wieder in ihrem verfluchten
Zickzack drinnen. Darauf gaben sich der Apotheker und der Bankier
alle Mühe, das Lied den drei übrigen beizubringen, und deren Ge-
lehrigkeit war erstaunlich; denn alsbald stieg der Gesang. Der Stadt-
theatertenor, von dem das Gerücht ging, daß er die Löhen seines
herrlichen Organs nur gegen erlesene Lonorare zum besten gebe,
sang hier völlig kostenlos die gefühlvollsten Passagen, ja, hängte als
Dreingabe Koloraturen an, daran nicht einmal der Komponist ge-
dacht hatte, die aber lei-
der das Gegröhle des
Doktors Wöstner auch
nicht völlig zu neutrali-
sieren vermochten. Der
Wagen indes lies wieder
seinen geraden, stetigen
Kurs.

„Nur nicht mehr aus-
hören, bitte!" sagte der
Forstmeister. „And wenn
es auch immer das gleiche
Lied ist. Die Wirkung ist
zu wohltuend." And so
sangen die Fünf und
sangen und fingen, wenn
die letzte Strophe ver-
klunge» war, sogleich wie-
der mit der ersten an.
Auf diese Weise kam
der Fotstmeister aus
243

„Komm schon herauf, Aribert, ich Hab dir
deinen Osterhasen im Gemäuer versteckt!"

„Verdammte Romantik, im Lotelzinuner wär's
bequemer gewesen!"

„Eine Stelle ohne jeden Defekt!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Romantik" "Guter Wagen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4681, S. 243

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