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Zeichnung von M. Bauer

Beim Wettlauf „Is doch toll, Männe, noch nicht einmal die richtige Reihenfolge können sie einhalten."

Der Lerr im Lause

Pflicht gemacht, unverzüglich am nächsten Morgen zu beginnen. Be-
sonders angenehm hatte es ihn berührt, daß der Mann ihn nicht
nach seinem Namen gefragt, sondern ihn unter einer Nummer in
ein Buch eingetragen hatte.

Der Anfang der Kur schien ausnehmend günstig zu verlaufen.
Am nächsten Morgen hatte Agathe einen der bei ihr so seltenen
weichen Tage. Die vorgeschriebene sanfte Beredsamkeit fiel auf
fruchtbaren Boden.

Als sich Schleifenbaum am Schluß des Frühstücks die Zigarre
ansteckte, war er zu der Aeberzeugung gekommen, daß noch ein Schuß
Nachgiebigkeit nicht schaden könne. Er war auch ein wenig gerührt.
So kam es, daß er erklärte, Agathe könne nicht mehr in dem alten
Silberfuchs herumlaufen, und sie solle sich heute noch einen neuen
kaufen. Agathe streichelte ihn dankbar über die Glatze. Er ging
stumm in sein Zimmer und kämmte sich die Sardellen wieder zurecht,
die bei dieser Zärtlichkeit wie Kraut und Rüben durcheinandergekom-
men waren. Am Nachmittag darauf brachte er sich sogar dazu, eine
Stunde in Agathes Damenkränzchen zu verweilen und Frau Konsul
Ziebewend zum Frühling von Lildach zu begleiten. Am nächsten
Abend kam Agathe mit zwei Billetts zur Oper an, die sie vom Wirt-
schaftsgeld erspart hatte. Schleifenbaum war ganz gerührt. Am
Ende der ersten Woche suchte er Lerrn Semmelbier auf. Er brannte
auf die Periode der suggestiven Blicke. Aber der Psychologe er-
klärte, daß die Llmschmelzung und Entrümpelung der weiblichen Psyche
noch lange nicht weit genug vorgetrieben worden sei. Er solle ruhig
noch weitere vierzehn Tage zulegen, der Endersolg wäre dann umso
schöner. Die nunmehr fällige Anzahlung von hundert Mark wolle
er sogleich quittieren.

Auch die Zeit der suggestiven Blicke und der weich, aber bestimmt
vorgetragenen Meinungen kam heran, und Schleifenbaum war wirk-
lich überrascht. So überrascht, daß er Lerrn Semmelbier spontan
eine große Dose Lummer als Exkrahonorar sandte. Denn Agathe war
sichtbar schon so gut vorgeknetet, daß sie wie ein gutes Reitpferd
auf leichten Zügelzug parierte. Die suggestiven Blicke erwiderte sie
ebenso suggestiv. Schleifenbaum deutete sich die Sache als eine stumme

Aufforderung, nun aus ihr zu machen, was ihm beliebe, als das Ein-
geständnis: ich bin jetzt Ton in deiner Land! Alles, was sie vor-
brachte, hatte gegen früher etwas durchaus bestimmtes, was wohl-
tuend gegen ihre frühere Launenhaftigkeit und Sprunghaftigkeit ab-
stach. Dabei war von Kampfstimmung nichts zu merken. Seine
eigne weiche Bestimmtheit wirtte anscheinend Wunder.

Lerr Semmelbier zeigte sich hochzusrieden und riet, am 15. Juli
unvermittelt schroff zu massiver Energie zu schreiten. Das erwies sich
nun als ein Problem. Nach langen Aeberlegungen beschloß Schleifen-
baum, ihr probeweise die Marmelade zum Frühstück zu verbieten.
Er schloß sie eines Abends einfach in den Bücherschrank ein. Es kann
nicht geleugnet werden, daß er dem Morgen mit einem gewissen
Bangen entgegensah. Gelang das Experiment, dann wollte er die
Etappe der brüsken Energie abkürzen und denselben Tag noch sein
Bündel zu einer unangekündigten Badereise schnüren, womit die
Periode des wiedergewonnenen Lerrentums brutal eingeleitet wer-
den sollte. Nach vierzehntägiger Abwesenheit wollte er dann Lerrn
Semmelbier zwecks hypnotischer Befestigung aufsuchen.

Schleifenbaum betrat das Frühstückszimmer. Seine Gattin war
noch nicht da. Auf dem Tisch fehlte die Marmelade. Aber es fehlte
noch mehr: es gab auch keine frischen Brötchen — nur ordinäres
Schwarzbrot lag da. Schleifenbaum hieb auf den Tisch, daß die
Tassen klapperten und das Mädchen Fanny aus dem Mustkzimmer
nebenan mit dem Staublappen in der Land aufgescheucht herein-
schüchterte.

„Was soll das heißen, Fanny? Warum sind keine Brötchen da?
Wo ist meine Frau?"

„Die gnädige Frau hat die Brötchen abbestellt, Lerr Schleifen-
baum. Die gnädige Frau ist mit dem Frühzug zu ihrer Tante nach
Lamburg abgereist — ja!" sagte Fanny.

Schleifenbaum stürzte ohne Frühstück, nichts gutes ahnend, zu
Lerrn Semmelbier. Einen dienstbaren Geist, der den Eintritt ver-
wehren wollte, da Lerr Semmelbier beschäftigt sei, schob er kraftvoll
beiseite.

In einem verdunkelten Vorzimmer trat ihm Lerr Semmelbier
entgegen. Er hob beschwörend den Arm.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Beim Wettlauf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4763, S. 311

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