Almenrausch
,EWig dein Iohn^ Von Ralph Urban
Mr. Green war Frühaufsteher. Wenn er des Morgens die Augen
aufschlug, dann bestanden seine ersten Gedanken in mehrstelligen
Zahlen, hinter denen das Dollarzeichen mit Selbstverständlichkeit den
Abschluß bildete. Als echter Banker wertete, fühlte,
lebte und dachte er grundsätzlich nur in Dollars.
Mr. Green erhob sich auch an diesem Morgen
um 5 Ahr 45, machte als tägliche Gymnastik auf
dem Bettvorleger zwei Kniebeugen und begab
sich solchermaßen gestählt ins Badezimmer. Am
Punkt sechs Ahr saß er bereits beim Frühstücks-
tisch und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem
Ei und der noch nach Druckerschwärze riechenden
Zeitung. Er überflog den Leitartikel, der den
Wert eines Bündniffes der großen Demokratien
im Falle eines nicht provozierten Angriffes der
Marsmenschen auf ASA. beleucbtete, und blät-
terte sich dann gleich bis zum Börsenteil durch.
Dabei fiel ihm im Fettdruck folgende Anzeige aus:
,Ewig dein John! 17. 4. 1933!'
,Ein Brillantring mit diesen eingravierten
Worten wurde gestern nachmittag verloren. Da
unersetzliches Andenken, biete ich einen weit über
den Wert hinausgehenden Finderlohn im Betrag
von 1000 Dollars. W. B. Taylor, 44. Straße 67/133.'
„Lm," meinte Mr. Green, „was gibt es doch
für sentimentale Lunde." And begann aufmerk-
sam die Börsenkurse zu studieren. Als er damit
fertig war, blätterte er um und überflog den
,Kleinen Anzeiger', der ihn auch interessierte, da
diese Inserate mit ihren Angeboten und Nach-
fragen gewissermaßen als Barometer der allge-
meinen Lage gelten können. Dabei blieb sein
Blick an den bekannten Worten hängen:
,Ewig dein John!'
„Loppla," meinte Mr. Green, „was ist denn
das?" And las weiter:
,Ein Ring mit dieser Inschrift und hinzuge-
fügter Jahreszahl wurde gestern gesunden. Der
Verlustträger kann den Ring gegen Nennung
jenes Datums und Entrichtung eines entsprechen-
den Finderlohnes abholen bei: C. I. Smith, 116
Str. Nr. 74/61.'
„Du meine Güte," seufzte Mr. Green, „was
gibt es doch für Idioten." And während sich sein
Gesicht zu einem allgemeinen Lächeln verzog, be-
schloß er, so nebenbei rasch ein paar hundert
Dollars zu verdienen. Zehn Minuten später saß er
bereits in seinem Magen, und bald darauf klingelte
er an der Tür des Finders C. I. Smith.
„Wissen Sie," sagte Mr. Green zu C. I. Smith, „den Ring hatte
ich einmal einer Braut geschenkt, aber dann wurde sie böse und gab
ihn mir zurück. Lahaha l"
„Lahaha," stimmte Mr. Smith ein. „Welches Datum ist denn
eingraviert?"
„Der siebzehnte April neunzehnhundertdrei-
unddreißig."
„Stimmt. Lier ist der Ring."
„Danke, danke," meinte Mr. Green. „Der Ring
selbst hat nur geringen Wert. Wieviel Finder-
lohn wollen Sie?"
„Dreihundert Dollars."
„Lerr, machen Sie sich nicht lächerlich," rief
Mr. Green, „dreißig Dollar und um keinen
Cent mehr."
„Kommt nicht in Frage," meinte Mr. Smith,
„dann trage ich ihn schon lieber zur Polizei."
Dies wollte natürlich Mr. Green auch nicht, und
nach hartem Kampf einigte man sich auf 250 Dollars.
Mit dem Ring in der Westentasche begab sich
Mr. Green zu dem Verlustträger und Verfasser
der ersten Zeitungsanzeige. An der bezeichneten
Tür befand sich ein Zettel mit der Aufschrift:
.Befinde mich in dringenden Geschäften aus-
wärts, doch bin ich morgen wieder hier.'
„Lm," grunzte Mr. Green, „die Geschäfte ge-
fallen mir nicht." Da ihm aber nichts anderes
überblieb, mußte er eben bis zum nächsten Tag
warten.
Am gleichen Nachmittag sagte Mr. C.I. Smith
zu seinem Geschäftsfreund, als eben wieder ein
Lerr gegangen war: „So, alle fünfzehn Ringe
mit,Ewig dein John' sind fort. Abzüglich der
Kosten für Ringe, Anzahlung der Miete des
Büros in der vierundvierzigsten Straße und der
Miete für hier, und abzüglich der Inseratenspesen
haben wir rund dreitausend Dollars verdient. Ich
habe dir schon immer gesagt: Man braucht nur
die schlechten Instinkte seiner Mitmenschen zu
reizen, dann bringen sie einem das Geld säcke-
weise ins Laus. And jetzt wollen wir von hier
verduften —"
Am nächsten Morgen stand Mr. Green wieder
vor der Tür jenes angeblichen Verlustträgers und
las die Schrift auf einem neuen Zettel. Sie lautete:
,Die Dummen sterben glücklicherweise nicht aus.
Ewig dein John!'
„Was gibt es doch für Schlechtigkeit in diesem
Land," meinte Mr. Green kopfschüttelnd und
schmerzerfüllt. „Fast könnte man den Glauben
an die Menschheit verlieren."
Der Bauch als Lebensretter
71
,EWig dein Iohn^ Von Ralph Urban
Mr. Green war Frühaufsteher. Wenn er des Morgens die Augen
aufschlug, dann bestanden seine ersten Gedanken in mehrstelligen
Zahlen, hinter denen das Dollarzeichen mit Selbstverständlichkeit den
Abschluß bildete. Als echter Banker wertete, fühlte,
lebte und dachte er grundsätzlich nur in Dollars.
Mr. Green erhob sich auch an diesem Morgen
um 5 Ahr 45, machte als tägliche Gymnastik auf
dem Bettvorleger zwei Kniebeugen und begab
sich solchermaßen gestählt ins Badezimmer. Am
Punkt sechs Ahr saß er bereits beim Frühstücks-
tisch und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem
Ei und der noch nach Druckerschwärze riechenden
Zeitung. Er überflog den Leitartikel, der den
Wert eines Bündniffes der großen Demokratien
im Falle eines nicht provozierten Angriffes der
Marsmenschen auf ASA. beleucbtete, und blät-
terte sich dann gleich bis zum Börsenteil durch.
Dabei fiel ihm im Fettdruck folgende Anzeige aus:
,Ewig dein John! 17. 4. 1933!'
,Ein Brillantring mit diesen eingravierten
Worten wurde gestern nachmittag verloren. Da
unersetzliches Andenken, biete ich einen weit über
den Wert hinausgehenden Finderlohn im Betrag
von 1000 Dollars. W. B. Taylor, 44. Straße 67/133.'
„Lm," meinte Mr. Green, „was gibt es doch
für sentimentale Lunde." And begann aufmerk-
sam die Börsenkurse zu studieren. Als er damit
fertig war, blätterte er um und überflog den
,Kleinen Anzeiger', der ihn auch interessierte, da
diese Inserate mit ihren Angeboten und Nach-
fragen gewissermaßen als Barometer der allge-
meinen Lage gelten können. Dabei blieb sein
Blick an den bekannten Worten hängen:
,Ewig dein John!'
„Loppla," meinte Mr. Green, „was ist denn
das?" And las weiter:
,Ein Ring mit dieser Inschrift und hinzuge-
fügter Jahreszahl wurde gestern gesunden. Der
Verlustträger kann den Ring gegen Nennung
jenes Datums und Entrichtung eines entsprechen-
den Finderlohnes abholen bei: C. I. Smith, 116
Str. Nr. 74/61.'
„Du meine Güte," seufzte Mr. Green, „was
gibt es doch für Idioten." And während sich sein
Gesicht zu einem allgemeinen Lächeln verzog, be-
schloß er, so nebenbei rasch ein paar hundert
Dollars zu verdienen. Zehn Minuten später saß er
bereits in seinem Magen, und bald darauf klingelte
er an der Tür des Finders C. I. Smith.
„Wissen Sie," sagte Mr. Green zu C. I. Smith, „den Ring hatte
ich einmal einer Braut geschenkt, aber dann wurde sie böse und gab
ihn mir zurück. Lahaha l"
„Lahaha," stimmte Mr. Smith ein. „Welches Datum ist denn
eingraviert?"
„Der siebzehnte April neunzehnhundertdrei-
unddreißig."
„Stimmt. Lier ist der Ring."
„Danke, danke," meinte Mr. Green. „Der Ring
selbst hat nur geringen Wert. Wieviel Finder-
lohn wollen Sie?"
„Dreihundert Dollars."
„Lerr, machen Sie sich nicht lächerlich," rief
Mr. Green, „dreißig Dollar und um keinen
Cent mehr."
„Kommt nicht in Frage," meinte Mr. Smith,
„dann trage ich ihn schon lieber zur Polizei."
Dies wollte natürlich Mr. Green auch nicht, und
nach hartem Kampf einigte man sich auf 250 Dollars.
Mit dem Ring in der Westentasche begab sich
Mr. Green zu dem Verlustträger und Verfasser
der ersten Zeitungsanzeige. An der bezeichneten
Tür befand sich ein Zettel mit der Aufschrift:
.Befinde mich in dringenden Geschäften aus-
wärts, doch bin ich morgen wieder hier.'
„Lm," grunzte Mr. Green, „die Geschäfte ge-
fallen mir nicht." Da ihm aber nichts anderes
überblieb, mußte er eben bis zum nächsten Tag
warten.
Am gleichen Nachmittag sagte Mr. C.I. Smith
zu seinem Geschäftsfreund, als eben wieder ein
Lerr gegangen war: „So, alle fünfzehn Ringe
mit,Ewig dein John' sind fort. Abzüglich der
Kosten für Ringe, Anzahlung der Miete des
Büros in der vierundvierzigsten Straße und der
Miete für hier, und abzüglich der Inseratenspesen
haben wir rund dreitausend Dollars verdient. Ich
habe dir schon immer gesagt: Man braucht nur
die schlechten Instinkte seiner Mitmenschen zu
reizen, dann bringen sie einem das Geld säcke-
weise ins Laus. And jetzt wollen wir von hier
verduften —"
Am nächsten Morgen stand Mr. Green wieder
vor der Tür jenes angeblichen Verlustträgers und
las die Schrift auf einem neuen Zettel. Sie lautete:
,Die Dummen sterben glücklicherweise nicht aus.
Ewig dein John!'
„Was gibt es doch für Schlechtigkeit in diesem
Land," meinte Mr. Green kopfschüttelnd und
schmerzerfüllt. „Fast könnte man den Glauben
an die Menschheit verlieren."
Der Bauch als Lebensretter
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Almenrausch" "Der Bauch als Lebensretter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4905, S. 71
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg