Ein Mann wird aufmerksam
Rock. Schwups — die Bürste sprang davon, hüpfte unartig ein
paarmal über den Boden und blieb vor den Füßen des jungen
Mannes liegen. Der hob sie natürlich auf und reichte sie der Kleinen.
„Danke vielmals," sagte das Mädchen, „wirklich sehr liebens-
würdig."
„Aber bitte," meinte Lerr Zauner und setzte seinen Weg fort.
Zwei Tage später stand wieder das Mädchen aus dem Gang.
„Entschuldigen Sie," sprach es den jungen Mann an, „glauben
Sie, wird es am Sonntag regnen?"
„Ob es Sonntag regnen wird?" wiederholte Michael Zauner
verwundert. „Bin ich ein Laubfrosch?"
„Nein, aber etwas anderesl" rief die Schöne und knallte
die Tür zu.
Was sie damit wohl gemeint hat — dachte der junge Mann
und ging kopfschüttelnd weiter.
Ein paar Tage später sah Lerr Zauner vor dem Laus, in
dem er wohnte, eine junge Dame vor sich, die sehr gut angezogen
war. Als er gerade an ihr Vorbeigehen wollte, schrie sie auf
und hinkte schrecklich.
„Was haben Sie denn?" fragte der Mann.
„Den Fuß verknackst — au — "
„Ach, das ist nicht schlimm," meinte Zauner sachverständig
und betrachtete den kleinen Fuß, wie man etwa ein Stück Lolz
ansieht, „nur ein paarmal fest auftreten, dann knackst er sich
wieder ein." And ging weiter.
Am nächsten Morgen verließ Michael Zauner wie immer
um sieben Ahr zwanzig das Laus. Er war noch keine zehn
Schritte auf dem Gehsteig gegangen, als er plötzlich einen dröh-
nenden Schlag am Kopfe verspürte und leicht wankte. Gleich
darauf zersplitterte der Antersah eines Blumentopfs auf dem
Boden. Der junge Mann griff vorsichtig nach seinem Lut, nahm
ihn ab und betastete die Kopfhaut, wo er eine Beule munter
wachsen fühlte. Jetzt erst überkam ihn schreckliche Wut, und er
sah nach auswärts. Eben verschwand in einem Fenster des ersten
Stockes ein bestürztes weibliches Gesicht.
„Lallo, Sie dal" brüllte Zauner. Nichts regte sich oben.
„Warte nur!" knirschte der junge Mann, übersah nochmals die
Lage jenes Fensters und raste die Treppe hinauf. Trommelte an
„Du bist noch neu in dem Beruf, darum merke dir: das einzige, was
bei einem guten Clown nicht lächerlich sein darf, ist die Gagel"
Vorgefaßte Meinung
„Laben Eie heute auch aufm Gericht zu tun, Frau Puffke?"
„Leider-eine Beleidigungssache."
„Ach, wer hat Sie denn verklagt?"
die entsprechende Tür. Zögernd wurde nach einer Weile geöffnet, und
ein heftig geröteter Mädchenkopf erschien.
„Anerhört!" brüllte Zauner. „Ich werde Sie anzeigen!"
„O, bitte nichtl" bebte das Mädchen. „Zch kann nichts dafür, er ist
mir ausgekommen. Labe ich Ihnen weh getan?"
„Angenehm ist es bestimmt nicht. Da!" sagte er etwas ver-
söhnlicher und zeigte nach der Beule.
„Nein, wie schrecklich I" meinte die Kleine und befühlte zart den
Schaden. „Kommen Sie doch rasch herein, ich will Ihnen etwas
auflegen, dann wird es gleich beffer." And bevor Zauner noch wußte,
wie ihm geschah, saß er schon auf einem Stuhl in der Küche und
hatte ein nasies Tuch auf dem Laupt. Die Kühle tat ihm wohl.
„Aber jetzt muß ich gehen, sonst komme ich zu spät," sagte er
nach einer Weile. — „Werden Sie mich wirklich anzeigen?"
„Nein, natürlich nicht."
So oft nun Lerr Zauner auf seinem Weg über die Treppe beim
ersten Stock anlangte, sah er nach jener Tür. Er blieb sogar stehen,
wartete und hustete dabei heftig, aber das Mädchen ließ sich lange
nicht sehen.
Wie schüchtern sie doch ist — dachte er dann und war sehr be-
unruhigt. Bis er sich am Samstag Nachmittag beim Laustor auf-
stellte und nicht mehr wegging. Nach einer Stunde wurde seine
Lauer belohnt, denn da erschien endlich die Kleine. Zauner begann
vom Wetter zu sprechen und vom morgigen Sonntag. Er sprach so
lange, bis er sich verabredet hatte. Vier Monate später verbanden
sie seinen Arlaub mit ihrer Lochzeitsreise.
„Weißt du," sagte einmal Michael, „mit dem Zufall ist es eine
ganz eigentümliche Sache. Wäre ich damals nicht just in dem
Augenblick unten vorbeigegangen, da dir der Antersatz von dem
Blumentopf entfiel, dann wäre ich wohl nie auf dich aufmerksam
geworden."
„Das Schicksal wollte es jedenfalls," entgegnete die junge Frau,
„daß du auf mich doch noch aufmerksam wurdest, denn es war
mein letzter Versuch. And außerdem hatte ich sorgfältig gezielt."
195
Rock. Schwups — die Bürste sprang davon, hüpfte unartig ein
paarmal über den Boden und blieb vor den Füßen des jungen
Mannes liegen. Der hob sie natürlich auf und reichte sie der Kleinen.
„Danke vielmals," sagte das Mädchen, „wirklich sehr liebens-
würdig."
„Aber bitte," meinte Lerr Zauner und setzte seinen Weg fort.
Zwei Tage später stand wieder das Mädchen aus dem Gang.
„Entschuldigen Sie," sprach es den jungen Mann an, „glauben
Sie, wird es am Sonntag regnen?"
„Ob es Sonntag regnen wird?" wiederholte Michael Zauner
verwundert. „Bin ich ein Laubfrosch?"
„Nein, aber etwas anderesl" rief die Schöne und knallte
die Tür zu.
Was sie damit wohl gemeint hat — dachte der junge Mann
und ging kopfschüttelnd weiter.
Ein paar Tage später sah Lerr Zauner vor dem Laus, in
dem er wohnte, eine junge Dame vor sich, die sehr gut angezogen
war. Als er gerade an ihr Vorbeigehen wollte, schrie sie auf
und hinkte schrecklich.
„Was haben Sie denn?" fragte der Mann.
„Den Fuß verknackst — au — "
„Ach, das ist nicht schlimm," meinte Zauner sachverständig
und betrachtete den kleinen Fuß, wie man etwa ein Stück Lolz
ansieht, „nur ein paarmal fest auftreten, dann knackst er sich
wieder ein." And ging weiter.
Am nächsten Morgen verließ Michael Zauner wie immer
um sieben Ahr zwanzig das Laus. Er war noch keine zehn
Schritte auf dem Gehsteig gegangen, als er plötzlich einen dröh-
nenden Schlag am Kopfe verspürte und leicht wankte. Gleich
darauf zersplitterte der Antersah eines Blumentopfs auf dem
Boden. Der junge Mann griff vorsichtig nach seinem Lut, nahm
ihn ab und betastete die Kopfhaut, wo er eine Beule munter
wachsen fühlte. Jetzt erst überkam ihn schreckliche Wut, und er
sah nach auswärts. Eben verschwand in einem Fenster des ersten
Stockes ein bestürztes weibliches Gesicht.
„Lallo, Sie dal" brüllte Zauner. Nichts regte sich oben.
„Warte nur!" knirschte der junge Mann, übersah nochmals die
Lage jenes Fensters und raste die Treppe hinauf. Trommelte an
„Du bist noch neu in dem Beruf, darum merke dir: das einzige, was
bei einem guten Clown nicht lächerlich sein darf, ist die Gagel"
Vorgefaßte Meinung
„Laben Eie heute auch aufm Gericht zu tun, Frau Puffke?"
„Leider-eine Beleidigungssache."
„Ach, wer hat Sie denn verklagt?"
die entsprechende Tür. Zögernd wurde nach einer Weile geöffnet, und
ein heftig geröteter Mädchenkopf erschien.
„Anerhört!" brüllte Zauner. „Ich werde Sie anzeigen!"
„O, bitte nichtl" bebte das Mädchen. „Zch kann nichts dafür, er ist
mir ausgekommen. Labe ich Ihnen weh getan?"
„Angenehm ist es bestimmt nicht. Da!" sagte er etwas ver-
söhnlicher und zeigte nach der Beule.
„Nein, wie schrecklich I" meinte die Kleine und befühlte zart den
Schaden. „Kommen Sie doch rasch herein, ich will Ihnen etwas
auflegen, dann wird es gleich beffer." And bevor Zauner noch wußte,
wie ihm geschah, saß er schon auf einem Stuhl in der Küche und
hatte ein nasies Tuch auf dem Laupt. Die Kühle tat ihm wohl.
„Aber jetzt muß ich gehen, sonst komme ich zu spät," sagte er
nach einer Weile. — „Werden Sie mich wirklich anzeigen?"
„Nein, natürlich nicht."
So oft nun Lerr Zauner auf seinem Weg über die Treppe beim
ersten Stock anlangte, sah er nach jener Tür. Er blieb sogar stehen,
wartete und hustete dabei heftig, aber das Mädchen ließ sich lange
nicht sehen.
Wie schüchtern sie doch ist — dachte er dann und war sehr be-
unruhigt. Bis er sich am Samstag Nachmittag beim Laustor auf-
stellte und nicht mehr wegging. Nach einer Stunde wurde seine
Lauer belohnt, denn da erschien endlich die Kleine. Zauner begann
vom Wetter zu sprechen und vom morgigen Sonntag. Er sprach so
lange, bis er sich verabredet hatte. Vier Monate später verbanden
sie seinen Arlaub mit ihrer Lochzeitsreise.
„Weißt du," sagte einmal Michael, „mit dem Zufall ist es eine
ganz eigentümliche Sache. Wäre ich damals nicht just in dem
Augenblick unten vorbeigegangen, da dir der Antersatz von dem
Blumentopf entfiel, dann wäre ich wohl nie auf dich aufmerksam
geworden."
„Das Schicksal wollte es jedenfalls," entgegnete die junge Frau,
„daß du auf mich doch noch aufmerksam wurdest, denn es war
mein letzter Versuch. And außerdem hatte ich sorgfältig gezielt."
195
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Du bist noch neu in dem Beruf..." "Vorgefaßte Meinung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4913, S. 195
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg