Zeichnung von M. Claus
„Le, Sie, was machen Sie denn da? — "
„Ich stelle die Zeiger nur ein bißchen zurück. Meine Braut soll nicht das
unangenehme Gefühl haben, daß sie eine ganze Stunde zu spät ift."
Frau Bullack sang den Gästen einige liebliche
Volkslieder. Es war roh vom Dr. Spondeus, aber
ganz unrecht hatte er nicht, als er dem Postrat
Spiller zuflüsterte: „Limmel, wann wird denn die
olle Kuh endlich aufhören?"
„Sie muß noch am Neckar und am Rhein grasen,
dann gibt sie Ruhe."
Der Wunsch
Max küßte ein Mädchen.
Max sprach:
„Mit diesem Kuß habe ich dir alles gesagt!"
Sie seufzte selig:
„Sag es mir noch einmal!"
Stich
Der junge Mann sprach das junge Mädchen an.
Das junge Mädchen streckte ihm die Zunge heraus.
„Irrtum," sagte der junge Mann gefaßt, „ich
bin kein Arzt!"
Schabernack im Frühling
Peter aber saß daheim und brütete über einem
Brief. Ein halber Büttenbriefblock lag schon zerknüllt
und zerfetzt um ihn herum, als er sich zu folgender
Fassung entschloß:
Liebes Fräulein Inge!
Entschuldigen Sie, bitte, meine Kühnheit!
Schreiber dieses Briefes ist jener „entgegenkom-
mende" junge Mann, dem Ihr Lächeln jeden Morgen
Heller und jeden Arbeitstag schöner erscheinen läßt.
Das mag schwülstig klingen, entspricht aber so sehr
der Wirklichkeit, daß ich keine weniger großartigen
Worte dafür finde. Ihre Freundlichkeit läßt mich den
— hoffentlich nicht voreiligen — Schluß ziehen, daß
ich von Ihnen bemertt worden bin, und daß wir uns
daher nicht mehr ganz fremd gegenüberstehen.
Ich wage es also. Sie auf diesem Wege um ein
Wiedersehen zu bitten, da, ehrlich gesagt, die Zeit
am Morgen immer so knapp ist. Sie würden mich
sehr glücklich machen!
Ich werde am Mittwoch von 8 bis 8 Uhr 30 an
dem kleinen Zierbrunnen in der Lützow-Anlage auf
Sie warten.
Wenn Ihnen Zeit und Ort nicht zusagen. Sie aber gegen ein
sozusagen „außerdienstliches" Wiedersehen nichts einzuwenden haben,
würde ich Sie bitten, mich unter 93878 anzurufen und mir zu sagen,
wann und wo ich Sie erwarten darf. Ich werde immer Zeit für
Sie haben! Ihr sehr ergebener
Peter.
Briefe schreiben ist wirklich eine Kunst, dachte Peter, als er den
Brief beflügelten Schrittes zum nächsten Kasten trug und ihn mit
einem schicksalhaften Gefühl hineinwarf.
Er dachte dabei an die zwei Bände „Liebesbriefe berühmter
Männer," die er, ohne irgend eine Anregung dadurch zu bekommen,
durchgeblättert hatte.
Wenn die Zukunft so zwischen Furcht und Loffnung schwebt, tut
es gut, sich auszusprechen.
Wie vom Limmel geschickt tauchte Peters Freund Teddy auf.
Er wurde zu einem Glas Wein eingeladen und erfuhr bei dieser
Gelegenheit die ganze Geschichte mit allen Einzelheiten. Beim dritten
Glas Wein lösten die Freunde die Frage: „Kommt sie oder kommt
sie nicht?" mit einem einstimmigen „Sie kommt!"
Sie verabschiedeten sich in rosigster Laune. Teddy begann jedoch
auf dem Leimweg plötzlich ganz hinterhältig vor sich hin zu grinsen.
*
Der Morgen des Mittwoch traf Peter in der denkbar besten
Stimmung. Er war frisch rasiert, hatte die schönste Krawatte aus
seiner Sammlung gewählt und lebte den ganzen Tag in Erwartung
des Abends. Gearbeitet — unter uns gesagt — hat er an diesem
Tag nicht viel. Denn draußen war ein Frühlingstag, wie ihn die
Dichter immer besingen. Mehr ist darüber nicht zu sagen.
„Lallo, Peter, ans Telephon!"
Peter fuhr zusammen und schien bestürzt.
„Wer ist denn da?"
„Eine neue Stimme." Der Mann am Apparat grinste. Peter
gab ihm einen Puff und nahm dann den Lörer.
„Lier Peter!"
„Guten Morgen — hier ist Inge!"
Peters Gesicht ging in die Breite. Er fuhr sich mit der freien
Land über die feuchtgewordene Stirn.
„Das ist ja riesig nett von Ihnen, daß Sie anrufen."
„O, so arg nett ist das für Sie garnicht, ich habe nämlich heute
Abend keine Zeit."
Peters Schweigen war ein Wehschrei der Enttäuschung.
„Aber — wir könnten die Zusammenkunft ja auf morgen ver-
schieben. Gleiche Zeit und gleicher Ort!"
Peters Stimmung schnellte in die Löhe:
„Das ist ja wunderbar, selbstverständlich, das ist mir genau so
lieb, ich bin ja so froh ..."
„Ich habe jetzt leider wenig Zeit, es warten einige Leute an der
Zelle — auf morgen also!"
183
„Le, Sie, was machen Sie denn da? — "
„Ich stelle die Zeiger nur ein bißchen zurück. Meine Braut soll nicht das
unangenehme Gefühl haben, daß sie eine ganze Stunde zu spät ift."
Frau Bullack sang den Gästen einige liebliche
Volkslieder. Es war roh vom Dr. Spondeus, aber
ganz unrecht hatte er nicht, als er dem Postrat
Spiller zuflüsterte: „Limmel, wann wird denn die
olle Kuh endlich aufhören?"
„Sie muß noch am Neckar und am Rhein grasen,
dann gibt sie Ruhe."
Der Wunsch
Max küßte ein Mädchen.
Max sprach:
„Mit diesem Kuß habe ich dir alles gesagt!"
Sie seufzte selig:
„Sag es mir noch einmal!"
Stich
Der junge Mann sprach das junge Mädchen an.
Das junge Mädchen streckte ihm die Zunge heraus.
„Irrtum," sagte der junge Mann gefaßt, „ich
bin kein Arzt!"
Schabernack im Frühling
Peter aber saß daheim und brütete über einem
Brief. Ein halber Büttenbriefblock lag schon zerknüllt
und zerfetzt um ihn herum, als er sich zu folgender
Fassung entschloß:
Liebes Fräulein Inge!
Entschuldigen Sie, bitte, meine Kühnheit!
Schreiber dieses Briefes ist jener „entgegenkom-
mende" junge Mann, dem Ihr Lächeln jeden Morgen
Heller und jeden Arbeitstag schöner erscheinen läßt.
Das mag schwülstig klingen, entspricht aber so sehr
der Wirklichkeit, daß ich keine weniger großartigen
Worte dafür finde. Ihre Freundlichkeit läßt mich den
— hoffentlich nicht voreiligen — Schluß ziehen, daß
ich von Ihnen bemertt worden bin, und daß wir uns
daher nicht mehr ganz fremd gegenüberstehen.
Ich wage es also. Sie auf diesem Wege um ein
Wiedersehen zu bitten, da, ehrlich gesagt, die Zeit
am Morgen immer so knapp ist. Sie würden mich
sehr glücklich machen!
Ich werde am Mittwoch von 8 bis 8 Uhr 30 an
dem kleinen Zierbrunnen in der Lützow-Anlage auf
Sie warten.
Wenn Ihnen Zeit und Ort nicht zusagen. Sie aber gegen ein
sozusagen „außerdienstliches" Wiedersehen nichts einzuwenden haben,
würde ich Sie bitten, mich unter 93878 anzurufen und mir zu sagen,
wann und wo ich Sie erwarten darf. Ich werde immer Zeit für
Sie haben! Ihr sehr ergebener
Peter.
Briefe schreiben ist wirklich eine Kunst, dachte Peter, als er den
Brief beflügelten Schrittes zum nächsten Kasten trug und ihn mit
einem schicksalhaften Gefühl hineinwarf.
Er dachte dabei an die zwei Bände „Liebesbriefe berühmter
Männer," die er, ohne irgend eine Anregung dadurch zu bekommen,
durchgeblättert hatte.
Wenn die Zukunft so zwischen Furcht und Loffnung schwebt, tut
es gut, sich auszusprechen.
Wie vom Limmel geschickt tauchte Peters Freund Teddy auf.
Er wurde zu einem Glas Wein eingeladen und erfuhr bei dieser
Gelegenheit die ganze Geschichte mit allen Einzelheiten. Beim dritten
Glas Wein lösten die Freunde die Frage: „Kommt sie oder kommt
sie nicht?" mit einem einstimmigen „Sie kommt!"
Sie verabschiedeten sich in rosigster Laune. Teddy begann jedoch
auf dem Leimweg plötzlich ganz hinterhältig vor sich hin zu grinsen.
*
Der Morgen des Mittwoch traf Peter in der denkbar besten
Stimmung. Er war frisch rasiert, hatte die schönste Krawatte aus
seiner Sammlung gewählt und lebte den ganzen Tag in Erwartung
des Abends. Gearbeitet — unter uns gesagt — hat er an diesem
Tag nicht viel. Denn draußen war ein Frühlingstag, wie ihn die
Dichter immer besingen. Mehr ist darüber nicht zu sagen.
„Lallo, Peter, ans Telephon!"
Peter fuhr zusammen und schien bestürzt.
„Wer ist denn da?"
„Eine neue Stimme." Der Mann am Apparat grinste. Peter
gab ihm einen Puff und nahm dann den Lörer.
„Lier Peter!"
„Guten Morgen — hier ist Inge!"
Peters Gesicht ging in die Breite. Er fuhr sich mit der freien
Land über die feuchtgewordene Stirn.
„Das ist ja riesig nett von Ihnen, daß Sie anrufen."
„O, so arg nett ist das für Sie garnicht, ich habe nämlich heute
Abend keine Zeit."
Peters Schweigen war ein Wehschrei der Enttäuschung.
„Aber — wir könnten die Zusammenkunft ja auf morgen ver-
schieben. Gleiche Zeit und gleicher Ort!"
Peters Stimmung schnellte in die Löhe:
„Das ist ja wunderbar, selbstverständlich, das ist mir genau so
lieb, ich bin ja so froh ..."
„Ich habe jetzt leider wenig Zeit, es warten einige Leute an der
Zelle — auf morgen also!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"He, Sie, was machen Sie denn da?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4942, S. 183
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg