Anders gemeint
„Nach der Kneiperei ging ich zu meinem Onkel,
um mir Geld zu borgenI Da kam ich schön an!"
„Betrunken natürlich?"
?ante Krause wird von ihrer Nichte durch
das Museum geführt. Vor der Statue des Dis-
kuswerfers seufzt sie hörbar.
„Nun, Tantchen?"
„Ach, Kind, ganz wie der selige Krause, wenn
er eine alte Grammophonplalte nicht mehr hören
konnte."
\J~oe
oviiuviutur
V
Joe Joel, der Lebräer, hält an der Fifth Avenue Kunst feil.
Beste europäische Kunst, wie sie die °Dankees nur kaufen, aber nie
schaffen können: Gotische Madonnen mit dem Liebreiz frommer
Seligkeit, Reliquienschreine, an die gläubige Lände all ihre Zierlust
verschwendeten, Leilige auf verklärendem Goldgründe, Renaissance-
truhen von formenschwerer Gediegenheit, Venetianer und Nieder-
länder, die handgewebte Festlichkeit Brüsseler Wandteppiche, Louis XV-
Möbel, in denen die Nippsache noch ihr graziöses Spiel forttreibt,
Figürchenreigen der Sevres- und Meißner-Manufaktur. Ob religi-
öse oder weltliche Kunst, Joe Joel ist alles heilig, was vom Dollar
gesegnet ist. Er erlebt gerade seine heiligste Zeit, die Zeit
unablässig haussierender Lauste. Er jubelt über jede britische oder
"Jankeesche Bombe, die auf europäische Kulturstätten niederkracht.
Sein erster Blick in die Morgenzeitung gilt den Wildwestattentaten
auf die deutsche Kunst. !lnd schon schleppt er das Konversations-
lexikon heran: „Köln, Köln, ... Der Dom, das großartigste Werk
der deutschen Gotik mit reichem Kirchenschatz. Köstlich, köstlich! Menu
der in Stücke gerissen wurde, gab's einen prächtigen Goldregen!
Sankt Aposteln aus dem 12. Jahrhundert, auch nicht schlecht. Sankt
Maria im Kapitol, gar aus dem I I. Jahrhundert, sicherlich ein dank-
bares Objekt für Sprengstoffe. Die Lopser hätt' ich sehen möge»,
die die heiligen Statuen getan haben! And die Meisterstücke der
Kölner Malerschule gaben zweifellos ausgezeichnetes Brennholz
ab! Die gut ausgetrockneten Tafeln des Meisters Wilhelm, des Stephan
Lochner oder Bartholomäus Bruyn mögen hübsch geprasselt haben.
Da mag mir einer sagen, was er will: Es geht nichts über den Leiz-
wert der Kunst! . . Und dann der Gürzenich, das alte Rathaus,
lauter Leckerbissen für den amerikanischen Phosphor!"
Und an einem andern Morgen: „ . ... Aachen, so, sol Auch eine
schöne Gegend! Irr' ich nicht, so hatte da Karl der Große sein Wig-
wam ausgeschlagen. Richtig, da steht's ja: In der Pfalzkapelle liegt
er begraben. Nu, da wird das amerikanische Dynamit seine schlum-
mernden Knochen ein bißchen unsanft geweckt haben! Krönungsstadt
der deutschen Läuptlinge war Aachen auch, wie ich sehe. Da mögen
Szepter, Kronen und sonstiges majestätisches Zubehör empört hoch-
gefahren sein bei unseren demokratischen Einschlägen!"
And wieder an einem anderen Morgen: „ .. . Nürnberg, Bom-
bendonnerwctter! Das ist eine ganz kapitale Sache! fl target of first
rank! Eine klassische Zielscheibe! Da war doch der Malermeister Dürer
zu Lause! Na, sehen wir mal nach! Ja, da gibt's eine Kaiserburg,
die Sebaldus- und Lorenzkirche, das Germanische Museum, das
Dürerhans, die Löffelholzsche Kapelle usw., usw.
Immerhin also manche kleineren und größeren
Lagerhäuser von Gotik und Renaissance. Das
mag eine gründliche Entrümpelung in altdeutscher
Kunst gegeben haben!"
I. 9r.
Llnnütze Aufforderung „'s ist nichts von Bedeutung . . lassen Sie sich
. darob keine grauen Laare wachse» . .!"
Joe Joel rieb sich innig-vergnügt die Lände:
.„Ja, ja, in unserer Branche wird die Ware rar!
Der Seltenheitswert meines Lagers wächst. Meine
Madonnen und sonstigen Leiligkeiten steigen täg-
lich, stündlich im Kurs! Nach jeder Gewitternacht
kann ich mit bestem mosaischen Gewissen meine
Preise uin zwanzig Prozent in die Löhe setze».
Noch nie war die Kunst so ein Bombengeschäft
wie heutzutage! And da schreien die Germans,
unsere Lufthelden seien Piraten, Barbaren, Gang-
ster! Wo ist die Truppe, die mehr für den Kunst-
handel getan hat? Vierhundert Prozent Wert-
zuwachs hat sie mir gebracht! Aber nicht nur
unsere Flieger, auch die andern Lerren Soldaten
tun ihr Möglichstes für unsere Branche. Laben
sie uns nicht Sizilien erobert, eine wahre Schatz-
kammer in Altertümern! Ja, daß ich nicht vergess'!"
Er klingelte seinen Aufkäufer an: „Also, Mister
Myer, fahren Sie mit dem nächsten Flugzeug
nach Sizilien und kaufen Sie ein paar Schiffs-
ladungen Kunst bei dem großen Ausverkauf!
Fahren Sie mit Gott und kommen Sie mit Sach l"
189
„Nach der Kneiperei ging ich zu meinem Onkel,
um mir Geld zu borgenI Da kam ich schön an!"
„Betrunken natürlich?"
?ante Krause wird von ihrer Nichte durch
das Museum geführt. Vor der Statue des Dis-
kuswerfers seufzt sie hörbar.
„Nun, Tantchen?"
„Ach, Kind, ganz wie der selige Krause, wenn
er eine alte Grammophonplalte nicht mehr hören
konnte."
\J~oe
oviiuviutur
V
Joe Joel, der Lebräer, hält an der Fifth Avenue Kunst feil.
Beste europäische Kunst, wie sie die °Dankees nur kaufen, aber nie
schaffen können: Gotische Madonnen mit dem Liebreiz frommer
Seligkeit, Reliquienschreine, an die gläubige Lände all ihre Zierlust
verschwendeten, Leilige auf verklärendem Goldgründe, Renaissance-
truhen von formenschwerer Gediegenheit, Venetianer und Nieder-
länder, die handgewebte Festlichkeit Brüsseler Wandteppiche, Louis XV-
Möbel, in denen die Nippsache noch ihr graziöses Spiel forttreibt,
Figürchenreigen der Sevres- und Meißner-Manufaktur. Ob religi-
öse oder weltliche Kunst, Joe Joel ist alles heilig, was vom Dollar
gesegnet ist. Er erlebt gerade seine heiligste Zeit, die Zeit
unablässig haussierender Lauste. Er jubelt über jede britische oder
"Jankeesche Bombe, die auf europäische Kulturstätten niederkracht.
Sein erster Blick in die Morgenzeitung gilt den Wildwestattentaten
auf die deutsche Kunst. !lnd schon schleppt er das Konversations-
lexikon heran: „Köln, Köln, ... Der Dom, das großartigste Werk
der deutschen Gotik mit reichem Kirchenschatz. Köstlich, köstlich! Menu
der in Stücke gerissen wurde, gab's einen prächtigen Goldregen!
Sankt Aposteln aus dem 12. Jahrhundert, auch nicht schlecht. Sankt
Maria im Kapitol, gar aus dem I I. Jahrhundert, sicherlich ein dank-
bares Objekt für Sprengstoffe. Die Lopser hätt' ich sehen möge»,
die die heiligen Statuen getan haben! And die Meisterstücke der
Kölner Malerschule gaben zweifellos ausgezeichnetes Brennholz
ab! Die gut ausgetrockneten Tafeln des Meisters Wilhelm, des Stephan
Lochner oder Bartholomäus Bruyn mögen hübsch geprasselt haben.
Da mag mir einer sagen, was er will: Es geht nichts über den Leiz-
wert der Kunst! . . Und dann der Gürzenich, das alte Rathaus,
lauter Leckerbissen für den amerikanischen Phosphor!"
Und an einem andern Morgen: „ . ... Aachen, so, sol Auch eine
schöne Gegend! Irr' ich nicht, so hatte da Karl der Große sein Wig-
wam ausgeschlagen. Richtig, da steht's ja: In der Pfalzkapelle liegt
er begraben. Nu, da wird das amerikanische Dynamit seine schlum-
mernden Knochen ein bißchen unsanft geweckt haben! Krönungsstadt
der deutschen Läuptlinge war Aachen auch, wie ich sehe. Da mögen
Szepter, Kronen und sonstiges majestätisches Zubehör empört hoch-
gefahren sein bei unseren demokratischen Einschlägen!"
And wieder an einem anderen Morgen: „ .. . Nürnberg, Bom-
bendonnerwctter! Das ist eine ganz kapitale Sache! fl target of first
rank! Eine klassische Zielscheibe! Da war doch der Malermeister Dürer
zu Lause! Na, sehen wir mal nach! Ja, da gibt's eine Kaiserburg,
die Sebaldus- und Lorenzkirche, das Germanische Museum, das
Dürerhans, die Löffelholzsche Kapelle usw., usw.
Immerhin also manche kleineren und größeren
Lagerhäuser von Gotik und Renaissance. Das
mag eine gründliche Entrümpelung in altdeutscher
Kunst gegeben haben!"
I. 9r.
Llnnütze Aufforderung „'s ist nichts von Bedeutung . . lassen Sie sich
. darob keine grauen Laare wachse» . .!"
Joe Joel rieb sich innig-vergnügt die Lände:
.„Ja, ja, in unserer Branche wird die Ware rar!
Der Seltenheitswert meines Lagers wächst. Meine
Madonnen und sonstigen Leiligkeiten steigen täg-
lich, stündlich im Kurs! Nach jeder Gewitternacht
kann ich mit bestem mosaischen Gewissen meine
Preise uin zwanzig Prozent in die Löhe setze».
Noch nie war die Kunst so ein Bombengeschäft
wie heutzutage! And da schreien die Germans,
unsere Lufthelden seien Piraten, Barbaren, Gang-
ster! Wo ist die Truppe, die mehr für den Kunst-
handel getan hat? Vierhundert Prozent Wert-
zuwachs hat sie mir gebracht! Aber nicht nur
unsere Flieger, auch die andern Lerren Soldaten
tun ihr Möglichstes für unsere Branche. Laben
sie uns nicht Sizilien erobert, eine wahre Schatz-
kammer in Altertümern! Ja, daß ich nicht vergess'!"
Er klingelte seinen Aufkäufer an: „Also, Mister
Myer, fahren Sie mit dem nächsten Flugzeug
nach Sizilien und kaufen Sie ein paar Schiffs-
ladungen Kunst bei dem großen Ausverkauf!
Fahren Sie mit Gott und kommen Sie mit Sach l"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unnütze Aufforderung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5124, S. 189
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg