Zeichnung von Karl üehland
Ein überlebtes Wort
(Amerikanische Militärpatrouillen maßen sich in London das Recht an,
Straßenpassanten anzuhaiten und Ausweise zu verlangen.)
„Nie werden Briten Sklaven sein!“
In England hat man das gesprochen
Und pflegte stets mit großem Stolz
Auf Unabhängigkeit zu pochen.
Die Freiheit schien in diesem Land
So selbstverständlich und gefestigt,
Daß es durchaus undenkbar war,
Ein Brite würde rauh belästigt.
Nun trat ein großer Wechsel ein.
Und man erlebt in diesen Tagen
In Londons Straßen ziemlich oft.
Was Briten nur mit Pein ertragen.
Da ziehen jetzt voll Stolz herum
Amerikanische Patrouillen,
Die sehen jeden Briten an
Als ein bedeutungsloses Nullchen.
Und wenn es ihnen paßt, dann wird
Bald der, bald jener angehalten
Mit dem Befehle, mal sofort
Ausweispapiere zu entfalten.
Wenn er sich ausgewiesen hat,
Dann läßt man gnädigst ihn passieren,
Doch muß er auf die Wache mit,
Kann er sich nicht legitimieren.
Und möchte einer sehr empört
Gar dem Befehle widerstreben,
Weil er von Landesfremden kommt
Dann kann er Rauheres erleben.
„Nie werden Briten Sklaven sein!“
Davon muß man nun doch wohl schweigen;
Der Brite muß im eignen Land
Gehorsam vor dem Yankee zeigen
—on.
Die Lenzgaffe
tats in dem Seefahrer Kliefoth vermuten, der sich vor der Ausreise
nach Pernambueo wohl noch einen Alk hatte machen wollen, und
der Lang zur Bequemlichkeit stimmte dieser Vermutung bei, denn
nun war es zwecklos, der Sache weiter nachzugehen. Die Farbe auf
den Schilder» wurde entfernt, aber natürlich nicht durch den Schutz-
mann, sondern durch einen städtischen Arbeiter, und damit war der
Fall erledigt. Immerhin hatte er auf einige Einwohner der Pesti-
lenzgasse die Wirkung gehabt, mit dem Namen sich zu beschäftigen,
und so hatte der Sänger Kanzenell doch schon einen kleinen Schritt
aus dem Wege zu seinem Ziele getan.
Aber jetzt sollte ein ganz großer Schritt folgen, ein gewaltiger
Sprung. Als Mann vom Theater wußte Kanzenell, wie wichtig
die Presse, und wie groß ihre Macht ist. Man mußte die beiven
Zeitungen der Stadt für die Pestilenzgasse interessieren. Aber wie
kommt man an die Presse heran? Ein Weg dazu steht jedermann
offen: er kann inserieren. Kanzenell hatte eine» Einfall, der ihm
großartig schien, sich aber auch, was in solchem Falle selten ist, nach-
her dafür bewies. Freilich beruhte dieser Einfall auf einer An-
regung durch den Seefahrer Kliefoth, und das hing tvieder dainit
zusainmeu, daß Kliefoth nur so wenig Farbe hatte stehle» könne»
und deshalb von den fünf Silben des verruchte» Namens nur die
beiden ersten ausgetöscht hatte.
Der Krämer Lauritzen, der Leringsimpresario, hatte bisher noch
niemals inseriert; er hatte ja seine Kundschaft nur in der Nachbar-
schaft. Jetzt überredete Kanzenell ihn dazu, erbot sich, die Kosten zu
tragen, nahm ihm auch die Mühe des Aufschreibens und der Be-
sorgung ab, und so erschien in den beiden Zeitungen die Anzeige:
Frische Leringe eingetroffen. Lauritzen, (Pesti)tenzgasse 7.
„Ich hätte mich nicht von Ihnen dazu überreden lassen sollen, Fräulein.
Ich fürchte, mein Mann wird damit unzufrieden sein; er wird das
Negerinnenfrisur nennen." — „O, Sie sehen zu schwarz, Frau Bleise."
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Ein überlebtes Wort
(Amerikanische Militärpatrouillen maßen sich in London das Recht an,
Straßenpassanten anzuhaiten und Ausweise zu verlangen.)
„Nie werden Briten Sklaven sein!“
In England hat man das gesprochen
Und pflegte stets mit großem Stolz
Auf Unabhängigkeit zu pochen.
Die Freiheit schien in diesem Land
So selbstverständlich und gefestigt,
Daß es durchaus undenkbar war,
Ein Brite würde rauh belästigt.
Nun trat ein großer Wechsel ein.
Und man erlebt in diesen Tagen
In Londons Straßen ziemlich oft.
Was Briten nur mit Pein ertragen.
Da ziehen jetzt voll Stolz herum
Amerikanische Patrouillen,
Die sehen jeden Briten an
Als ein bedeutungsloses Nullchen.
Und wenn es ihnen paßt, dann wird
Bald der, bald jener angehalten
Mit dem Befehle, mal sofort
Ausweispapiere zu entfalten.
Wenn er sich ausgewiesen hat,
Dann läßt man gnädigst ihn passieren,
Doch muß er auf die Wache mit,
Kann er sich nicht legitimieren.
Und möchte einer sehr empört
Gar dem Befehle widerstreben,
Weil er von Landesfremden kommt
Dann kann er Rauheres erleben.
„Nie werden Briten Sklaven sein!“
Davon muß man nun doch wohl schweigen;
Der Brite muß im eignen Land
Gehorsam vor dem Yankee zeigen
—on.
Die Lenzgaffe
tats in dem Seefahrer Kliefoth vermuten, der sich vor der Ausreise
nach Pernambueo wohl noch einen Alk hatte machen wollen, und
der Lang zur Bequemlichkeit stimmte dieser Vermutung bei, denn
nun war es zwecklos, der Sache weiter nachzugehen. Die Farbe auf
den Schilder» wurde entfernt, aber natürlich nicht durch den Schutz-
mann, sondern durch einen städtischen Arbeiter, und damit war der
Fall erledigt. Immerhin hatte er auf einige Einwohner der Pesti-
lenzgasse die Wirkung gehabt, mit dem Namen sich zu beschäftigen,
und so hatte der Sänger Kanzenell doch schon einen kleinen Schritt
aus dem Wege zu seinem Ziele getan.
Aber jetzt sollte ein ganz großer Schritt folgen, ein gewaltiger
Sprung. Als Mann vom Theater wußte Kanzenell, wie wichtig
die Presse, und wie groß ihre Macht ist. Man mußte die beiven
Zeitungen der Stadt für die Pestilenzgasse interessieren. Aber wie
kommt man an die Presse heran? Ein Weg dazu steht jedermann
offen: er kann inserieren. Kanzenell hatte eine» Einfall, der ihm
großartig schien, sich aber auch, was in solchem Falle selten ist, nach-
her dafür bewies. Freilich beruhte dieser Einfall auf einer An-
regung durch den Seefahrer Kliefoth, und das hing tvieder dainit
zusainmeu, daß Kliefoth nur so wenig Farbe hatte stehle» könne»
und deshalb von den fünf Silben des verruchte» Namens nur die
beiden ersten ausgetöscht hatte.
Der Krämer Lauritzen, der Leringsimpresario, hatte bisher noch
niemals inseriert; er hatte ja seine Kundschaft nur in der Nachbar-
schaft. Jetzt überredete Kanzenell ihn dazu, erbot sich, die Kosten zu
tragen, nahm ihm auch die Mühe des Aufschreibens und der Be-
sorgung ab, und so erschien in den beiden Zeitungen die Anzeige:
Frische Leringe eingetroffen. Lauritzen, (Pesti)tenzgasse 7.
„Ich hätte mich nicht von Ihnen dazu überreden lassen sollen, Fräulein.
Ich fürchte, mein Mann wird damit unzufrieden sein; er wird das
Negerinnenfrisur nennen." — „O, Sie sehen zu schwarz, Frau Bleise."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Siehste, Helmut, deine Mutter sacht, soo hätt' ich frücher ooch geroocht!" "Ich hätte mich nicht von Ihnen dazu überreden lassen sollen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Karl Heyland
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5163, S. 5163_018
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg