Auf dieser Station wird abgerufen
Wenn man voneinander mehr wüßte,
Man würde sich besser verstehn,
Statt daß man sich kaum begrüßte —
Wenn man voneinander mehr wüßte,
Man könnte zusammengehn.
Das heißt: ein Stückchen im Kreise.
Man trennt sich zwangsweise bald.
Wir alle sind auf der Reise,
Und jeder auf seine Weise
Hat irgendwo Aufenthalt.
Anschluß, den wir nicht schufen,
Hält uns in einer Station.
Wir sitzen wie auf Kufen,
Und mal wird abgerufen —
Dann fährt man wieder davon.
Der eine will nach den Lofoten,
Der andre kommt von Davos,
Und der von einer Toten
Sie trinken den gleichen Roten *
Mit andern Vorzeichen bloß.
Wilson zum Tiger Clemenceau
„Was es doch neuerdings viele Tiger und Panther gibt in Frankreich!“
Meist bleibt das alles verborgen
* Und dunkel, wohin einer will.
Man hat seine eigenen Sorgen,
Und weit getrennt sind wir morgen -
Und wer von uns kommt ans Ziel?
fl. w.
ZWEIMAL SPERRSITZ V°»srns«s°yda
Ich hatte meiner Frau versprochen, ihr zum Geburtstag zwei Theaterkarten zu
besorgen. Da sie sonst keinen Wunsch hatte, war ich also billig davon gekommen.
Ich nahm mir im Büro einige Stunden frei und ging los.
Bei solchen Sachen muß der Mensch Geduld haben. Ich stellte
mich hinter eine Schlange, die vor einer Theaterkasse stand, und
wartete geduldig mit. Es dauerte auch nicht lange, eine Stunde
etwa, da war ich dran. Ich sagte, ich wollte zwei gute Plätze für
die Oper haben. Die Frau sah mich recht merkwürdig an, dann
meinte sie, mir sei wohl nicht gut, hier sei ein Gemüseladen und
heute seien markenfreie Tomaten da. Ich machte keine lange Re-
derei, sondern kaufte zwei Pfund Tomaten und ging. Anschei-
mend hatte ich an einer falschen Schlange angestanden. Ich sah
mich um. Richtig, drüben auf der anderen Seite war doch diese
Kaste. Gottlob war die Schlange nicht lang. Eine dreiviertel
Stunde später etwa kam ich dran. Da ließen sie gerade ein Schild
herunter: Für heute alle Karten ausverkauft!
„So, so — Sie waren einmal Schüler von mir —
und was ist denn aus Ihnen geworden?"
Wie gesagt, ich bin geduldig. Ich drückte meine Tomaten an
mich und ging los. Ich kannte noch eine andere Kasse. Dort
standen wieder viele Leute. Ich stellte mich natürlich geduldig an,
denn ich hatte mir vorgenommeu, keinen Krach zu machen und
mich nicht zu ärgern. Jedenfalls vergnügte ich mich damit, meine
Tomaten loszuwerden. Allen Leuten, die sich vordrängelten, steckte
ich eine in die Manteltasche. Es gab viel Geschrei, als sie plötz-
lich rote Lände hatten. Aber auf mich kamen sie doch nicht.
Ich kam dran. Es war noch eine Karte da! Was sollte ich
damit... ?
Die Frau sagte, ich solle sie nehmen und dann zum Theater
gehen, da bekäme ich bestimmt noch eine zweite Karte.
Ich nahm sie natürlich und ging zum Opernhaus. Es wurde
aber erst um drei Ahr geöffnet. Ich ging ein Bier trinken und
als ich wiederkam, standen etwa zweihundert Menschen da. Mir
taten zwar schon die Füße weh, aber ich wollte mich ja nicht
ärgern. Ich hob meine Karte hoch und rief: „Wer will eine
Karte haben . . .?"
Fünf Minuten später — sie hatten mich garnicht ausreden
lassen — lag ich in einer Ecke ohne Karte, ohne Krawatte, zwei
Mantelknöpfe fehlten, mein Lut war eingedrückt und nicht ein-
mal Geld hatte ich bekommen. Dabei hatte ich doch nur tauschen
wollen, um zwei Karten zu erhalten.
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Wenn man voneinander mehr wüßte,
Man würde sich besser verstehn,
Statt daß man sich kaum begrüßte —
Wenn man voneinander mehr wüßte,
Man könnte zusammengehn.
Das heißt: ein Stückchen im Kreise.
Man trennt sich zwangsweise bald.
Wir alle sind auf der Reise,
Und jeder auf seine Weise
Hat irgendwo Aufenthalt.
Anschluß, den wir nicht schufen,
Hält uns in einer Station.
Wir sitzen wie auf Kufen,
Und mal wird abgerufen —
Dann fährt man wieder davon.
Der eine will nach den Lofoten,
Der andre kommt von Davos,
Und der von einer Toten
Sie trinken den gleichen Roten *
Mit andern Vorzeichen bloß.
Wilson zum Tiger Clemenceau
„Was es doch neuerdings viele Tiger und Panther gibt in Frankreich!“
Meist bleibt das alles verborgen
* Und dunkel, wohin einer will.
Man hat seine eigenen Sorgen,
Und weit getrennt sind wir morgen -
Und wer von uns kommt ans Ziel?
fl. w.
ZWEIMAL SPERRSITZ V°»srns«s°yda
Ich hatte meiner Frau versprochen, ihr zum Geburtstag zwei Theaterkarten zu
besorgen. Da sie sonst keinen Wunsch hatte, war ich also billig davon gekommen.
Ich nahm mir im Büro einige Stunden frei und ging los.
Bei solchen Sachen muß der Mensch Geduld haben. Ich stellte
mich hinter eine Schlange, die vor einer Theaterkasse stand, und
wartete geduldig mit. Es dauerte auch nicht lange, eine Stunde
etwa, da war ich dran. Ich sagte, ich wollte zwei gute Plätze für
die Oper haben. Die Frau sah mich recht merkwürdig an, dann
meinte sie, mir sei wohl nicht gut, hier sei ein Gemüseladen und
heute seien markenfreie Tomaten da. Ich machte keine lange Re-
derei, sondern kaufte zwei Pfund Tomaten und ging. Anschei-
mend hatte ich an einer falschen Schlange angestanden. Ich sah
mich um. Richtig, drüben auf der anderen Seite war doch diese
Kaste. Gottlob war die Schlange nicht lang. Eine dreiviertel
Stunde später etwa kam ich dran. Da ließen sie gerade ein Schild
herunter: Für heute alle Karten ausverkauft!
„So, so — Sie waren einmal Schüler von mir —
und was ist denn aus Ihnen geworden?"
Wie gesagt, ich bin geduldig. Ich drückte meine Tomaten an
mich und ging los. Ich kannte noch eine andere Kasse. Dort
standen wieder viele Leute. Ich stellte mich natürlich geduldig an,
denn ich hatte mir vorgenommeu, keinen Krach zu machen und
mich nicht zu ärgern. Jedenfalls vergnügte ich mich damit, meine
Tomaten loszuwerden. Allen Leuten, die sich vordrängelten, steckte
ich eine in die Manteltasche. Es gab viel Geschrei, als sie plötz-
lich rote Lände hatten. Aber auf mich kamen sie doch nicht.
Ich kam dran. Es war noch eine Karte da! Was sollte ich
damit... ?
Die Frau sagte, ich solle sie nehmen und dann zum Theater
gehen, da bekäme ich bestimmt noch eine zweite Karte.
Ich nahm sie natürlich und ging zum Opernhaus. Es wurde
aber erst um drei Ahr geöffnet. Ich ging ein Bier trinken und
als ich wiederkam, standen etwa zweihundert Menschen da. Mir
taten zwar schon die Füße weh, aber ich wollte mich ja nicht
ärgern. Ich hob meine Karte hoch und rief: „Wer will eine
Karte haben . . .?"
Fünf Minuten später — sie hatten mich garnicht ausreden
lassen — lag ich in einer Ecke ohne Karte, ohne Krawatte, zwei
Mantelknöpfe fehlten, mein Lut war eingedrückt und nicht ein-
mal Geld hatte ich bekommen. Dabei hatte ich doch nur tauschen
wollen, um zwei Karten zu erhalten.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wilson zum Tiger Clemenceau" "So, so - Sie waren einmal Schüler von mir"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5168, S. 5168_077
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg