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Eine Flasche Schivas wein.
„Großmächtigcr Herrscher! Allah demülhige Deine Feinde
und werfe ihre Häupter unter Deine Sohlen! Der Schlummer
kehre wieder aus Deine Wimper, der Geschmack auf Deine
Zunge, die Freude in Dein Herz zurück! Nicht nur die feh-
lenden vicrhundertfünfundficbzigtausend Tomans wirst Du be-
sitzen, sondern Dein Schatz wird sich sogleich verdoppeln, wenn
Du cs wünschest."
„War' es möglich? Rede!" rief der Schach.
„Der ist mächtiger als Du? Wer darf es wagen,
Deinen Befehlen zu mißhorchcn?" sagte Mirza - Ali - Khan.
„Lasse den Befehl ausgchcu, daß von nun au in Deinem
Reich ein halber Toman so viel Werth haben solle als bis-
her ein ganzer Toman, und Deine fünfzehnhundertfünsund-
zwanzigtausend blinkende Tomans werden alsogleich zu drei
Millionen fünfzigtausend Tomans anschwellen."
„Bei Mahomet!" rief der Schach erfreut, „das ist ein
vortrefflicher Gedanke! Entwirf den Befehl; ich will ihn
morgen unterzeichnen."
Der Minister ging von dannen; der Schach aber setzte
sich sogleich zur Tafel und genoß die Freuden derselben auf's
unermüdlichste. Er aß sehr viel und trank eine Flasche
Schiraswein mehr als sonst.
Als er endlich aus weichen Polstern der Verdauung ob-
lag, trat der Sadre Azam, der Conseilmiuister, in de» Saal.
Dieser Minister war noch geriebener als der Finanzminister
und hatte ein noch viel elastischeres Gewissen als dieser.
Der Schach erzählte ihm sogleich die Unterhaltung mit
dem Finanzminister und schloß die Erzählung mit den leb-
haftesten Lobeserhebungen auf den Finanzmann.
Der Sadre Azam hatte ruhig zugehört und, überzeugt,
daß er den Zorn des Schachs auf sich laden würde, wenn
er sich gegen den tollen Rath seines Collegen ausspräche,
stimmte er in die Lobeserhebungen ein und drückte seine Be-
wunderung über dessen Scharssinn aus. „Der Rath Mirza-
Ali-Khan's ist vortrefflich," sagte er, „allein vollkommen ist
er nicht."
„Was fehlt ihm zur Vollkommenheit?" fragte der Schach.
„Gewaltiger Herrscher," erwiderte der Minister, „durch
den Befehl, den Du morgen erlassen willst, werden Deine
Schätze sich verdoppeln. Was aber Helsen uns alle Schätze
der Erde, wenn der Tod anklopft und uns mit eisiger Hand
von den Gütern dieser Erde reißt? Nun, Mirza-Ali-Khan
hat Dein Vermögen verdoppelt; ich will mehr thuu als er,
ich will Deine Lebensjahre verdoppeln."
„Wär' es möglich?" rief der Schach.
„Es ist nicht nur möglich, cs ist ausgemacht. Kein
Mensch aus Erden ist mächtiger als Dn; Niemand darf
Deinen Befehlen zuwiderhandcln. Die Stunde hat jetzt sechzig
Minuten. Laß den Befehl ausgehen, daß von nun an schon '
dreißig Minuten eine Stunde machen sollen. Zeder Tag wird
dann im ganzen persischen Reiche statt vierundzwauzig Stun-
den achtuudvierzig Stunden haben; folglich wirst Du, werden
Deine Unterthanen, die sich des unschätzbaren Glückes erfreuen,
unter Deinem glorreichen Scepter zu stehen, von nun an
doppelt so lang leben als andere Sterbliche."
„Bei Mahomet!" rief der Schach, „das ist ein Herr- !
licher Gedanke. Fertige den Befehl aus; ich will ihn mor-
gen unterzeichnen. Beide Befehle sollen zugleich veröffent-
licht werden!"
Der Minister drückte dreimal die Stirn zu Boden und
ging. Am andern Morgen sollten die zwei Befehle unter-
zeichnet werden; sie wurden aber von dem Schach nicht unter-
zeichnet und zwar aus dem einfachsten Grunde von der Welt.
Die Flasche Schiraswein, die er mehr als sonst getrunken,
hatte dein Beherrscher Persiens am folgenden Morgen einen
Gehirnschlag zugczogen und ihn nach einer halben Stunde
hinweggerafft. Sein Nachfolger begnügte sich mit der vor-
räthigen Million fünshundertfünsundzwanzigtausend Tomans und
mit der bisher gebräuchlichen Zeitordnung. So wurde den»
durch eine Flasche Schiraswein das persische Reich vor einem
großen Wirrwarr bewahrt.
x. K.
Eine Flasche Schivas wein.
„Großmächtigcr Herrscher! Allah demülhige Deine Feinde
und werfe ihre Häupter unter Deine Sohlen! Der Schlummer
kehre wieder aus Deine Wimper, der Geschmack auf Deine
Zunge, die Freude in Dein Herz zurück! Nicht nur die feh-
lenden vicrhundertfünfundficbzigtausend Tomans wirst Du be-
sitzen, sondern Dein Schatz wird sich sogleich verdoppeln, wenn
Du cs wünschest."
„War' es möglich? Rede!" rief der Schach.
„Der ist mächtiger als Du? Wer darf es wagen,
Deinen Befehlen zu mißhorchcn?" sagte Mirza - Ali - Khan.
„Lasse den Befehl ausgchcu, daß von nun au in Deinem
Reich ein halber Toman so viel Werth haben solle als bis-
her ein ganzer Toman, und Deine fünfzehnhundertfünsund-
zwanzigtausend blinkende Tomans werden alsogleich zu drei
Millionen fünfzigtausend Tomans anschwellen."
„Bei Mahomet!" rief der Schach erfreut, „das ist ein
vortrefflicher Gedanke! Entwirf den Befehl; ich will ihn
morgen unterzeichnen."
Der Minister ging von dannen; der Schach aber setzte
sich sogleich zur Tafel und genoß die Freuden derselben auf's
unermüdlichste. Er aß sehr viel und trank eine Flasche
Schiraswein mehr als sonst.
Als er endlich aus weichen Polstern der Verdauung ob-
lag, trat der Sadre Azam, der Conseilmiuister, in de» Saal.
Dieser Minister war noch geriebener als der Finanzminister
und hatte ein noch viel elastischeres Gewissen als dieser.
Der Schach erzählte ihm sogleich die Unterhaltung mit
dem Finanzminister und schloß die Erzählung mit den leb-
haftesten Lobeserhebungen auf den Finanzmann.
Der Sadre Azam hatte ruhig zugehört und, überzeugt,
daß er den Zorn des Schachs auf sich laden würde, wenn
er sich gegen den tollen Rath seines Collegen ausspräche,
stimmte er in die Lobeserhebungen ein und drückte seine Be-
wunderung über dessen Scharssinn aus. „Der Rath Mirza-
Ali-Khan's ist vortrefflich," sagte er, „allein vollkommen ist
er nicht."
„Was fehlt ihm zur Vollkommenheit?" fragte der Schach.
„Gewaltiger Herrscher," erwiderte der Minister, „durch
den Befehl, den Du morgen erlassen willst, werden Deine
Schätze sich verdoppeln. Was aber Helsen uns alle Schätze
der Erde, wenn der Tod anklopft und uns mit eisiger Hand
von den Gütern dieser Erde reißt? Nun, Mirza-Ali-Khan
hat Dein Vermögen verdoppelt; ich will mehr thuu als er,
ich will Deine Lebensjahre verdoppeln."
„Wär' es möglich?" rief der Schach.
„Es ist nicht nur möglich, cs ist ausgemacht. Kein
Mensch aus Erden ist mächtiger als Dn; Niemand darf
Deinen Befehlen zuwiderhandcln. Die Stunde hat jetzt sechzig
Minuten. Laß den Befehl ausgehen, daß von nun an schon '
dreißig Minuten eine Stunde machen sollen. Zeder Tag wird
dann im ganzen persischen Reiche statt vierundzwauzig Stun-
den achtuudvierzig Stunden haben; folglich wirst Du, werden
Deine Unterthanen, die sich des unschätzbaren Glückes erfreuen,
unter Deinem glorreichen Scepter zu stehen, von nun an
doppelt so lang leben als andere Sterbliche."
„Bei Mahomet!" rief der Schach, „das ist ein Herr- !
licher Gedanke. Fertige den Befehl aus; ich will ihn mor-
gen unterzeichnen. Beide Befehle sollen zugleich veröffent-
licht werden!"
Der Minister drückte dreimal die Stirn zu Boden und
ging. Am andern Morgen sollten die zwei Befehle unter-
zeichnet werden; sie wurden aber von dem Schach nicht unter-
zeichnet und zwar aus dem einfachsten Grunde von der Welt.
Die Flasche Schiraswein, die er mehr als sonst getrunken,
hatte dein Beherrscher Persiens am folgenden Morgen einen
Gehirnschlag zugczogen und ihn nach einer halben Stunde
hinweggerafft. Sein Nachfolger begnügte sich mit der vor-
räthigen Million fünshundertfünsundzwanzigtausend Tomans und
mit der bisher gebräuchlichen Zeitordnung. So wurde den»
durch eine Flasche Schiraswein das persische Reich vor einem
großen Wirrwarr bewahrt.
x. K.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine Flasche Schiraswein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)