Die Flamme um Mitternacht jc.
187
zurück nach einer fünfzigjährigen Abwesenheit. Dort hatte |
sein Arm Wunder der Tapferkeit verrichtet, was ihn ;
' aber nicht hinderte, in die Gefangenschaft der Ungläu-
bigen zu kommen, in welcher er fünfundzwanzig Jahre
zu Balsora als Sklave eines Käsehändlers gelebt hatte.
; Die schöne Fatime, eine Tochter des Türken, in Liebe
zu dem traurigen Jüngling entbrannt, verschaffte ihm
- die Mittel zur Flucht und begleitete ihn bis gen Joppe,
wo sie starb.
Nun in der Heimath angelangt, suchte Wallfried die
Dame seines Herzens, Berta von Liebenau aus, um ihr
seine Hand am Altäre zu reichen. Wie schmerzlich aber
ward er berührt, als der Vogt von Liebenau mit heuch-
lerischem Kummer ihm die Mähre ihrer Entführung
durch die Unkenburger miltheilte.
„Schuftiger Vogt!" rief Wallfried, „ehrloser Hund!
I Wehe dir, wenn ich sie nicht mehr finde, die du elender
Vogt verrathen hast um einen Schandpreis!" Mit diesen
Worten kehrte er sein Berberroß und schlug den Pfad
zur Unkenburg ein. Auf dem Wege dahin vernahm er
das Geläute der Riesenglocke, und von einer inneren Stimme j
getrieben, folgte er ihrem Klange, trat am Kuno, erkannte !
dessen Wappen, und lödtete ihn.
In der Hütte eines Klausners brachten Ritter und
Knappe diese grausenvolle Nacht im Gebete hin, und als
am Morgen der Klausner hinaus trat, vom nahen Quell
zu schöpfen, erblickte er den Gräuel der Verwüstung und
sprach sanft zu Wallftied: „Gott hat gerichtet — sieh'
selbst!" Da nun Wallftied einsah, daß er hier nichts
mehr thun könne, eilte er mit stummen Schmerze laut
weinend in die Wildniß hinein.
Viertes Eapitel.
Als Berta erwachte, fand sie sich auf einem weiche»
Mooslager, umgeben von duftenden Thymian und La-
vendel. Verwundert blickte sie um sich und sah nicht
weit entfernt einen ehrwürdigen Greis vor der Hütte knieen.
„Ehrwürdiger Vater!" rief sie mit ihrer melodischen
Stimme, „ehrwürdiger Vater! sagt mir, wo ich bin, |
und wie ich hicher kam!" Langsam erhob sich der Greis, j
blickte sie sinnend an, und reichte ihr ein Körbchen mit
Erdbeeren. „Iß," sprach er, „iß, meine Tochter, denn
du bedarfst der Stärkung, und höre, was sich in dieser
gesegneten Nacht begab!"
Berta aß mit sichtlichem Hunger und blickte erwartungsvoll den
Alten an.
„Ha ha!" lachte der Vogt — „so ist es am Besten! Nur immer
schön aus dem Hinterhalte agi«, das ist so meine Manier — hat
mir die Natur versagt im Offenen Böses zu thun, so weiß ich dafür
aus dem Verstecke den Bolzen abzudrücken, der die dummen ehrlichen
Leute niederwirft! Und hier habe ich zwei Fliegen auf einmal ge-
troffen ! Nun mein gestrenges Fräulein, werdet ihr mich mißgestalteten
Vogt nicht wieder mit schnöden Worten abweisen, wenn ich euch von
meiner Liebespein vorwinsele! — Hm — ja recht säuberlich will ich
„Seit Hunden Jahren," rühr dieser so«, „lebe ich, ohne einen
Menschen gesehen zu haben, in dieser Wildnuß; der Quell mein
Trank, die Früchte des Waldes meine Speise. Zn der vergangenen
Nacht klopfte es plötzlich an die Thüre meiner Hütte und als ich
verwunden sie öffnete, lagst du ohnmächtig und marmorbleich vor
mir im Grase. Ich sah Niemand weiter, und vermuthete, daß du
dich verint, und von der Nacht überfallen in diese unwegsame Wildniß,
wo nur Wölfe und Bären Hausen, gerachen seiest. Es ist also an
dir, mir zu erklären, wer du seiest und von wannen du kommst."
Berta erzählte nun mit wenig WoNen dem Waldbruder ihr trau-
riges Schicksal, und bat ihn, sie auf den Weg nach Liebenau zu ge-
leiten, von wo sic ihn dann, reichbeschenkt, entlassen wolle. Der Alte
willigte gerne in ihre Bitte, ergriff seinen Stab, und Beide schritten
rüstig aur den abgelegensten Pfaden dahin.
Zu derselben Zeit war aber auch der schurkische Vogt in dem
Forste aus der Jagd. Er sah das Fräulein mit dem Waldbruder
des Weges kommen und jauchzte in seinem schwarzen Busen ob der
herrlichen Gelegenheit, ein schon lange gehegtes Gelüste zu stillen.
Hinter einem Busche versteckt, zielte er mit der Armbrust auf den
Alten, der Bolzen schwinte und todt stürzte dn Greis zu Boden; !
neben ihm sank ohnmächtig Betta nieder.
34 *
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zurück nach einer fünfzigjährigen Abwesenheit. Dort hatte |
sein Arm Wunder der Tapferkeit verrichtet, was ihn ;
' aber nicht hinderte, in die Gefangenschaft der Ungläu-
bigen zu kommen, in welcher er fünfundzwanzig Jahre
zu Balsora als Sklave eines Käsehändlers gelebt hatte.
; Die schöne Fatime, eine Tochter des Türken, in Liebe
zu dem traurigen Jüngling entbrannt, verschaffte ihm
- die Mittel zur Flucht und begleitete ihn bis gen Joppe,
wo sie starb.
Nun in der Heimath angelangt, suchte Wallfried die
Dame seines Herzens, Berta von Liebenau aus, um ihr
seine Hand am Altäre zu reichen. Wie schmerzlich aber
ward er berührt, als der Vogt von Liebenau mit heuch-
lerischem Kummer ihm die Mähre ihrer Entführung
durch die Unkenburger miltheilte.
„Schuftiger Vogt!" rief Wallfried, „ehrloser Hund!
I Wehe dir, wenn ich sie nicht mehr finde, die du elender
Vogt verrathen hast um einen Schandpreis!" Mit diesen
Worten kehrte er sein Berberroß und schlug den Pfad
zur Unkenburg ein. Auf dem Wege dahin vernahm er
das Geläute der Riesenglocke, und von einer inneren Stimme j
getrieben, folgte er ihrem Klange, trat am Kuno, erkannte !
dessen Wappen, und lödtete ihn.
In der Hütte eines Klausners brachten Ritter und
Knappe diese grausenvolle Nacht im Gebete hin, und als
am Morgen der Klausner hinaus trat, vom nahen Quell
zu schöpfen, erblickte er den Gräuel der Verwüstung und
sprach sanft zu Wallftied: „Gott hat gerichtet — sieh'
selbst!" Da nun Wallftied einsah, daß er hier nichts
mehr thun könne, eilte er mit stummen Schmerze laut
weinend in die Wildniß hinein.
Viertes Eapitel.
Als Berta erwachte, fand sie sich auf einem weiche»
Mooslager, umgeben von duftenden Thymian und La-
vendel. Verwundert blickte sie um sich und sah nicht
weit entfernt einen ehrwürdigen Greis vor der Hütte knieen.
„Ehrwürdiger Vater!" rief sie mit ihrer melodischen
Stimme, „ehrwürdiger Vater! sagt mir, wo ich bin, |
und wie ich hicher kam!" Langsam erhob sich der Greis, j
blickte sie sinnend an, und reichte ihr ein Körbchen mit
Erdbeeren. „Iß," sprach er, „iß, meine Tochter, denn
du bedarfst der Stärkung, und höre, was sich in dieser
gesegneten Nacht begab!"
Berta aß mit sichtlichem Hunger und blickte erwartungsvoll den
Alten an.
„Ha ha!" lachte der Vogt — „so ist es am Besten! Nur immer
schön aus dem Hinterhalte agi«, das ist so meine Manier — hat
mir die Natur versagt im Offenen Böses zu thun, so weiß ich dafür
aus dem Verstecke den Bolzen abzudrücken, der die dummen ehrlichen
Leute niederwirft! Und hier habe ich zwei Fliegen auf einmal ge-
troffen ! Nun mein gestrenges Fräulein, werdet ihr mich mißgestalteten
Vogt nicht wieder mit schnöden Worten abweisen, wenn ich euch von
meiner Liebespein vorwinsele! — Hm — ja recht säuberlich will ich
„Seit Hunden Jahren," rühr dieser so«, „lebe ich, ohne einen
Menschen gesehen zu haben, in dieser Wildnuß; der Quell mein
Trank, die Früchte des Waldes meine Speise. Zn der vergangenen
Nacht klopfte es plötzlich an die Thüre meiner Hütte und als ich
verwunden sie öffnete, lagst du ohnmächtig und marmorbleich vor
mir im Grase. Ich sah Niemand weiter, und vermuthete, daß du
dich verint, und von der Nacht überfallen in diese unwegsame Wildniß,
wo nur Wölfe und Bären Hausen, gerachen seiest. Es ist also an
dir, mir zu erklären, wer du seiest und von wannen du kommst."
Berta erzählte nun mit wenig WoNen dem Waldbruder ihr trau-
riges Schicksal, und bat ihn, sie auf den Weg nach Liebenau zu ge-
leiten, von wo sic ihn dann, reichbeschenkt, entlassen wolle. Der Alte
willigte gerne in ihre Bitte, ergriff seinen Stab, und Beide schritten
rüstig aur den abgelegensten Pfaden dahin.
Zu derselben Zeit war aber auch der schurkische Vogt in dem
Forste aus der Jagd. Er sah das Fräulein mit dem Waldbruder
des Weges kommen und jauchzte in seinem schwarzen Busen ob der
herrlichen Gelegenheit, ein schon lange gehegtes Gelüste zu stillen.
Hinter einem Busche versteckt, zielte er mit der Armbrust auf den
Alten, der Bolzen schwinte und todt stürzte dn Greis zu Boden; !
neben ihm sank ohnmächtig Betta nieder.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Flamme um Mitternacht im Gruftgewölbe der Unkenburg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 5.1847, Nr. 120, S. 187
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg