188
Die Flamme um Mitternacht rc.
ein Vermummter vor ihn hin, deutete aus den ächzenden Vogt und
sprach: „Dieser ist mein! 3m Namen der heiligen Vehme!" wars dem
Vogt eine Schlinge um den -Hals und einen Augenblick später zappelte
der elende Feigling an der nächsten Eiche. Ein Dolch mit dem Zeichen
der heimlichen Vehme steckte im Stamme.
Erschrocken eilte Wallsried mit seiner süßen Last weiter, denn aber-
mals begann das Läuten der unstchtbaren Riesenglocke durch den Wald,
und bleiche Schatten huschten über den Weg, Eulen und Geier, Raben
und Unken heulten in den Lüsten, die Geister Kunos, Ufos, des Blut-
steinerS, AdlerklauerS und des ermordeten Waldbruders, gehetzt von einer
ungeheuren Flamme umkreisten in wildem Reigen die Eiche, an welcher
des Vogts Leiche hing, bis dieser selbst herabstieg und an dem tollen
Tanze theilnahm!
So sprachen Beide noch lange mit süßem Kosen
und in heiliger Minne; allein Wallsried bemerkte
nicht, daß Berta immer schwächer wurde und bleicher,
bis ein gewaltiger Seufzer ihrer minneberauschken
Seele den Weg bahnte zum dunklen Jenseits. Wall-
sried hielt eine Leiche in seinem Arme. Der Schwesel-
Jünftte Lapitel.
Tvdtmüde kam Wallsried mit Berta aus Liebenau
an. Curt der Knappe erwartete ihn hier. Dieser, wel-
cher einige Kenntniß in der Heilkunde besaß, brachte
das Fräulein schnell zur Besinnung zurück — allein
sie fühlte sich sehr schwach! „Einzig geliebter Wall-
fried," lispelte sie mit brechender Stimme, „Ge-
liebter meines Herzens! 3ch habe standhaft dir die
Treue bewahrt, welche ich auf dem Turnier zu Kron-
stein dir geschworen! Alle Ritter des Gaues warben
um meine Minne -— alle habe ich abgewiesen, und
nun, da du zurückgekehrt, fühle ich mich so glücklich,
so unaussprechlich glücklich, daß ich es mit Worten
nicht ausdrücken kann."
„Theuerste Berta!" ries Wallsried, „habe tau-
send Dank für deine Treue! 3n allen Gefahren des
Kampfes und der Sklaverei hat mich dein Bild ge-
stärkt, das Andenken an deine Schönheit ermukhigt!
Endlich! so lautet die Devise meines Schildes, end-
lich nach fünfzigjähriger Trennung find wir vereint."
verfahren, ihr sollt eS nie ahnen, daß der elende Vogt eure Minne ge-
noffen! 3n diesem Fläschchen hier trage ich den Talisman, der euch zum
seligen Vergeffen einschläsern soll!" Bei diesen Worten befestigte er an
einer kleinen Flasche, gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit einen
dünnen Schlauch, steckte das Ende desselben in den Mund des Fräuleins
und hielt ihr mit der andern Hand die Nase zu. Der Schweseläther
wirkte sogleich und schon jauchzte der elende Vogt, als er plötzlich
mit Riesenkraft gepackt und zu Boden geworfen wurde!
Wallftied war eS, den eine höhere Macht an diese Stelle geführt,
um daS Gräßliche zu verhindern! Schäumend vor gerechter Wuth ver-
mochte er keine Silbe hervorzubringen; mit seiner Schwertkuppel band
er dem Bogt Hände und Füße, nahm ihn aus den einen, Berta, welche
noch immer süß schlummerte, aus den anderen Arm und eilte nach Liebe-
nau. Schon begann es zu dunkeln, und die Zinnen der stolzen Burg
brannten im letzten Sonnenstrahle, da trat, wie aus der Erde gewachsen,
Die Flamme um Mitternacht rc.
ein Vermummter vor ihn hin, deutete aus den ächzenden Vogt und
sprach: „Dieser ist mein! 3m Namen der heiligen Vehme!" wars dem
Vogt eine Schlinge um den -Hals und einen Augenblick später zappelte
der elende Feigling an der nächsten Eiche. Ein Dolch mit dem Zeichen
der heimlichen Vehme steckte im Stamme.
Erschrocken eilte Wallsried mit seiner süßen Last weiter, denn aber-
mals begann das Läuten der unstchtbaren Riesenglocke durch den Wald,
und bleiche Schatten huschten über den Weg, Eulen und Geier, Raben
und Unken heulten in den Lüsten, die Geister Kunos, Ufos, des Blut-
steinerS, AdlerklauerS und des ermordeten Waldbruders, gehetzt von einer
ungeheuren Flamme umkreisten in wildem Reigen die Eiche, an welcher
des Vogts Leiche hing, bis dieser selbst herabstieg und an dem tollen
Tanze theilnahm!
So sprachen Beide noch lange mit süßem Kosen
und in heiliger Minne; allein Wallsried bemerkte
nicht, daß Berta immer schwächer wurde und bleicher,
bis ein gewaltiger Seufzer ihrer minneberauschken
Seele den Weg bahnte zum dunklen Jenseits. Wall-
sried hielt eine Leiche in seinem Arme. Der Schwesel-
Jünftte Lapitel.
Tvdtmüde kam Wallsried mit Berta aus Liebenau
an. Curt der Knappe erwartete ihn hier. Dieser, wel-
cher einige Kenntniß in der Heilkunde besaß, brachte
das Fräulein schnell zur Besinnung zurück — allein
sie fühlte sich sehr schwach! „Einzig geliebter Wall-
fried," lispelte sie mit brechender Stimme, „Ge-
liebter meines Herzens! 3ch habe standhaft dir die
Treue bewahrt, welche ich auf dem Turnier zu Kron-
stein dir geschworen! Alle Ritter des Gaues warben
um meine Minne -— alle habe ich abgewiesen, und
nun, da du zurückgekehrt, fühle ich mich so glücklich,
so unaussprechlich glücklich, daß ich es mit Worten
nicht ausdrücken kann."
„Theuerste Berta!" ries Wallsried, „habe tau-
send Dank für deine Treue! 3n allen Gefahren des
Kampfes und der Sklaverei hat mich dein Bild ge-
stärkt, das Andenken an deine Schönheit ermukhigt!
Endlich! so lautet die Devise meines Schildes, end-
lich nach fünfzigjähriger Trennung find wir vereint."
verfahren, ihr sollt eS nie ahnen, daß der elende Vogt eure Minne ge-
noffen! 3n diesem Fläschchen hier trage ich den Talisman, der euch zum
seligen Vergeffen einschläsern soll!" Bei diesen Worten befestigte er an
einer kleinen Flasche, gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit einen
dünnen Schlauch, steckte das Ende desselben in den Mund des Fräuleins
und hielt ihr mit der andern Hand die Nase zu. Der Schweseläther
wirkte sogleich und schon jauchzte der elende Vogt, als er plötzlich
mit Riesenkraft gepackt und zu Boden geworfen wurde!
Wallftied war eS, den eine höhere Macht an diese Stelle geführt,
um daS Gräßliche zu verhindern! Schäumend vor gerechter Wuth ver-
mochte er keine Silbe hervorzubringen; mit seiner Schwertkuppel band
er dem Bogt Hände und Füße, nahm ihn aus den einen, Berta, welche
noch immer süß schlummerte, aus den anderen Arm und eilte nach Liebe-
nau. Schon begann es zu dunkeln, und die Zinnen der stolzen Burg
brannten im letzten Sonnenstrahle, da trat, wie aus der Erde gewachsen,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Flamme um Mitternacht im Gruftgewölbe der Unkenburg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 5.1847, Nr. 120, S. 188
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg