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Gcschriebe
jähe Licht der Freude, welches über ihr Antlitz geleuchtet Hut,
erlischt in einem entsetzlichen Ausdrucke ohne Namen.
Welcher! O fürchterliche Frage für ein Mutterherz!
Sie soll den Sohn wählen, welcher leben soll, das heißt, sie
soll den verdammen, welcher sterben soll! Und nur in dieses
letztere Gefühl verliert sich ihr die Frage: sic soll Eines ihrer
Kinder verurtheilen! Eine Mutter ihr geliebtes Kind! Kann sie
denn das? Wie kann man so etwas von ihr fordern? Aber
Gott im Himmel, sie muß es ja th»n! Sie muß Einen
^ wählen, sonst sterben ja Beide, und welch' eine Rabenmutter
müßte es sein, die ihre beiden Kinder sterben läßt, wenn sie
Eines retten kann mit einem Worte! Aber welch' eine Raben-
mutter ist sie auch, wenn sie wählt! — Sie kann es nicht und
sie muß es doch! Hat es je eine Qual gegeben, welche der
Qual dieses Mutterherzens gleichkam, in diesem grauenhaften
Augenblicke, wo sich die Sonne selber verhüllen mußte vor Ent-
setzen und Leid's!
Wühlen! Die Mutter zittert, daß man ihre Zähne anein-
anderschlagen hört und ihre Augen starren hinab auf das Schaffot
^ mit einem Blick, in welchem der Widerschein der ewigen Höllenflammen
lodert. O welche Verdammniß konnte jemals eine solche Pein gebären!
„Wühle schnell, sonst sterben Beide!" — Bäthori sagt
diese Worte laut, ungeduldig; und doch hört sie dieselben nur
^ wie aus weiter Ferne, wie aus dem Tosen ihrer Gedanken
j heraus; die heulten so laut wie ein Orkan. Aber deutlich sieht
! sie die Gesichter ihrer beiden Kinder, die zum Fenster aufsahen.
Georg, ihr Jüngerer, der sie so liebt und ihr stets die
ersten Blumen bringt; er betet sein Mütterlein an und streichelt
ihr so gerne das graue Haar mit schmeichelnder Hand; und
mit welch' süßer Stimme er zu sagen weiß: „Mein goldenes
Mütterlein!" Ihn sollte sie sterben lassen? Das war nicht
möglich! Sie sollte sein blondes Haar blutbefleckt aneinander
kleben sehen, seine Augen gebrochen, seine Lippen, die so weich
und zärtlich ihre Runzelhand berührten, erstarrt und stumm,
vom Tvdeskampfe verzerrt — wo sie es verhindern konnte..?
Er mußte leben!..
Aber Kärol, ihr Erstgeborner! Was hatte er gethan, daß
sie ihn in den Tod jagen sollte, wo sic es verhindern konnte?
- Wie zärtlich liebt er sie, nur sie und das Vaterland! Wie
gleicht er seinem Vater, wie stolz und muthig ist sein Herz
! und wie sanft und demüthig wiederum ist es vor ihr! Er
ist ein Held, der Stolz ihres Stammes, die Hoffnung ihrer
! Seele. Konnte sie denn je vergessen die Stunde, wo er ge-
boren ward, wo sein Vater ihn jubelnd der hochrufcnden Diener-
schaft zeigte, und wo sie auf ihrem Lager weinte und zu sterben
meinte vor erster Mntterseligkeit? ..
„Wähle! Willst Du nicht wählen, dann sterben Beide!"
Sie hörte diese Worte noch, ganz schwach, wie ein Echo durch
das steigende Tosen ihrer Gedanken hindurch. Noch einen
Augenblick sah sie die blitzenden Augen des Fragenden auf sich
gerichtet. Sie wollte denken, aber sie konnte nicht mehr, sie
wollte sprechen, aber sie vermochte es nicht; seit die Erde
Menschen trägt, hat kein Herz eine Qual erduldet, wie dieses
Mutterherz in der Ewigkeit dieser Sekunde.
ne Bilder.
Bnthori winkt mit der Hand das Zeichen des Todes-
streiches. Die Mutter lacht hell auf. Sie ist wahnsinnig
geworden.
Ausweg.
„Das Geschütz da soll zur Weltausstellung? Ich bin begierig,
wie sie's weiterbringcn; unsere Waggons haben eine Tragfähig-
keit von 200 Ztr., das Geschütz aber wiegt 700 Ztr." -
„Das ist doch ganz einfach: man nimmt vier solche Waggons,
stellt sie übereinander, macht 4 X 200 — 800 Zentner
Tragfähigkeit, und legt das Geschütz dann oben d'rauf."
Thesis und Antithcsis.
Nur die Wahrheit schlägt darnieder —
Was das freche Wort nicht kann;
Nur der Witz hat einen Stachel,
Die Gemeinheit ekelt an.
Die moderne Mutter.
Arzt: „Gnädige Frau, es wird uns wohl nichts an-
deres übrig bleiben, als daß wir Ihren kleinen Edgar nnt
Geißmilch nähren. Sie müssen sorgen, so bald als möglich
eine gute Ziege zu bekommen." — (Am folgenden Tage wiederholt
der Arzt seinen Besuch.) Arzt: „Aber, meine Gnädige,
Gcschriebe
jähe Licht der Freude, welches über ihr Antlitz geleuchtet Hut,
erlischt in einem entsetzlichen Ausdrucke ohne Namen.
Welcher! O fürchterliche Frage für ein Mutterherz!
Sie soll den Sohn wählen, welcher leben soll, das heißt, sie
soll den verdammen, welcher sterben soll! Und nur in dieses
letztere Gefühl verliert sich ihr die Frage: sic soll Eines ihrer
Kinder verurtheilen! Eine Mutter ihr geliebtes Kind! Kann sie
denn das? Wie kann man so etwas von ihr fordern? Aber
Gott im Himmel, sie muß es ja th»n! Sie muß Einen
^ wählen, sonst sterben ja Beide, und welch' eine Rabenmutter
müßte es sein, die ihre beiden Kinder sterben läßt, wenn sie
Eines retten kann mit einem Worte! Aber welch' eine Raben-
mutter ist sie auch, wenn sie wählt! — Sie kann es nicht und
sie muß es doch! Hat es je eine Qual gegeben, welche der
Qual dieses Mutterherzens gleichkam, in diesem grauenhaften
Augenblicke, wo sich die Sonne selber verhüllen mußte vor Ent-
setzen und Leid's!
Wühlen! Die Mutter zittert, daß man ihre Zähne anein-
anderschlagen hört und ihre Augen starren hinab auf das Schaffot
^ mit einem Blick, in welchem der Widerschein der ewigen Höllenflammen
lodert. O welche Verdammniß konnte jemals eine solche Pein gebären!
„Wühle schnell, sonst sterben Beide!" — Bäthori sagt
diese Worte laut, ungeduldig; und doch hört sie dieselben nur
^ wie aus weiter Ferne, wie aus dem Tosen ihrer Gedanken
j heraus; die heulten so laut wie ein Orkan. Aber deutlich sieht
! sie die Gesichter ihrer beiden Kinder, die zum Fenster aufsahen.
Georg, ihr Jüngerer, der sie so liebt und ihr stets die
ersten Blumen bringt; er betet sein Mütterlein an und streichelt
ihr so gerne das graue Haar mit schmeichelnder Hand; und
mit welch' süßer Stimme er zu sagen weiß: „Mein goldenes
Mütterlein!" Ihn sollte sie sterben lassen? Das war nicht
möglich! Sie sollte sein blondes Haar blutbefleckt aneinander
kleben sehen, seine Augen gebrochen, seine Lippen, die so weich
und zärtlich ihre Runzelhand berührten, erstarrt und stumm,
vom Tvdeskampfe verzerrt — wo sie es verhindern konnte..?
Er mußte leben!..
Aber Kärol, ihr Erstgeborner! Was hatte er gethan, daß
sie ihn in den Tod jagen sollte, wo sic es verhindern konnte?
- Wie zärtlich liebt er sie, nur sie und das Vaterland! Wie
gleicht er seinem Vater, wie stolz und muthig ist sein Herz
! und wie sanft und demüthig wiederum ist es vor ihr! Er
ist ein Held, der Stolz ihres Stammes, die Hoffnung ihrer
! Seele. Konnte sie denn je vergessen die Stunde, wo er ge-
boren ward, wo sein Vater ihn jubelnd der hochrufcnden Diener-
schaft zeigte, und wo sie auf ihrem Lager weinte und zu sterben
meinte vor erster Mntterseligkeit? ..
„Wähle! Willst Du nicht wählen, dann sterben Beide!"
Sie hörte diese Worte noch, ganz schwach, wie ein Echo durch
das steigende Tosen ihrer Gedanken hindurch. Noch einen
Augenblick sah sie die blitzenden Augen des Fragenden auf sich
gerichtet. Sie wollte denken, aber sie konnte nicht mehr, sie
wollte sprechen, aber sie vermochte es nicht; seit die Erde
Menschen trägt, hat kein Herz eine Qual erduldet, wie dieses
Mutterherz in der Ewigkeit dieser Sekunde.
ne Bilder.
Bnthori winkt mit der Hand das Zeichen des Todes-
streiches. Die Mutter lacht hell auf. Sie ist wahnsinnig
geworden.
Ausweg.
„Das Geschütz da soll zur Weltausstellung? Ich bin begierig,
wie sie's weiterbringcn; unsere Waggons haben eine Tragfähig-
keit von 200 Ztr., das Geschütz aber wiegt 700 Ztr." -
„Das ist doch ganz einfach: man nimmt vier solche Waggons,
stellt sie übereinander, macht 4 X 200 — 800 Zentner
Tragfähigkeit, und legt das Geschütz dann oben d'rauf."
Thesis und Antithcsis.
Nur die Wahrheit schlägt darnieder —
Was das freche Wort nicht kann;
Nur der Witz hat einen Stachel,
Die Gemeinheit ekelt an.
Die moderne Mutter.
Arzt: „Gnädige Frau, es wird uns wohl nichts an-
deres übrig bleiben, als daß wir Ihren kleinen Edgar nnt
Geißmilch nähren. Sie müssen sorgen, so bald als möglich
eine gute Ziege zu bekommen." — (Am folgenden Tage wiederholt
der Arzt seinen Besuch.) Arzt: „Aber, meine Gnädige,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ausweg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 59.1873, Nr. 1460, S. 11
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg