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Ein salomonisches Gemälde.
Ein Franziskanerkloster und ein Kapuzinerkloster waren
auf einander eifersüchtig, weil jedes den heiligen Franziskus als
seinen Ordensstiftcr für sich allein in Anspruch nahm. Die
Franziskaner pochten auf ihren Namen und die Kapuziner auf
die Kirchengeschichte, nach welcher sie schon frühe den Franzis-
kanern beigescllt worden seien. Aber diese ließen den gegnerischen
Grund nicht gelten, weil die Kapuziner ein anderes Ordcnskleid
tragen als sie. Die gegenseitige Neckerei wurde mit der Zeit
eine bittere Fehde, so daß die Einsichtigen der Landesgegcnd
mit Recht fürchteten, es könnte durch den unerfreulichen Zwist
am Ende noch zu Schlimmerem kommen. Dies sahen schließlich der
Kapuzinerguardian und der Franziskanerprior selbst ein und
kamen des Friedens wegen mit einander überein, sich einem
Schiedsgericht zu unterwerfen, durch welches zugleich die kirchliche
Malerei gefördert werden sollte. — Am gleichen Orte wohnte ein
Maler, der mit den ehrwürdigen Vätern beider Klöster befreundet
war und schon lange von der Fortsetzung des Streites abgemahnt
hatte. Denn so oft er in der Fastenzeit am großen Essen der Kapu-
ziner theilnahm, störte diese Streitfrage die Gemüthlichkeit der ein-
gcladencn Gäste, und eben so unerquicklich wurden seine Zusammen-
j fünfte mit den Franziskanern, in deren Gesellschaft er die in Faß
I und Reif gebundenen Schätze der untern Bibliothek erforschte. Zu
diesem wohlmeinenden Freunde kamen endlich die streitenden
Parteien und trugen ihm ihren Entschluß vor, sich seinem Schicds-
richtcrspruch zu unterwerfen. „Aber", sagten sie, „damit cs bei
demselben sein Verbleiben hat, so sind wir übereingekommen,
daß das Urtheil in Form eines Gemäldes ausgcfcrtigt werden
Muß, ivclchcs für ewige Zeiten in demjenigen Kloster aufgchängt
wird, welchem Sie den Sieg zucrkenncn. Das Ordensklcid,
.! >» welchem Sic den heiligen Franziskus malen, soll für beide
I Thcilc maßgebend sein. Für Ihre Arbeit bezahlt Ihnen jedes
1 Kloster zweihundert Gulden." — Ter Maler schüttelte zuerst
Unschlüssig den Kopf. Aber die Väter hielten so lange an, bis
kr nachgab. — Schon hatte er die Leinwand hergcrichtct und
die Farbe» gerieben, als ihn eines Abends der Franziskanerprior
zu einer geheimen Unterredung kommen ließ. — „Wenn Sie .
den heiligen Man» im Ordenskleid der Franziskaner malen,"
sagte er zu ihm bei einer Flasche Hochheimer, „so bezahle ich
Ihnen zweihundert Gulden als Gratifikation, macht im Ganzen
vierhundert Gulden." — Der Hochheimer schmeckte so gut, daß
der Maler nach kurzem Besinnen einwilligte unter der Bedingung,
daß über diesen Scparatartikel reiner Mund gehalten werde.
— In seinem Atelier wartete, als er zurückkam, ein Laienbruder
des Kapuzinerklostcrs und lud ihn zum Fastcnessen ein. — „Wenn
Sie den Heiligen im Ordensklcid der Patres Kapuziner malen,"
sagte der Guardian zu ihm. als das Essen im Gang war, „so
bezahle ich Ihnen zweihundert Gulden Gratifikation." — Der
Maler versprach auch dieses. — An dem anbcraumten Tag
brachte der Maler das Bild in das bestimmte Lokal, wo
die streitenden Parteien in großer Spannung versammelt
waren. Der feierliche Moment nahte, in dem die Hülle
fallen sollte. Nachdem beide Litiganten die Summe bezahlt
hatte», zog der Maler das Tuch weg. — Der heilige Fran-
ziskus war abgebildet, wie er im Bette lag und schlief.
Zu seinen Häupten hing an einem Nagel an der Wand die
Kapuzinerkutte und dicht daneben an einem andern Nagel das
Ordenskleid der Franziskaner. — „Das ist gegen die Verab-
redung", sagte der Kapuzinerguardian, den Maler bei Seite
nehmend. — „Sie haben Ihr Versprechen nicht gehalten," rief
der Franziskaner entrüstet. „Welches Ordcnskleid gilt nun?" —
„Das wollen wir den heiligen Franziskus selbst entscheiden
lassen," erwiderte glcichmüthig der Maler. „Wenn er erwacht !
und aufsteht, so wird es sich bald zeigen, welches Kleid er an- [
zieht." — Dieses Schiedsgericht hat denn auch dem Streit ein
Ende gemacht. _
Definickio n.
Junger Arzt: „Wie würden Sic mir, geehrter Herr,
den Begriff „Collcga" dcfiniren, falls ich mich in der Praxis
darnach richten wollte?" — Alter Arzt: „Collcga, junger
Herr, ist — ein Mann, vor dem man sich hüten muß!"
Lösung des B i lderrii t hscls in voriger Nummer.
Ei» Herz und eine Seele. (Ein Herz und ein Esele.)
Ein salomonisches Gemälde.
Ein Franziskanerkloster und ein Kapuzinerkloster waren
auf einander eifersüchtig, weil jedes den heiligen Franziskus als
seinen Ordensstiftcr für sich allein in Anspruch nahm. Die
Franziskaner pochten auf ihren Namen und die Kapuziner auf
die Kirchengeschichte, nach welcher sie schon frühe den Franzis-
kanern beigescllt worden seien. Aber diese ließen den gegnerischen
Grund nicht gelten, weil die Kapuziner ein anderes Ordcnskleid
tragen als sie. Die gegenseitige Neckerei wurde mit der Zeit
eine bittere Fehde, so daß die Einsichtigen der Landesgegcnd
mit Recht fürchteten, es könnte durch den unerfreulichen Zwist
am Ende noch zu Schlimmerem kommen. Dies sahen schließlich der
Kapuzinerguardian und der Franziskanerprior selbst ein und
kamen des Friedens wegen mit einander überein, sich einem
Schiedsgericht zu unterwerfen, durch welches zugleich die kirchliche
Malerei gefördert werden sollte. — Am gleichen Orte wohnte ein
Maler, der mit den ehrwürdigen Vätern beider Klöster befreundet
war und schon lange von der Fortsetzung des Streites abgemahnt
hatte. Denn so oft er in der Fastenzeit am großen Essen der Kapu-
ziner theilnahm, störte diese Streitfrage die Gemüthlichkeit der ein-
gcladencn Gäste, und eben so unerquicklich wurden seine Zusammen-
j fünfte mit den Franziskanern, in deren Gesellschaft er die in Faß
I und Reif gebundenen Schätze der untern Bibliothek erforschte. Zu
diesem wohlmeinenden Freunde kamen endlich die streitenden
Parteien und trugen ihm ihren Entschluß vor, sich seinem Schicds-
richtcrspruch zu unterwerfen. „Aber", sagten sie, „damit cs bei
demselben sein Verbleiben hat, so sind wir übereingekommen,
daß das Urtheil in Form eines Gemäldes ausgcfcrtigt werden
Muß, ivclchcs für ewige Zeiten in demjenigen Kloster aufgchängt
wird, welchem Sie den Sieg zucrkenncn. Das Ordensklcid,
.! >» welchem Sic den heiligen Franziskus malen, soll für beide
I Thcilc maßgebend sein. Für Ihre Arbeit bezahlt Ihnen jedes
1 Kloster zweihundert Gulden." — Ter Maler schüttelte zuerst
Unschlüssig den Kopf. Aber die Väter hielten so lange an, bis
kr nachgab. — Schon hatte er die Leinwand hergcrichtct und
die Farbe» gerieben, als ihn eines Abends der Franziskanerprior
zu einer geheimen Unterredung kommen ließ. — „Wenn Sie .
den heiligen Man» im Ordenskleid der Franziskaner malen,"
sagte er zu ihm bei einer Flasche Hochheimer, „so bezahle ich
Ihnen zweihundert Gulden als Gratifikation, macht im Ganzen
vierhundert Gulden." — Der Hochheimer schmeckte so gut, daß
der Maler nach kurzem Besinnen einwilligte unter der Bedingung,
daß über diesen Scparatartikel reiner Mund gehalten werde.
— In seinem Atelier wartete, als er zurückkam, ein Laienbruder
des Kapuzinerklostcrs und lud ihn zum Fastcnessen ein. — „Wenn
Sie den Heiligen im Ordensklcid der Patres Kapuziner malen,"
sagte der Guardian zu ihm. als das Essen im Gang war, „so
bezahle ich Ihnen zweihundert Gulden Gratifikation." — Der
Maler versprach auch dieses. — An dem anbcraumten Tag
brachte der Maler das Bild in das bestimmte Lokal, wo
die streitenden Parteien in großer Spannung versammelt
waren. Der feierliche Moment nahte, in dem die Hülle
fallen sollte. Nachdem beide Litiganten die Summe bezahlt
hatte», zog der Maler das Tuch weg. — Der heilige Fran-
ziskus war abgebildet, wie er im Bette lag und schlief.
Zu seinen Häupten hing an einem Nagel an der Wand die
Kapuzinerkutte und dicht daneben an einem andern Nagel das
Ordenskleid der Franziskaner. — „Das ist gegen die Verab-
redung", sagte der Kapuzinerguardian, den Maler bei Seite
nehmend. — „Sie haben Ihr Versprechen nicht gehalten," rief
der Franziskaner entrüstet. „Welches Ordcnskleid gilt nun?" —
„Das wollen wir den heiligen Franziskus selbst entscheiden
lassen," erwiderte glcichmüthig der Maler. „Wenn er erwacht !
und aufsteht, so wird es sich bald zeigen, welches Kleid er an- [
zieht." — Dieses Schiedsgericht hat denn auch dem Streit ein
Ende gemacht. _
Definickio n.
Junger Arzt: „Wie würden Sic mir, geehrter Herr,
den Begriff „Collcga" dcfiniren, falls ich mich in der Praxis
darnach richten wollte?" — Alter Arzt: „Collcga, junger
Herr, ist — ein Mann, vor dem man sich hüten muß!"
Lösung des B i lderrii t hscls in voriger Nummer.
Ei» Herz und eine Seele. (Ein Herz und ein Esele.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein salomonisches Gemälde"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1548, S. 95
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg