Mesalliance.
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für die Bewohner dieses Baumes soll cs nicht fehlen." Welch'
furchtbarer Doppelsinn in diesen letzten Worten lag, soll der
teilnehmende Leser in Bälde erfahren!
„Morgen Abends, ehe die große Schwärmerei beginnt,"
schloß mein Vater in gütigem Sümni, „möge Deine Braut im
Kirschbaumwipfel harren. Ich selbst will Euren Bund segnen
und Euch in das neue Besitzthnm einweisen."
Gerührt und dankbar küßte ich Papas Fühlhörner und
schwebte fort, um der Geliebten die frohe Botschaft zu bringen.
»Auf heute Abend denn, Theuerste," summte ich ihr beim
Abschied zu, unsere Fühlhörner verschlangen sich in einem zärtlichen
Kuß und wir schieden. Ach cs war znm Lctztenmnlc, daß ich
in ihr Auge gesehen!....— Es war Abend geworden.
Wir machten Toilette znm Flug nach der Kirsch-Villa. Papa
lächelte seltsam, als ich einen Strauß Lindenblüthen als Geschenk
für die Geliebte mitnahm. Dieses Lächeln schnitt mir durch
die Seele und noch mehr befremdete es mich, als der Vater in
dcr Nähe des Kirschbanms plötzlich umkehrte. „Ich will Euer
zärtliches Wiedersehen nicht stören," brummte er höhnisch im
Fortfliegen. Ich flog mit Sturmeseile dem roncker-vous-Platz
zu. 0 Himmel, welch' ein Anblick ward mir dortselbst. Die
Feder sträubt sich, das Grauenvolle zu schildern. Auf dem
Wipfel saß ein riesiger häßlicher Spatz, der eben die Geliebte
'■■eines Herzens — ausgcsressen hatte. Nur ein theures Füßchen
■ogtc noch aus dem Schnabel des Unthiers, um gleich daraus
ebenfalls in der unergründlichen Tiefe zu verschwinden. Wie
C1" Rasender, meines Lebens nicht achtend, flog ich dem Scheusal
^lgegen und peitschte es mit den Flügeldecken, um es zu
te*5en, auch meinem elenden Dasein ein Ende zu machen.
Vergebens; das Ungethüm war satt — von meiner Liebsten
Körper gesättigt! Welch' gräßliche Vorstellung, mitfühlende
Leserin! „0 es wird eine Zeit kommen, da du wieder Hunger
hast, grausames Unthier," rief ich ans und flog zurück, um
meinen unnatürlichen Vater zur Rechenschaft zu ziehen. Was
ich geahnt, fand ich mit Schauder bestätigt. Der eiskalte
Aristokrat hatte meine Liebe seinen Vorurtheileu geopfert; er
wußte wohl, daß das Unthier jeden Abend um die bestimmte
Stunde seine fürchterlichen Mahlzeiten auf dem Kirschbaum zu
halten pflegte und darauf baute er seine» höllischen Plan. Ich
bin zu Ende. Mein Entschluß ist gefaßt. In kurzer Frist
werde ich mit der Geliebten wieder vereinigt sein. Es ist
Abend geworden. Schon sehe ich von ferne das Ungethüm
auf den Kirschbaum herabschweben. Hungrig wetzt es seinen
verbrecherischen Schnabel — Triumph — diesmal wird mich
das Scheusal nicht verschonen. Leb' wohl du schnöde Welt —
Geliebte ich komme — bald wird ein gemeinsames Grab unsere
irdischen Ucberreste umschließen! — F. ß.
Zeit ist Geld.
Bettler: „Sind S' so gut und lassen S' mich nicht so
lang warte»; ich Hab' noch mehr zn thun, als nüch vor Sie
da hinzustellen!"
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für die Bewohner dieses Baumes soll cs nicht fehlen." Welch'
furchtbarer Doppelsinn in diesen letzten Worten lag, soll der
teilnehmende Leser in Bälde erfahren!
„Morgen Abends, ehe die große Schwärmerei beginnt,"
schloß mein Vater in gütigem Sümni, „möge Deine Braut im
Kirschbaumwipfel harren. Ich selbst will Euren Bund segnen
und Euch in das neue Besitzthnm einweisen."
Gerührt und dankbar küßte ich Papas Fühlhörner und
schwebte fort, um der Geliebten die frohe Botschaft zu bringen.
»Auf heute Abend denn, Theuerste," summte ich ihr beim
Abschied zu, unsere Fühlhörner verschlangen sich in einem zärtlichen
Kuß und wir schieden. Ach cs war znm Lctztenmnlc, daß ich
in ihr Auge gesehen!....— Es war Abend geworden.
Wir machten Toilette znm Flug nach der Kirsch-Villa. Papa
lächelte seltsam, als ich einen Strauß Lindenblüthen als Geschenk
für die Geliebte mitnahm. Dieses Lächeln schnitt mir durch
die Seele und noch mehr befremdete es mich, als der Vater in
dcr Nähe des Kirschbanms plötzlich umkehrte. „Ich will Euer
zärtliches Wiedersehen nicht stören," brummte er höhnisch im
Fortfliegen. Ich flog mit Sturmeseile dem roncker-vous-Platz
zu. 0 Himmel, welch' ein Anblick ward mir dortselbst. Die
Feder sträubt sich, das Grauenvolle zu schildern. Auf dem
Wipfel saß ein riesiger häßlicher Spatz, der eben die Geliebte
'■■eines Herzens — ausgcsressen hatte. Nur ein theures Füßchen
■ogtc noch aus dem Schnabel des Unthiers, um gleich daraus
ebenfalls in der unergründlichen Tiefe zu verschwinden. Wie
C1" Rasender, meines Lebens nicht achtend, flog ich dem Scheusal
^lgegen und peitschte es mit den Flügeldecken, um es zu
te*5en, auch meinem elenden Dasein ein Ende zu machen.
Vergebens; das Ungethüm war satt — von meiner Liebsten
Körper gesättigt! Welch' gräßliche Vorstellung, mitfühlende
Leserin! „0 es wird eine Zeit kommen, da du wieder Hunger
hast, grausames Unthier," rief ich ans und flog zurück, um
meinen unnatürlichen Vater zur Rechenschaft zu ziehen. Was
ich geahnt, fand ich mit Schauder bestätigt. Der eiskalte
Aristokrat hatte meine Liebe seinen Vorurtheileu geopfert; er
wußte wohl, daß das Unthier jeden Abend um die bestimmte
Stunde seine fürchterlichen Mahlzeiten auf dem Kirschbaum zu
halten pflegte und darauf baute er seine» höllischen Plan. Ich
bin zu Ende. Mein Entschluß ist gefaßt. In kurzer Frist
werde ich mit der Geliebten wieder vereinigt sein. Es ist
Abend geworden. Schon sehe ich von ferne das Ungethüm
auf den Kirschbaum herabschweben. Hungrig wetzt es seinen
verbrecherischen Schnabel — Triumph — diesmal wird mich
das Scheusal nicht verschonen. Leb' wohl du schnöde Welt —
Geliebte ich komme — bald wird ein gemeinsames Grab unsere
irdischen Ucberreste umschließen! — F. ß.
Zeit ist Geld.
Bettler: „Sind S' so gut und lassen S' mich nicht so
lang warte»; ich Hab' noch mehr zn thun, als nüch vor Sie
da hinzustellen!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Mesalliance" "Zeit ist Geld"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Unstandesgemäße Liebe
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1557, S. 163
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg