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Wie es dem Oberstlieutenant Kreuzschnabel im großen Generalstabe erging. 171

schäftigt aus und fertigte mich kurz ab mit den Worten:
„Oberstlieutenant Kreuzschnabel! Ganz recht! Sollen versuchs-
weise in meiner Abtheilung beschäftigt werden. Bitte, das
dritte Zimmer von hier linker Hand. Der Herr Lieutenant
Josef ist angewiesen, Ihnen bezüglich Ihrer Information an
die Hand zu gehen. Ist eingeweiht, der Herr Lieutenant Josef."

„Herrliche Aussichten," dachte ich, „Kreuzschnabel! Nur
tapfer! Jetzt kann's Dir nicht mehr fehlen. Gib Acht, che
4 Wachen vergehen, bist Du Mitglied des Ccntral-Direktoriums
der Vermessungen."

Als ich in das Bureau trat, kam ein kleiner munterer
Jüngling in Lieutenants-Uniform auf mich zu und meldete sich
als Premierlieutenant Josef. Ich faßte das Bürschchen iit'S
Auge. Es hatte ein spitzes Kinn und ciu blondes Schnurr-
bärtchen und sah im Uebrigen recht intelligent aus. „Guten
Tag, Lieutenant Josef!" sagte ich, „na? es freut mich, eine
so schätzenswerthe Kraft zu meiner Assistenz zu besitzen."

Lieutenant Joses lächelte etwas malitiös, zupfte an seinem
Schnurrbart und murmelte ein Paar Phrasen, welche ich sofort
in das nachstehende richtige Deutsch übersetzte: „Ja warte nur.
Du alter Jsegrimm! Du sollst die schätzenswerthe Kraft kennen
lernen. Du alter vertrackter Seebär sollst nach meiner Pfeife
tanzen, daß Dir die Schweißtropfen straußeneierdick über die
ausgebleichte Kreuzbeinbambelage rieseln!"

„Na, dann geben Sie mal her, was Sie da haben, Josef",
sagte ich gemüthlich und streckte meine Rechte nach einem
Haufen Schriftstücke aus, welche der kühne Jüngling soeben
aus einem Repositorienfache nahm und auf mein Pult legen
wollte. Es waren „diverse Munda", welche der Herr Oberst-
licutenant „unterfertigen" sollte.

Ich setzte mich, nahm eine überaus wichtige Miene an und
that, als ob ich mich in den Inhalt der obenauf liegenden
Piece vertiefe. In Wahrheit aber dachte ich darüber nach,
wie ich dem unternehmenden Lieutenant den Standpunkt klar
machen könne. Denn, wenn ein Untergebener auch zehn Mal
mehr versteht, als der Vorgesetzte, so darf doch die Discipltn
nicht darunter leiden.

„Lieutenant Josef", sagte ich väterlich, „man hat mir viel
Gutes über Sie gesagt. Sollen famos eingeweiht sein, Lieutenant
Josef?"—„Ach ja, so einigermaßen bin ich bewandert", versetzte
Josef im Tone bescheidener Selbstüberschätzung, ich habe —"

„Sind Sie auch auf die Kurve dressirt? Können Sic die
Radlinie schlagen und vor allen Dingen, verstehen Sie sich
auf das gleichschenklige Dreieck?"

Dabei zog ich die Augenbrauen in die Höhe und glotzte
den Josef so scharf als möglich an. Dieser stand ganz ver-
blüfft und wußte nicht, was er erwidern sollte.

„Lieutenant Josef! Machen Sie nicht ein so sonderbares
Gesicht", donnerte ich, „können Sie's oder können Sicks nicht?"

„Ich kann's", versicherte Josef und klemmte die Hacken so
fest zusanunen, daß sich kein Spulwurm hätte durchwinden .!
können. „Ich bin mit topographischen Aufnahmen jeder Art
hinlänglich vertraut", fuhr er in etwas ängstlichem Tone fort,
„und habe auch schon als Vermessungsdirigent sungirt".

„So? Mit Aufnahmen jeder Art? . . . Nun — wir
werden ja sehen. Vorläufig — sollen —"

Ich hatte inzwischen das erste Schriftstück, einen sauber auf
weißes Papier geschriebenen Bericht an eine militärische Behörde,
zur Hand genommen und durchlas ihn bedächtig, dabei in
kurzen Pausen halblaut weiter sprechend:

„Sollen — Sie — mir etwas — aus märkischem Terrain
—■ — aufnehmen, — nämlich —"

Ich hatte die Feder eingetaucht und schrieb nun in majestäti-
schen Zügen meinen Namen unter den Bericht, fuhr dann aber
blitzschnell auf dem Sessel herum, warf dem Josef einen grimmigen
Blick zu und rief mit fürchterlicher Stimme: „Sand!"

Der Lieutenant Josef fuhr, wie vom Blitze getroffen, zu-
sammen, faßte sich jedoch rasch, ergriff die Streusandbüchse und
machte sich in so ehrerbietiger Haltung an die Trockenlegung
der vorliegenden, sowie meiner ferneren Namens-Unterschriften,
daß ich die Ueberzeugung gewann, er sei nunmehr von seinem
Eigendünkel kurirt.

„Hier sind die neu eingegangenen Sachen, Herr Oberst-
lieutenant", sagte er sodann, indem er einen Haufen Piecen
aus einem Fache nahm und sie mir vorlcgte, „ich bitte gc-
horsamst uni Dispositions-Ertheilung".

„Dispositions-Ertheilung? Hm! Will Ihnen was sagen,
Herr Premierlieutenant! Sie sind doch eingeweiht! wie? Nun
also! ... Da machen Sie gefälligst die Dispositionen selber.
Verstanden?"

Der Herr Premierlieutenant verbeugte sich, nahm die Schrift-
stücke unter den Arm und schickte sich an, das Zimmer zu
verlassen.

„Noch Eins, Herr Premierlieutenant! Morgen früh präcise
8 Uhr will ich die Sachen fix und fertig zu meiner Unter-
schrift hier liegen haben, verstanden?"

„Sehr wohl, Herr Oberstlieutenant! —"

Lieutenant Josef verschwand und ich lachte vergnügt. Der
Standpunkt, welchen der Jüngling mir gegenüber einzunehmen
hatte, war sestgestellt, und ich hatte nun sicherlich einen vor-
trefflichen Mitarbeiter in ihm gewonnen. (Fortsetzung folgt.)

Scylla und Charybdis.

Frau:

„Aber, Karl, wie kannst Du
denn dem Kind ein Tranchir-
mcs scr in die Hand geben?!"

Mann:

„Etwas muß cs ja doch
haben! Ich kann ihm doch
keinen geladenen Revolver
zum Spielen geben!"

Lösung des RüthsclS in voriger Nummer.

Hebbel, Hebel, Hebe.

22*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Scylla und Charybdis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Meggendorfer, Lothar
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 78.1883, Nr. 1974, S. 171

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