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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 8.1912

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Kreuzer, Emil: Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal
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https://doi.org/10.11588/diglit.2636#0062

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Kreuzer, Der leitende Grundgedanke des Bilderschmucks am Münsterhauptportal

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die Wiedergeburt es der Gnade seiner Mensch- zu ernster und bußfertiger Vorbereitung auf Weih-
werdung und seines Heiles teilhaftig zu machen." nachten, das Fest seines ersten Adventes im Fleische,
Diese zweite Ankunft Christi aber vollzieht sich zu bewegen; sie mahnt, die Gnadenzeit des Adventes
in der Heilsanstalt der Kirche und in ihren Gottes- gut zu benutzen, damit wir beim Gerichtsadvent be-
häusern. „Von der Aufnahme bei der zweiten An- stehen können" '.

kunft hängt es ab, ob man des Heiles der ersten Damit ist ebenso der innere Zusammenhang der

und der Glorie der dritten teilhaftig wird." „Die beiden im Bogenfeld in eine zusammengezogenen

beiden Gedanken an das erstmalige Kommen des Darstellungen untereinander gegeben, wie auch ihr

Herrn im Fleische und an sein geistiges Wieder- Zusammenhang mit der Kirchenpforte als solcher.

kommen an Weihnachten,
welche den ganzen Advent
beherrschen, wecken mit fast
notwendiger Ideenassoziation
einen dritten, den Gedanken
an die letzte Wiederkunft des
Herrn zum Gerichte ... In
ihre Adventspredigt nimmt
die Kirche den Gerichtsge-
danken auf als mächtiges
Motiv zur Buße und zu ern-
ster Vorbereitung auf Weih-
nachten; durch Furcht und
Schrecken will sie ihre Kin-
der bewegen, alles zu tun, um
den als Erlöser aufzunehmen,
vor welchem als Richter sie
einst, vielleicht so bald schon,
zu erscheinen haben." —

So finden wir denn auch
die Darstellung der ersten
und dritten Ankunft des Herrn
im Portalbogen; die der ge-
schichtlichen ersten entspre-
chend dem Charakter der
Adventszeit als der Erinne-
rung an die Vorbereitungszeit
auf die Ankunft des Herrn
vor 1900 Jahren und als der
Vorbereitung auf seine zweite,
geistige Ankunft am Weih-
nachtsfeste; die der künftigen
dritten gemäß der Stellung,
welche die Kirche den evan-

Abb. 6. Postament des Standbildes der Kirche.
St. Jakobus, St. Andreas, St. Matthäus.

Die erste Ankunft Christi,
seine arme Geburt, von der
zwei Evangelien des Weih-
nachtsfestes erzählen (Lk. 2,
1 ff.; 2, 15 ff.), sein Leben,
Lehren, Leiden und Sterben
vor 1900 Jahren, und die Er-
schließung der Heilsanstalt
der Kirche in seiner zweiten
im Laufe der Zeiten, zu deren
Gnadenquellen die Kirchen-
pforte den Zugang bildet, sind
der Rechtstitel, auf Grund
dessen der Herr bei seiner
dritten Ankunft richten wird,
wenn das „Zeichen des Men-
schensohnes", sein Kreuz,
„am Himmel erscheint". Ganz
deutlich sind die Bilder aus
dem Leben des Herrn in die-
sem Sinne in die Gerichts-
darstellung einbezogen, wie
die Stellung der beiden un-
teren, die Posaunen des Ge-
richtes blasenden, Engel zeigt.
Weil der Herr in freiwilligem
Opfer sich richten ließ für
die Menschheit, wird er diese
richten, je nachdem sie zu
diesem seinem Opfer Stellung
genommen hat. Um dies recht
prägnant hervorzuheben, rückt
unser Bild die in größerem
Maßstabe gehaltene Darstel-

gelischen Berichten vom Weltgericht in ihrer Liturgie lung des aus Liebe (Pelikan!) am Kreuze Gestorbenen
am Anfang und am Schlüsse, am Eingang und Aus- noch besonders aus der Geschichtserzählung des
gang des Kirchenjahres angewiesen hat. Sie mahnt untersten Bildstreifens hinauf in die Mitte der Ge-
heim Eintritt in das Gotteshaus wie beim Austreten richtsdarstellung, lässt sie am Kreuze die Seligen
aus demselben daran, dass nur durch die erste und und Verworfenen sich scheiden. „Denn das Wort
die dritte Ankunft des Herrn in Zeit und Ewigkeit vom Kreuze ist zwar denen, die verloren gehen,
der Zugang zum Himmelreich sich erschließt, und Torheit; denen aber, die selig werden, das ist uns,
erinnert an die Verantwortung, welche das erste und ist es Gottes Kraft" (1. Kor. 1, 18). Darum stellt
zweite Kommen des Herrn den Gläubigen auferlegen, unser Bild weiterhin Engel mit den Leidenswerk-

Die Kirche „erinnert an den letzten Advent des

Herrn zum Gericht, um durch das Motiv der Furcht > von Keppier a. a. o. s. 16.
 
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