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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Kempf, Friedrich: Das Freskogemälde über dem Triumphbogen im Freiburger Münster
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Kempf, Das Freskogemäide über dem Triumphbogen im Freiburger Münster

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ahmen. Es wäre mir nicht schwierig geworden,
täuschende Fälschungen hervorzubringen, jedoch wäre
ich mir dabei vorgekommen, wie ein Schauspieler,
der bei jeder Aufführung Rolle und Kostüm wechselt."

Bemerkenswert ist nun die Stellung, welche der
Künstler gegenüber dem Mainzer Gutachten einge-
nommen hat. Seitz lehnte dasselbe zunächst ab, indem
er sich dabei auf den Standpunkt stellte, dass er sich
in rein und wesentlich malerischen Angelegenheiten
dem verurteilenden Gutachten eines Nichtmalers nicht
unterwerfen könne, so wenig ein Architekt, wie er
bemerkte, in Bausachen sich dem Urteile eines Nicht-
architekten fügen werde.

Im Gegensatz zu der Behauptung Cüypers', dass
die Größenverhältnisse der Figuren zu einem Maß-
stab gesteigert seien, welcher der alten Kunst völlig
widerspreche, konnte Seitz auf die der früheren
Bilder hinweisen, die noch größer gehalten waren,
als er sie zeichnete. Beispielsweise hatten auf dem
zweiten alten Bilde die Taube eine Breite von nahezu
3 m und die Figuren eine Höhe von über 4 m.

Gegen den Einwand, dass der Entwurf die un-
mittelbaren Anhaltspunkte des alten Vorbildes nicht
berücksichtige, machte Seitz geltend, dass es sich nicht
um ein altes zu restaurierendes Bild handle, sondern
um eine selbständige neue Schöpfung, in welcher nur
der Geist der Kirche und der großen Meister echt
christlicher Kunst zum Ausdruck kommen müsse.
Niemand könne den Geist eines andern in sich ver-
pflanzen, geschweige den Geist einer längst ent-
schwundenen Zeit. Es könnte sich, sagt Seitz weiter,
nur um eine Nachäfferei handeln, wollte man ein
Gemälde herstellen, das aussehen würde, als ob es
im 14. Jahrhundert gemalt wäre, und es müsste einen
ähnlichen Eindruck machen, wie wenn ein bejahrter
Mann plötzlich Stellung, Gebärde und Sprache eines
kleinen Kindes nachahmen würde. Auch die ver-
schiedenen Kunstschätze im Münster und der Bau
selbst beweise, dass kein Künstler je im Sinne hatte,
sich bei seinen künstlerischen Schöpfungen in eine
frühere Zeit zu versetzen, denn die verschiedenen
Epochen haben am Münster und seiner Kunst ge-
arbeitet. Ein solch unerhörtes Kunstgesetz, wie es
Cüypers aufstelle, sei die Ausgeburt einer einseitigen
Kunstbestrebung zum Schaden der christlichen Kunst
und zum Leidwesen der echt christlichen Künstler.

Dass die Seifeschen Anschauungen den Grund-
sätzen wahrer Denkmalpflege nicht ganz entsprechen,
haben wir vorhin schon erwähnt. Freilich hat die
zwar in schöpferischer Freiheit, jedoch im Sinne der
großen Meister der Vergangenheit schaffende Seitzsche
Kunst mit der vielfach stil- und zügellosen Kunst
unserer Tage nichts gemein, die sich oft nicht scheut,
Kirchen, welche aus einer ausgesprochen geschicht-

Freiburger Münsterblätter X, I.

liehen Stilperiode stammen, mit völlig gesetzlos, im-
pressionistisch gehaltenen Malereien auszustatten.
Unseres Erachtens konnte man von Seitz, der die
deutsche mittelalterliche Malerei nicht in dem Maße
beherrschte, wie die italienische, und der gewohnt
war, selbständig schöpferisch sich zu betätigen, keinen
streng gotischen Entwurf erwarten, und wir möchten
es dahingestellt sein lassen, ob er den Auftrag ange-
nommen haben würde, wenn man von vornherein
eine solche stilistisch strenge Forderung an ihn ge-
stellt hätte.

Zur Herbeiführung beiderseitiger Beruhigung und
Einigung machte Seitz im weiteren den Vorschlag,
die damals bedeutendste, ja weltbekannte Autorität
auf dem Gebiete religiöser Malerei, den Professor
Eduardjakob von Steinle in Frankfurt a.M. als Schieds-
richter anzurufen, dessen Entscheidung er sich bereit-
willigst unterwerfen wolle, wie er auch die guten
Eigenschaften des alten Bildes mit aller Pietät in das
neue aufnehmen werde.

Dieser Vorschlag wurde angenommen und der
Seitzsche Entwurf an Professor Steinle eingesandt.
Des letzteren Gutachten deckt sich im allgemeinen
mit dem von Cüypers. Nur sprach Steinle seine Ansicht
nicht in der Schärfe und Schroffheit aus, wie es Cüypers
tat, denn er kannte die große Fähigkeiten seines jünge-
ren Kollegen und wusste, dass dieser der gestellten
Aufgabe besser gewachsen war, als viele andere.

Es ist nun außerordentlich interessant zu hören,
wie der große Meister über den Entwurf dachte und
urteilte, zumal seine feinfühligen, der innersten Über-
zeugung entsprungenen Kunstanschauungen gewisser-
maßen programmatischen Charakter haben.

„Ihre Skizze", so schrieb Steinle im Januar 1877
an Seitz, „hat mir ungemein gefallen; sie erinnerte
mich an Ghirlandajo, an graziöse Lieblichkeit; doch
war ich der festen Meinung, das Bild sei für eine
italienische Kapelle bestimmt, worin mich aber aller-
dings der Maßstab etwas beirrte. Nun fand sich aus
dem Inhalt des Schreibens, dass der Platz für das
Gemälde der Triumphbogen des ehnvürdigen Frei-
burger Münsters ist. Ich gestehe Ihnen aufrichtig,
dass dadurch erst bei mir Bedenken entstanden sind.
Die deutsche Gotik ist bedeutend ernster als die ita-
lienische, und es scheint mir, dass wir, wenn wir mit
unserer Kunst an solche Wände gehen, uns durchaus
entschließen müssen, da deutsch zu sprechen, ja sogar
das Idiom der damaligen Ausdrucksweise uns aneignen
müssen. Es ist das das einzige Mittel, um mit
der Umgebung in Harmonie zu kommen und eine
Wirkung hervorzubringen, die mit dem Guss und
Fluss der Architektur einig wird. Ich meine hiermit
nicht die Verleugnung einer eigenen Selbständigkeit,
denn darüber dürfen wir bei einem Künstler, in dem

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