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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Kempf, Friedrich: Das Freskogemälde über dem Triumphbogen im Freiburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0017
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Kempf, Das Freskogemälde über dem Triumphbogen im Freiburger Münster

durch die einige Jahre zuvor begonnenen, umfassenden
allgemeinen Restaurierungsarbeiten empfindlich ange-
griffen worden. Zur Aufbringung der Mittel für die
Fortsetzung derselben und zugleich für die Ausführung
des Bildes wandte man sich deshalb in einem öffent-
lichen Aufruf an die Bürgerschaft um Beisteuer. Ein
vorher an das Ministerium gerichtetes Bittgesuch um
Bewilligung einer Geldlotterie zugunsten des Münsters
war abgelehnt worden mit dem Hinweis auf die
Verordnung vom Jahre 1864, nach welcher öffent-
liche Geldlotterien ohne Unterschied des Zwecks für
den Umfang des Großherzogtums verboten waren
und an welchem Verbot in allen Fällen festgehalten
werden sollte.

Seitz legte unterm 11. Mai 1876 den ersten Ent-
wurf vor, der jedoch nur den Gesamteindruck des
Werkes wiedergab. Diesen Vorentwurf nahm der
Stiftungsrat nicht kritiklos hin, vielmehr hörte er zu
dessen Beurteilung zunächst eine Kommission von
Kunstkennern. Diese rühmte zwar den günstigen
Gesamteindruck, dagegen erhob sie im einzelnen
Beanstandungen. So wünschte man, dass Maria mit
einem reicheren, weiten, von den Schultern herab-
fließenden Krönungsmantel bekleidet werde; statt
musizierender Engel verlangte man die Anbringung
der Stadtpatrone S. Lambertus und S. Alexander. Die
weiteren Aussetzungen der Kommission waren ne-
bensächlicher Art. Man weiß ja, wie es oft geht,
wenn in rein malerischen Dingen, vornehmlich von
Laien, ein Urteil zu fällen ist. Der Künstler be-
tonte zwar bei Einreichung seiner Skizze ausdrück-
lich, dass er mit derselben nur ungefähr die Hauptidee
andeuten wollte, während die Kommission mit den
kleinsten Ausstellungen nicht zurückhielt. Man be-
gnügte sich indessen mit dem Kommissionsgutachten
allein nicht, vielmehr wurde der Seitesche Entwurf auch
dem damals zur Einsichtnahme und Begutachtung der
Restaurierungsarbeiten am Münster hierher gerufenen
Dombaumeister Cüypers von Mainz vorgelegt, welcher
in einem ausführlichen schriftlichen Gutachten seine
Ansicht über den Entwurf geäußert hat. Derselbe
wendete sich darin insbesondere gegen den zu großen
Maßstab der Figuren. Ferner tadelte er scharf, dass
der Entwurf auf die Fingerzeige, welche in den er-
haltenen Resten des ältesten Bildes gelegen waren,
keine Rücksicht genommen hatte. Er ging von der
Ansicht aus, dass gar nichts anderes angängig sei, als
sich an die ältere Darstellung, die alsbald an die
Vollendung des Schiffbaues sich anreihte und somit
dem Geiste der Erbauer des Münsters unmittelbar
nahe stand, sich anzuschließen. Dieses ältere Bild
war zu sehr zerstört, als dass man an seine Wieder-
herstellung hätte denken können, aber es bot nach
der Meinung des Gutachters dennoch die besten

Anhaltspunkte für den Entwurf der neuen Dar-
stellung.

Wäre diese Frage heute zu lösen, so würde man
sich zweifellos auf den gleichen Standpunkt stellen,
den der Mainzer Dombaumeister eingenommen hat.
Die heute allgemein gültigen Regeln der Denkmal-
pflege, welchen kein Künstler sich entziehen kann,
der in ein Restaurationswerk eintritt (die Herstellung
des Bildes musste damals als eine integrierende, zur
ganzen Münsterrestauration gehörige Angelegenheit
aufgefasst werden), stellen in dieser Richtung ganz
bestimmte Forderungen. Der innigste Anschluss an
den Geist der Zeit, in welcher das alte Kunstwerk
entstanden, ist der oberste Postulat. Daraus ergibt
sich als unabweisliche Folge, dassauch die Auffassungs-
weise, also die Formen- und Farbengebung, um so
notwendiger, sachlich und formell, mit aller Pietät
und vollem Verständnis der alten typischen Kunst-
weise, an das erhaltene Vorbild sich anzuschließen
hat. Der Künstler muss der Aufgabe eingedenk sein,
dass seine Schöpfung in vollem Einklang mit dem
Denkmal sein und bleiben soll. Diese Grundsätze
mussten deshalb auch in dem vorliegenden Falle, da
doch unmittelbare Anhaltspunkte in den erhaltenen
Resten an Ort und Stelle geboten waren, Platz greifen.

Nach allem scheint der Entwurf von Seitz unter
dem Einfluss des temperamentvollen, heiteren italie-
nischen Gefühlswesens entstanden zu sein. Es kann
dies nicht befremdlich erscheinen; schuf er doch seine
größten Werke in Italien, wo er in Rom als Sohn einer
deutschen Künstlerfamilie geboren war.

Wenn übrigens der erste Entwurf den Charakter
des Urbildes nicht getroffen hatte, so war dem Künstler
die Schuld allein nicht beizumessen, nachdem der
Auftraggeber es versäumt hatte, in dem Programm
auch bestimmte, ausdrückliche Angaben und Wei-
sungen bezüglich der stilistischen Gestaltung des Bildes
zu machen.

Dass es ihm nicht schwer gefallen sein mochte,
den Wünschen nach dieser Richtung Rechnung zu
tragen, dürfen wir vielleicht aus einem an einen be-
freundeten Fachgenossen, allerdings in späterer Zeit,
gerichteten Brief schließen, wo das Ringen um das
Ideal seiner Kunst näher charakterisiert wird. „Eine
weitere Schwierigkeit", sagt er da u. a., „stellte sich
mit der Verschiedenheit der Aufträge ein, welche mir
die Vorsehung zukommen ließ. In Deutschland musste
ich Deutscher sein, in Italien wollte man mich als
Italiener haben. Hiezu kam noch die Verschiedenheit
der Orte und Plätze, wo ich zu malen hatte, sowie
die differierenden Ansichten der Auftraggeber und
aller derjenigen, welche mitzureden hatten. Oft war
ich in der Lage, gleichzeitig romanisch und byzan-
tinisch zu malen, Renaissance oder Gotisch nachzu-
 
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