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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Münzel, Gustav: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0062

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Münzel, Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister

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führung trocken und schematisch, am besten gelungen
ist davon die innere Einteilung des Schreins. Da-
gegen wirkt der Altar in seinem Gesamtaufbau nicht
ungünstig; Form der Predella und Größe des Schreins
stimmen gut zusammen, und hier ist, anders wie beim
Wydyz-Altar, auch ein richtiges Verhältnis zwischen
Skulpturengruppe und Größe des Schreins vor-
handen.

Die aus dem alten Anna-Altar übernommene
Schreinsgruppe hat fünf Figuren. In der Mitte sitzen
Maria und Mutter Anna nebeneinander auf einer
Bank, zwischen ihnen ist das Kind, das von Maria
zur Mutter Anna hinüberstrebt. Links und rechts
von ihnen stehen Joseph und Joachim und schauen
auf die Gruppe nieder. Die Mittelgruppe wurde,
um sie gegenüber den beiden Standfiguren zu er-
höhen, von Glänz auf einen 14 cm hohen, mit vier
Fialen besetzten Sockel gestellt. Da die Mittelgruppe
eines solchen Untersatzes tatsächlich bedarf, so muss
man annehmen, dass sie auch im alten Altar erhöht
gestanden hatte oder dass die Basis des Schreins in
der Mitte höher angelegt war als auf den Seiten.
Die Figuren sind aus Lindenholz geschnitzt. An der
Bankbreite gemessen ist die sitzende Gruppe 87 cm
breit und 88 cm hoch, die stehenden Figuren haben
118 cm. Aus der Darstellung Schreibers wissen wir,
dass die Figuren zu seiner Zeit noch nicht gefasst
waren. Sie wurden im Jahre 1827 gefasst, also
mehrere Jahre nach der Neuherstellung des Altars,
als Maler wird Vinzenz Hauser genannt. Wie die
Herstellung des Altars überhaupt, so wurde auch die
Fassung aus dem Vermächtnis des Prokurators
von Schwarz bestritten1. Die Bemalung in Ölfarben
hält sich im ganzen in einem gleichmäßigen dunklen
Braun bis auf die Gesichter, Hände und das Christus-

' In den Rechnungen über die Verwendung der Schwarz-
sehen Stiftung zum Jahre 1827 (Registratur der Münsterstiftungs-
verwaltung) werden dem Fassmaler Vinzenz Hauser für Fassung
des Anna- und des Heil.-Dreikönigaltars 960 fl ausgeworfen.
Weder hier noch in der Originalrechnung Hausers, die diesen
Verrechnungen beigelegt ist, werden die Figuren besonders er-
wähnt, aber trotzdem wird auch ihre Fassung von ihm her-
rühren. Allerdings findet sich bei der Skulpturengruppe des
Dreikönigaltars die Inschrift: Verg. d. Jos. Dom. Glänz 1823, die
ich in meiner Arbeit über den Dreikönigaltar (a. a. O. S. 13)
mit „vergoldet" usw. aufgelöst habe. Diese Auflösung scheint
mir heute nicht mehr stichhaltig. Ich nehme jetzt vielmehr
an, dass darin eine allerdings sehr unglückliche Abkürzung für
„vergrößert" zu verstehen ist. Diese Auflösung liegt deshalb
näher, weil in den Rechnungen der Schwarzsehen Stiftung zum
Jahre 1823 auch von einer Erhöhung des Dreikönigaltars die
Rede ist und weil diese Bezeichnung „vergrößert" die Tätigkeit
von Glänz an diesem Altar auch treffender wiedergibt. Da-
nach hätte also Hauser an beiden Altären die ganze Fassung
übernommen. — Über die Schwarzsehe Stiftung vgl. Engler und
Zell, Beiträge zur Geschichte der Münsterpfarrei in Frei-
, bürg i. Br., Freib. Diözesan-Archiv 24 (1895), S. 168 ff. Über
den Prokurator von Schwarz selbst vgl. Jäger, Varia S. 279 ff.
Freihurgei' Münsterbläfter X, 2.

kind, die den Inkarnatton haben, die Haare von
Joachim und Joseph, die grauschwarz sind, und den
vergoldeten Deckel des Buches, das Joachim hält.
Durch den gleichmäßigen Anstrich aller Gewänder
hat man bei der Skulpturengruppe gar nicht den
Eindruck einer wirklichen Bemalung, sondern die
Fassung wirkt eintönig und etwas stumpf. Das In-
karnat der Figuren ist ziemlich hart, die Augen-
brauen von Maria sind so hoch angelegt, dass das
Gesicht dadurch einen ganz fremden Zug erhält. Es
wäre wohl möglich, dass der Ölanstrich gemacht
wurde, um die vom Wurm zerfressenen Figuren zu
tränken und dadurch zu schützen, wie wir dies vom
Locherer Altar wissen2, und dass man den bis auf
die oben erwähnten Ausnahmen gleichmäßigen braunen
Anstrich wählte, um den Charakter des Holztons
beizubehalten. Wohl sicher von Glänz ergänzt sind
die linke Hand der Mutter Anna und die linke Hand
des Christuskindes. Erkennbar sind außerdem keine
Ergänzungen; ob nicht noch weitere vorliegen, kann
bei dem Ölanstrich der Figuren nicht festgestellt
werden. Joachim muss in seiner rechten Hand ihrer
Haltung nach einen Stock getragen haben, den Glänz
wegließ, weil wegen des neuen Untersatzes kein
Platz mehr für ihn war. (Abbild. 2 und 3.)

Wir haben es hier mit einer Anna-Darstellung
zu tun, die die Grenze zwischen einer Anna-Selbdritt-
und einer Sippendarstellung schon überschritten hat3.
Der Übergang vom Selbdritt- zum Sippenbild be-
deutet zugleich ein Zurückdrängen des symbolischen
Gehalts gegenüber der genrehaften Darstellung.
Rein symbolisch dem Gedanken nach ist die Dar-
stellung der Mutter Anna, die Maria und Christus
beide als Kinder bei sich hat. Der zeitliche Ablauf
der drei Generationen tritt dabei ganz zurück, die
Mutter Anna erscheint lediglich als Ursprung der
beiden folgenden Generationen, die das Heil ge-
bracht haben1. Ihre sehr häufige Darstellung zeigt

- Jäger, Varia a. a. O. S. 285. Der Locherer Altar ist

vollständig mit einem gleichmäßigen Ölanstrich versehen.

3 Über Kultus und Bilder der hl. Anna vgl. die bei Sauer,
Selbdrittbilder in Buchbergers Kirchl. Handlexikon 2 (München
1912), Sp. 203839 angeführte Literatur. Dieser sei noch an-
gefügt die bei Menzel, Christi. Symbolik 1 (Regensburg 1854),
62 ff. erwähnten Schriften. Weiter die als Beitrag zum St.-Anna-
Kult im Franziskanerorden erschienene Abhandlung von Beda
Kleinschmidt: Die St. Anna Selbdritt im Franziskanerkloster zu
Dorsten (Beiträge zur Gesch. der Sächsischen Franziskaner-
provinz vom hl. Kreuze 1 [1908], 26 ff.). Schließlich sei noch
hingewiesen auf einen Aufsatz: Bildl. Darstellungen der hl. Jung-
frau und ihrer Mutter der hl. Anna {Christi. Kunstbl., Frei-
burg i. B. 1870, Nr. 98). Dort wird auch die eigenartige sym-
bolische Vermutung eines Dr. Schmidt mitgeteilt, wonach durch
die hl. Anna auf dem Throne das ideale Judentum und durch
die Darstellung Marias als Kind das anbrechende Christentum
bezeichnet werde.

1 Weil dabei Maria als das Silber und Christus als das
Gold aufgefasst wird, bedeutet Mutter Anna gewissermaßen das

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