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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Münzel, Gustav: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0078

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Miinzel, Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister

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lität verschiedene eigentümliche seelische Bewegtheit
verleiht. Damit ist auch die Frage nach der Inner-
lichkeit seiner Gestalten beantwortet. Was diese Fi-
guren zeigen, ist nicht die einfache stille Innerlich-
keit, wie sie uns so oft in den Werken der Spät-
gotik enlgegentritt. Aber ganz gewiss sind sie Träger
starken wirklichen Lebens1. Und dass dabei auch
der metaphysische Zug nicht fehlt, das wird man
angesichts der transszendenten Haltung von Gott
Vater im Hochaltar zu Breisach nicht verkennen
können. —

Wenn der Anna-Altar im Münster den gleichen
Meister mit dem Hochaltar in Breisach hat, dann ist
uns, wenn nicht dessen ganzer Name, so doch wenig-
stens sein Monogramm bekannt. Wie erwähnt, findet
sich dieses mit den Buchstaben H. L. an dem Altar
selbst angebracht. Zur Auflösung dieses Monogramms
sind verschiedene Versuche gemacht worden. Am
häufigsten wird der Meister Hans Liefrink genannt.
Die Beiziehung dieses Namens geht auf Grieshaber
zurück, der das Verdienst hat, es zum ersten Male
unternommen zu haben, den Altar ausführlich zu be-
schreiben und zu würdigen'2. Allein der Grund für
die Nennung des Namens Liefrink bei Grieshaber
besteht in nichts anderem, als dass in der Geschichte
der Holzschneidekunst von Heller bei dem Mono-
gramm H. L. dieser Name aufgeführt ist3. Mit dieser
Erklärung des Monogramms haben wir es mit einem

1 Münzenberger-Beissel, Zur Kenntnis und Würdigung der
mittelalterlichen Altäre Deutschlands 2 (Frankfurt 1905), S. 94,
die in der Hauptsache das Urteil von D(ieppel?) in den Christlichen
Kunstblättern reproduzieren, betonen den Zug des Suchens,
Staunens und der Verwunderung in den Gesichtern. — von Bezold
a. a. O. hebt hervor, daß der Künstler „weiß, den Köpfen starken
geistigen Ausdruck zu geben", ohne sich über die Art dieses
Ausdrucks weiter auszusprechen.

- In der kurzen Erwähnung des Altars bei J. B Kolb, Hist.
statistisch-topographisches Lexikon von Baden 1 (Karlsruhe 1813)
bei dem Artikel „Breisach", S. 151, ist weder das Monogramm
noch irgend ein Name erwähnt. Grieshabers Aufsatz: Der Hoch-
altar im Münster zu Breisach, erschien 1833 in Schorns Kunst-
blatt Nr. 9 und 11. In dem gleichen Jahr wurde er separat in
Rastatt gedruckt. Später nahm ihn Grieshaber auch in seine
Sammlung: Vaterländisches aus dem Gebiete der Literatur, der
Kunst und des Lebens (Rastatt 1842) auf. Die Unterschiede
dieser verschiedenen Ausgaben sind nicht nennenswert. Im
wesentlichen gibt Grieshaber eine von dem Werke begeisterte
Beschreibung des Altars. Dagegen sind in dem Abdruck der
Grieshaberschen Abhandlung in der Zeitschrift „Christi. Kunst-
blätter" 1870, Nr. 99 und 100 kritische Bemerkungen vom Stand-
punkte der religiösen Kunst aus angeschlossen von dem er-
wähnten Dlieppel?). — Auf S. 7 der Rastatter Ausgabe steht:
„Auf einem der letztern (Psalterien) steht die Jahreszahl 1526,
wahrscheinlich das Jahr der Vollendung des Altars. Ein anderer
Engel hält, unten am Fuße zwischen Christus und Maria, ein
Täfelchen mit dem Namen des Meisters H. L." Diese Mit-
teilung ist besonders wichtig, weil sie vor der Restauration des
Altars im Jahr 1838 geschrieben wurde.

3 Bamberg 1823 S. 172—173. Heller weiß nichts von
Bildhauerarbeiten Hans Liefrinks, ganz zu geschweigen von
einer Tätigkeit Liefrinks am Breisacher Altar.

Freiburger Münsterblätttr X, 2.

ersten Versuch zu tun, dem alle Unterlagen fehlen.
Der niederländische Maler, Kupferstecher und Form-
schneider Hans Liefrink aus Leyden, der um 1540
bis 1580 in Antwerpen lebte und von dem keine
Bildhauerarbeiten bekannt sind, kommt aus örtlichen,
zeitlichen und stilistischen Gründen für die Arbeit
am Breisacher Altar überhaupt nicht in Betracht.
Es ist eine wahre Ironie des Schicksals, dass dieser
Mann, von dessen Blättern Nagler sagt „sehr sorg-
fältig gestochen, aber in trockener Manier"4, mit
einem Werk in Verbindung gebracht wurde, das zu
dem Wildesten gehört, was die deutsche Plastik be-
sitzt5.

Nicht besser steht es mit dem-zweiten Namen,
den Grieshaber zur Erklärung des Monogramms
heranzieht. Es ist Hans Leykmann, Maler in Kolmar,
ein Schüler Schongauers. Von ihm ist nur bekannt,
dass er Maler war, zudem scheint er überhaupt nicht
über das 15. Jahrhundert hinaus gelebt zu haben6.

Als weiterer Name, der mit Beziehung auf den
Altar genannt wird, erscheint Hans Lützelberger7.

1 Nagler, Neues allgem. Künstlerlexikon 7 (München 1839),
S. 513.

5 Es geht ganz zweifellos aus der erwähnten Art der Aus-
führung hervor, dass Grieshaber den Namen Hans Liefrink zu-
erst mit dem Altar in Verbindung gebracht hat, außerdem sagt
er noch ausdrücklich, dass weder Urkundliches über den Mei-
ster in Breisach vorhanden sei, noch auch mündliche Über-
lieferungen darüber bestünden. Trotzdem haben Tradition, Sage
und Dichtung, offenbar an die Grieshabersche Nennung des
Namens, die von Rosmann und Ens in ihrer Geschichte der Stadt
Breisach (Freiburg i. Br. 1851, S. 308 f.) wiederholt wird, sich
anlehnend, mittlerweile diesen Namen fest mit dem Altare ver-
knüpft. Auch Kraus, Badische Kunstdenkmäler VI, 1 S. 60, hält
an dem Namen Hans Liefrink fest, entweder daß darunter der
bekannte Künstler dieses Namens oder ein anderes Mitglied die-
ser Familie zu verstehen sei. Wir haben hier ein interessantes
Beispiel einer Sagenbildung in neuerer Zeit und dafür, wie eine
so junge Überlieferung mit dem Anschein hohen Alters auftreten
kann. Gleichwohl hat Rosenberg die Sachlage verkannt und die
volle Abhängigkeit der Sage von Grieshaber übersehen. Die Tat-
sache, dass nirgendwo vor Grieshaber der Name Liefrink mit dem
Altar in Verbindung gebracht wird, was ja Grieshaber für seinen
Teil ausdrücklich bestätigt, und die ganze zögernde, lediglich
auf Hellers Erwähnung eines Formschneiders Hans Liefrink bei
dem Monogramm H. L. gestützte Art seiner Einführung dieses
Namens bei Grieshaber lassen diese Abhängigkeit als völlig
sicher erscheinen. Die Sage ist also nicht alt und enthält auch
nicht manches Wahre, wie Rosenberg meint (Rosenberg, Hoch-
altar von Breisach S. 53 ff.). Der Name Hans Liefrink, den
Rosenberg beibehalten möchte, sei es, dass darunter der in der
Kunstgeschichte bekannte Träger dieses Namens oder ein an-
deres gleichnamiges Mitglied dieser niederländischen Künstler-
familie zu suchen sei (Rosenberg a. a. O. S. 67), muss völlig
ausscheiden.

6 Schon der genannte D(ieppel?) in den Christlichen Kunst-
blättern a. a O. S. 106 hält diesen Namen für zweifelhaft. Ent-
schieden weist ihn zurück: Gerard, Les artistes de l'Alsace II
(Paris 1873), p. 335 ff. Auch die weitere Meinung Grieshabers,
dass der Meister des Altars vielleicht unter den Künstlern im
Elsass, in Colmar oder Straßburg zu suchen sei, hat nach Gerard
keine Stütze in den überlieferten Namen.

7 So nennt ihn nach Ablehnung der beiden andern Namen

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