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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 10.1914

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Münzel, Gustav: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.2546#0079
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Münzel, Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister

Allein auch dieser Künstler kann dafür nicht in Be-
tracht kommen. Der feine subtile Holzschnittmeister
ist lediglich als Formschneider bekannt, höchstens
war er noch als Medailleur tätig. Er hat einen
künstlerisch vom Breisacher Altar ganz abweichenden
Charakter und zudem ist bei ihm keine Beziehung
zu Freiburg i. Br. nachweisbar '.

Die weitere Vermutung, dass Hans Leinberger,
der große bayerische Bildhauer, auch hinter dem
Monogramm H. L. des Breisacher Altars verborgen
sei, wie sie von Bezold geäußert hat, nimmt dieser
an der gleichen Stelle wieder zurück2. Trotz mancher
Ähnlichkeiten erscheinen ihm, wie er andeutet, die
stilistischen Verschiedenheiten unter den vergliche-
nen Werken für einen Meister doch zu groß. In
der Tat sind beide Meister sehr verschieden. Beide,
der letzten Phase der Gotik angehörend, betonen in
der Plastik das malerische und dekorative Element.
Beiden ist gemeinsam ein eigenartiger Wechsel in
der Gewandbildung, sie verwenden sowohl die an-
klebenden Falten, die ring- oder reifenförmige dünne
Fältelung bei anliegender Gewandung wie die weit-
gebauschten Gewänder mit großen Stoffmassen und
tiefen, schweren Falten. Es ist nun sehr interessant,
den trotz dieser Ähnlichkeiten vorhandenen stilisti-
schen Unterschied zu beobachten. Dem Breisacher
Meister fehlt eine bestimmte, charakteristische Falten-
gebung des bayerischen Künstlers: die vorstehenden,
muldenförmigen, übereinander angeordneten Gewand-
falten, die miteinander durch ein kleines Falten-
geriesel verbunden sind. Anderseits hat der baye-
rische Meister die ausgesprochene Vorliebe des
oberrheinischen Bildhauers für die Schleifen- und
Knotenbildung nicht. Wie schon hervorgehoben,
charakterisieren gerade diese bis ins Groteske und
Wildphantastische getriebenen Bildungen dessen
künstlerische Persönlichkeit, die darin wie in ihrer
sonstigen Phantastik bis zum Unorganischen geht.
Dagegen behält Leinbergers Formgebung stets einen
stark realistischen Einschlag bei. Dass die beiden
Künstler nicht identisch sind, dafür bedarf es aber
gar nicht der Heraushebung dieser instruktiven sti-
listischen Unterschiede, da der bayerische Meister
urkundlich in der gleichen Zeit, da der oberrheinische

vermutungsweise Gerard a. a. O. S. 338. Auch bei Rosmann
und Ens a a. O. wird der Name erwähnt.

1 Vgl. Nagler, Neues allgem. Künstlerlexikon 8 (Mün-
chen 1839), S. 104 ff. — His, Die Basler Archive über Hans
Holbein d. J , seine Familie und einige zu ihm in Beziehung
stehende Zeitgenossen, Abschnitt 4 in Jahrbücher für Kunst-
wissenschaft 3 (1870), S. 164 f. - H. A. Schmid, Holbeins
Tätigkeit für die Basler Verleger. Jahrb. der Preuß. Kunst-
sammlungen 20 (1899) S. 246 ff.

2 von Bezold a. a O. im Anzeiger des Germanischen Natio-
nalmuseums.

Künstler seine Werke schuf, für die Gegend von
Landshut festgelegt ist3.

Endlich haben Passavant und Nagler als Meister
des Breisacher Altars den Maler und Graphiker Hans
Leu in Vorschlag gebracht. Der Zusammenstellung
seines graphischen Werkes schließen sie auch diesen
Altar als seine Arbeit an'. Und diese Annahme
scheint eine ganz ungeahnte Bestätigung von anderer
Seite her zu erhalten. Wenn der Anna-Altar im Frei-
burger Münster und der Breisacher Altar einen Meister
haben, so müssen die Anhaltspunkte, die der Brei-
sacher Altar mit seinem Monogramm uns bietet, auch
zu dem Versuche dienen, im Umweg über Freiburg
und den Anna-Altar den vollen Namen des Meisters
zu erhalten. Wie erwähnt, ist eine direkte Nachricht
über den Anna-Altar-Meister nicht erhalten oder
wenigstens nicht bekannt. Ist aber der Breisacher
Meister und der Anna-Altar-Meister eine Person,
so besteht die Hoffnung, mit Hilfe der Initialen
H. L. seinem Namen in den Freiburger Innungslisten
auf die Spur zu kommen. Leider ist nun das archi-
valische Material der in Frage kommenden Zeit nur
sehr lückenhaft erhalten. Die Steuerbücher der
Stadt fehlen von 1509 bis 1518 einschließlich, ebenso
die Abzugsreverse von 1513 bis 1526. So ist es also
unmöglich, zu den Jahren 1514 oder 1515, die wir
als Entstehungszeit des Anna-Altars kennen gelernt
haben, in den Registern unter der Malerzunft, zu der
auch neben andern Berufen die Bildhauer zählen,
nachzusehen, ob ein mit den Initialen H. L. be-
ginnender Name vorkommt oder ob etwa nach dieser
Zeit ein solcher Zünftiger abgewandert ist. Das zeit-
lich nächste Steuerbuch von 1519 enthält nun unter
den Malern einen mit H. L. beginnenden Namen
und zwar nur einen einzigen, und dieser Name lautet
Hans Loy. Im folgenden Jahr 1520 findet sich der
Name mit dem gleichen Steuersatz von 4 ß wieder,
dabei steht der Zusatz: ist hinweg. Der Name trägt
keine nähere Berufsbezeichnung. Das Fehlen einer
solchen beweist aber nichts dagegen, dass der Mann
Bildhauer gewesen sein kann. In beiden Listen wird
unter den vielen Namen nur einer' mit dieser Be-
zeichnung aufgeführt und dessen Zuname wird dafür
weggelassen, so dass der Zusatz in der Art eines
Eigennamens gebraucht wird; es ist der vielbeschäf-
tigte Theodosius Bildhauer, dessen Zuname „Kauf-
mann" fehlt. Wir wissen auch von mehreren andern

3 Vgl. über Hans Leinberger den Aufsatz von Georg
Habich, Hans Leinberger, der Meister des Moosburger Altars.
München, Münchner Jahrb. der bildenden Kunst 1 (1906), S. 113 ff.
Hans Loßnitzer, Hans Leinberger. 18. Veröffentlichung der
graphischen Gesellschaft. Berlin 1913, mit weiterer Literatur
S. 3.

' Passavant, Le Peintre-Graveur III (Leipzig 1862), p. 337
Nagler, Die Monogrammisten 3 (München 1863), S. 448 f.
 
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