Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 52.1929

DOI Artikel:
Musper, Theodor: Carl Alexander Simon: (Ein vergessener Maler der Spätromantik)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6344#0033
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CARL ALEXANDER SIMON

(EIN VERGESSENER MALER DER SPÄTROMANTIK).

Das Schicksal des Mannes, von dem im folgenden die Rede sein soll und das in mancher
Beziehung typisch genannt werden kann, wäre besiegelt gewesen, auch wenn zu der divergenten
inneren Anlage nicht eine Kette von äußerem Unglück gekommen, auch wenn die Zeit selbst nicht
in eine entscheidende Krisis eingetreten wäre, die die seitherigen Vorstellungen des geistigen
Lebens von Grund auf geändert hätte. Das Verhängnis Carl Alexander Simons lag tief in seiner
Natur begründet: in seiner Vielseitigkeit und dem Mangel einer einseitigen, aber starken Begabung.
Ein Feuergeist mit geheimnisvoll brütenden Augen, dessen Kopf uns von zwei Selbstbildnissen
nicht unbekannt ist, war Simon nicht allein Maler, sondern Dichter, Schriftsteller, Historiker, Kritiker,
Philosoph, Politiker, Volkswirtschaftler, Revolutionär. Aber auf kaum einem Gebiet gelang es ihm,
zu einem wirklichen Resultat zu gelangen. Sein glühender Idealismus brachte ihn in einen ununter-
brochenen Kampf mit der Umwelt, in dem er unterliegen mußte. Sein Talent war nicht bedeutend
genug, um ihm genügende Rückendeckung zu verschaffen.

Es gibt indessen ein Werk von dem Maler Simon, das verdient, nicht ganz in Vergessenheit
zu geraten, und in dem sein Wesen sich rein ausspricht: es sind die Arabesken zu Wielands Oberon
im Schlosse zu Weimar, die in den Jahren vor 1840 entstanden und den ungeteilten Beifall der
Zeitgenossen fanden. Der sprudelnde Reichtum, der märchenhafte Charakter der Erfindung, die
geniale Leichtigkeit in der Handhabung der symbolischen Arabeske lassen sie neben dem Besten
der Zeit bestehen. Schon Nagler spricht von einem dem M. v. Schwind verwandten Talent und auch
heute, wo wir weiter denn je von solcher Kunst entfernt sind, mag es sich verlohnen, einmal den
feinverschlungenen Gedankenbahnen nachzugehen, denen ein solches Werk die Existenz verdankt
und in denen die Allegorie zur verständlichen Form wird.

Zunächst aber ein paar Worte über das Leben Simons. Sowohl über seinen Namen1 wie seine Her-
kunft herrscht Unklarheit, und sein Schicksal ist fast völlig im Dunkeln geblieben. Viele halten ihn für
einen Schwaben,2 einen weiteren Irrtum hat er selbst heraufbeschworen, indem er eine kleine
Novelle folgendermaßen beginnen ließ: »Ich bin geboren in Cunersdorff, wo mein Vater Pfarrer
war. Er hieß Simon usw.« All das wie wohl auch seine Abstammung von einer aus Polen ent-
flohenen Adeligen, die ihm ein Kästchen mit Juwelen und einen Zettel »an Sohn Michal« hinter-
ließ, gehört in das Reich der Fabel. Tatsächlich ist er laut Eintrag im Taufregister des Küsteramts
St. Marien in Frankfurt a. d. Oder geboren worden am 4. November 18053 als Sohn des Kreis- und
Stadtchirurgus Johann Gottfried Simon und getauft am 18. Dezember auf Carl Wilhelm Alexander. Das
heimische Gymnasium muß er mit sehr gutem Erfolg besucht haben, denn noch lange nachher stehen
ihm die alten Sprachen ohne weiteres zur Verfügung, so daß er später etymologische Untersuchungen
allerdings nicht ohne Ironie und politische Tendenz anstellen und unter anderem die Geschichte
des Pferdes »Historothetepietisticodikekatapatese« und seine Wiederbelebungsversuche durch Böckh
und andere Mitglieder der Nationalversammlung (eine Ironisierung der letzteren) in witzigem Deutsch-
latein verfassen kann. Seine weitere Ausbildung erhielt er in Berlin, wo er nicht allein die Akademie

IThieme-Becker führen ihn unter dem Namen Carl Alexander, wie er gelegentlich signierte. — 2 So Müller-Singer und Nagler. — 3 Nicht 1810.

23
 
Annotationen