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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 55.1932

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Réthi, Lili: Technische Großbaustellen 1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.6347#0068
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Lili Rethi, Schluchseesperre.

Zeichnung.

TECHNISCHE GROSSBAUSTELLEN 1931.

Nicht die der Natur eingeordneten technischen Bauwerke sollten den bildenden Künstler
unseres Jahrhunderts zur Darstellung herausfordern, sondern das Werden dieser technischen Riesen.
Aus der vagen Vorstellung »Terrain«, das für mich den Inbegriff von Baugelände bedeutet, jenem
beängstigenden Durcheinander von gesprengtem Fels, ausgebaggerten Tälern und verschütteten
Schluchten, jenem scheinbar unlogischen Nebeneinander von ungeheuren Baugruben mit Gerüsten
und Pfeilern, mit Riesenbetonflächen und sich türmenden Werksgebäuden, entstand in mir die
unbändige Gier nach der Atmosphäre großer Baustellen. Ich wollte den Raum darstellen, den das
gestaltende Leben erfüllt, in dem sich in Monaten oder Jahren festumrissene technische Gebilde
erheben werden. Nicht die stabilen, feuer- und dampfspeienden, romantischen Industriefestungen
mit ihrem regelmäßigen, immer gleichbleibenden Arbeitsvorgang, sondern die Einmaligkeit jeder
Entwicklungsphase der Baustellen wollte ich festhalten.

Meine Einbildungskraft bemächtigte sich jener gigantischen Bauwerke, die — nicht mehr in
Europa, in dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten von heute — im Rußland der Sowjets ent-
stehen, wo man sich im Rahmen ihres Fünfjahrplans ein Bauprogramm von unerhörtem Ausmaß
vorgesetzt hat. Ich träumte davon, mich in Dnjeprostroj, der gewaltigsten Baugrube der Welt,

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