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Lili Rethi, Kanal Lüttich-Anhverpen. Zeichnung.

zeichnerisch ausleben zu können, aber die Einreise wurde mir verweigert. Aus dieser verschütteten
Hoffnung wuchs sogleich in mir der Plan, das was sich im Herzen von Europa zu technischen
Großwerken gestalteten seinem Werden zu erfassen, einen Querschnitt durch die modernsten großen
Bauwerke der Technik zu geben, die zugleich auch Zeugnis ablegen von dem Wissen und Können,
von der Energie deutscher Ingenieure.

Vom Plan zur Ausführung war mir wenig Zeit gegeben. Ich begab mich im keineswegs er-
hebenden Bewußtsein einer selbst auferlegten Pflicht auf die Reise,aber schon an der ersten Baustelle,
der Schluchseesperre im Schwarz wald, überfiel mich wieder jenes Fieber künstlerischer Gestaltungs-
lust, das mich seinerzeit, als ich die Photographien von Dnjeprostroj sah, befallen hatte. Die
Wirklichkeit war auch am Schluchseewerk phantastischer als alle Phantasie. Der Sprung aus dem
verworrenen Alltagslärm der Reichshauptstadt in die klare Stille des Bergdorfs schärfte die Sinne.
Nicht einen Augenblick unterlag ich der Vielfalt technischer Eindrücke. Auf glühend besonnter Berg-
straße entstand — erste Auseinandersetzung — ein Überblick über die gesamte Baugrube. Man
forderte — wie überall — meine Unterschrift unter einem Revers, in dem ich zu erklären hatte,
mich auf dem ganzen Gebiet der Baugrube nur auf eigene Gefahr zu bewegen. Aber im Anblick
der Ungeheuerlichkeit dieser Baustelle, die man nicht beschreiben, ja nicht einmal in ihrem Ausmaß
und ihrer Eindringlichkeit graphisch darstellen kann, vergaß ich jede Gefahr, stürzte mich ohne
Besinnen in die Arbeit, schaute, zeichnete und bemerkte nicht im mindesten den Landjäger, der

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