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Lili Rethi, Wehrbau Kembs am Oberrhein.

Zeichnung.

schon die längste Zeit scharf beobachtend hinter mir stand, um endlich umständlich, aber vorschrifts-
mäßig meiner Arbeit Halt zu gebieten und dann ein umfassendes, sich bis auf meines Vaters Vor-
namen erstreckendes Protokoll aufzunehmen. Aber das waren nur kleine Hemmungen. Ich war ja
gut empfohlen, und die Bauleitungen waren überall stolz darauf, daß dargestellt wird, was sie
schaffen, während sie es schaffen, denn nur da wird einem die Kraft menschlichen Wollens klar.
Unfaßbar Raum und Tiefe ins Gestein hinein, wo die Menschen winzig erscheinen, ihre durch den
Arbeitsgang vorgeschriebene Bewegung dem regellosen Gewimmel der Ameisen gleicht. Man
bedenke, daß die Höhe der Sperrmauer an der ersten Stufe des Schluchseewerks 60 Meter betragen
und daß sie ungegliedert über 200 Meter lang von einer Talwand zur andern reichen wird. 17 Bilder
vom Bau des Schluchseewerkes entstanden in der infernalischen Hitze dieses Frühsommers. Und
doch schien mir nichts so köstlich zu hören wie das Gekreisch der Winden, das Stampfen der
Bagger, das Knattern der Mischer und das Rasseln der Ketten, ja ich empfand den Staub nicht
lästig und war beglückt von dem Schwanken der hohen Gerüste, auf denen ich arbeiten mußte.
Zuletzt zeichnete ich eine Gesamtansicht der großen Sperrmauer mit dem See, der bald das ganze
Gebiet überschwemmen soll. Es wurde eben gesprengt, und die Blitze, die Rauchwolken und der
Donner mit seinem hundertfachen Echo brachten genug Unruhe hervor. Rechts über dem See, ganz
nahe von diesen Gewaltoperationen, lag ein sanfter Abhang im mildesten Abendsonnenlicht, ganz
zartgrün. Ich begriff, daß die Sonne lächeln kann, wenn Menschen versuchen, das Gesicht der Erde

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