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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 2.1937

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Kieslinger, Franz: Der Wiener Meister mit den Bandrollen um 1881, [1]
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Baldass, Ludwig: Die Zeichnung im Schaffen des Hieronymus Bosch und der Frühholländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6337#0054
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Kreuze (Abb. 6),1 ist offenbar nach spätgotischer Vorlage kopiert und erst durch den stilisti-
schen Zusammenhang mit den übrigen Blättern erkennbar. Dieselben lahmen Hintergrund-
Striche wie bei dem berittenen Paar und der unsinnige Architekturteil links. Endlich sah ich
noch ein doppelseitiges Blatt mit falschem Cranachmonogramm. Auf der einen Seite der hl.
Stephanus, auf der andern ein Mönchsheiliger mit Kruzifix. 2 Ferner gehört hierher die Nach-
zeichnung nach der Photographie eines Orgelflügels in Augsburg (s. Beiträge zur Augsburger
Kunst, Filser-Verlag, Bd. II, S. 356, Abb. 258). 3 Das Beiterpaar ist dem Cranachholzschnitt
von 1506 (B. 117, Sch. 127, D. 10, II) entlehnt und in ein unbestimmtes romantisches
15. Jahrhundert zurückentwickelt. Zur Vorsicht wurde es seitenverkehrt und mit opernhaften
Kostümen neu bekleidet. Sogar die beliebten Tapeziererarbeiten der achtziger Jahre bringen
sich an der Pferderüstung kurios in Erinnerung. Sonderbarerweise wächst dem verliebten
Beiter der Sporn wie einem Gockel aus der Ferse.

Außer diesen Blättern kenne ich endlich noch ein Pseudo-Dürerblatt auf der Bückseite
des Fragmentes einer Barockzeichnung.

Es sollte mich nicht wundern, wenn diese Zeilen noch andere, ähnlich verdächtige Blätter
zutage förderten.

LUDWIG BALDASS / DIE ZEICHNUNG IM SCHAFFEN DES
HIERONYMUS BOSCH UND DER FRÜHHOLLÄNDER^

3. Die erste Hälfte des XVI. Jahrhunderts

Im XVI. Jahrhundert spielt in der Geschichte der niederländischen Malerei die Zeichnung
eine bedeutend größere Bolle als im XV. Durch die vielen vom Maler geschaffenen Entwürfe
für Glasgemälde, Bildteppiche und Kupferstiche gewinnt sie nun eine neue Bedeutung. Dieser
Art ist ein Großteil der nun in den südlichen Niederlanden entstehenden Produktion, man
denke an die Zeichnungen von Aert Oetkens, Jan de Beer und Dirk Vellert, von Barend van
Orley und Peter Coecke, ja von Peter Bruegel. Die holländische Kunst nimmt an dieser Ent-
wicklung vor allem durch Glasscheibenrisse, die wir hier schon zu Ende des XV. Jahrhunderts
feststellen konnten, teil.

1 Maria unter dem Kreuze. Terrakottafarbig grundiertes Papier. Im selben Werk, Taf. 805. Inventar der Alber-
tina Nr. 3052. Größe 19-5 X 9 cm. Im Katalog der deutschen Zeichnungen Nr. 214 der Abbildungen. Die Zeichnung
ist heute aufgeklebt.

2 Sogenannter Lucas Cranach, jetzt im Wiener Handel. Beiderseitig graugrundiertes Papier.

:' Die Erfindung der Musik, Zeichnung nach dem Orgelflügel des Jörg Breu in Augsburg, St. Anna. Diese Fäl-
schung trägt die Signatur Altdorfer 1522. Größe 35-2 X 16-7 cm. Der Fälscher hat seine Zeichnung mit albernem
Cranachgekröse aufgeputzt. Die wuchtige Tafel, die bei dem Vorlagebilde schwebt, hat eine sehr komische Eisen-
stütze erhalten. Gott Vater wurde zu einem Wolkenknäuel verwandelt. Die bei Breu so kraftvollen Gesimse ver-
wandeln sich in den Tapeziererstil der Makartzeit. Diese Gesimse allein würden genügen, das Blatt zu verwerfen.
Man sehe etwa den falschen Lichteinfall links oben, wo unter dem Gesimse Licht statt Schatten sitzt.

Weiter die stotternden Parallelen des Hintergrundes, die die Verbindung zum Albertinablatt geben. Der un-
motivierte Stifter unten usw. Die Gegenüberstellung mit der Vorlage in den Augsburger Beiträgen genügt, es zu
vernichten.

P. S. Wir konnten in vielen Fällen wegen des heikein Themas nicht an die Besitzer herantreten, um das Papier
zu untersuchen. Es ist aber wohl in allen Fällen altes, ja leicht erlangbares Papier. Die Literatur der Blätter ver-
zeichnet kein Wasserzeichen. Übrigens sind sie ja manchmal aufgeklebt.

4 Schluß des Artikels auf S. 18 ff.

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