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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 2.1937

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Baldass, Ludwig: Die Zeichnung im Schaffen des Hieronymus Bosch und der Frühholländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6337#0055

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DES

Wirkliche Naturstudien, wie Dürer sie so zahlreich geschaffen
hat, kommen auch nach 1500 in den Niederlanden nur vereinzelt
vor. Es ist z. B. bezeichnend, daß Barend van Orley seine Natur-
aufnahmen aus der Brüsseler Umgebung in die Hintergründe
seiner Tapisserieentwürfe eingearbeitet hat. Vielleicht ist es kein
Zufall, daß sich uns keine vorbereitende, direkt vor der Natur
gezeichnete Studie seiner Hand erhalten hat. Nicht vor der hei-
mischen, vor der fremden Natur hat sich die niederländische Land-
schaftszeichnung als Naturaufnahme entwickelt, erst auf Reisen,
in Italien und im Heiligen Lande haben die Niederländer zuerst
bestimmte Ansichten graphisch festgehalten. Auch die Bildnis-
zeichnung als selbständige und als das Gemälde vorbereitende
Arbeit kommt verhältnismäßig spät auf. Immerhin gewinnt die
Zeichnung immer mehr Bedeutung für die Maler. Neben Stu-
dienblättern begegnen wir nun schon häufiger Kompositionszeich-
nungen, bei denen sich die Künstler über einen Bildgedanken
oder über einen charakteristischen Teil desselben Rechenschaft
zu geben suchen.

Eigentliche Studienblätter, wie sie in Deutschland seit den
Zeichnungen des Rogierschülers Martin Schongauer gang und gebe
geworden sind, hat in den südlichen Niederlanden als erster Gerard
David gezeichnet. Aber auch bei David ist die Frage, ob ein Blatt
wirklich als Originalzeichnung, beziehungsweise als Entwurf zu
werten ist, nicht immer eindeutig zu beantworten. So bewahrt
die Sammlung Koenigs in Rotterdam die schöne und qualität-
volle weißgehöhte Federzeichnung auf braun grundiertem Papier
(ca. 22 : 8*2 cm) eines betenden Christus (Abb. 9), die offensicht-
lich mit jenem späten, heute verschollenen Ölbergbild des Meisters

zusammenhängt, auf welches die Werkstattwiederholung im Straßburger Museum zurückgeht.
Die Technik der Christuszeichnung ist eine ganz andere als die der eigentlichen Studienblätter
Davids. Ein Schluß von diesen auf jene ist also nicht möglich. Die Frage nach der Eigen-
händigkeit muß daher wie so häufig noch offenbleiben.

In Holland finden wir solche Kompositionszeichnungen vor allem bei Jacob Cornelisz van
Amsterdam. Auf der Ausstellung fiel aus der Reihe der ihm mit Recht zugeschriebenen Blätter
nur die schöne Federzeichnung des Kopenhagener Kabinetts mit dem Drachenkampf des
hl. Georg (Nr. 30) heraus. Sie ist aus dem gezeichneten Werk des Jacob Cornelisz ebenso aus-
zuscheiden wie das ungefähr gleichzeitige Kasseler Bild von 1507 mit Christus als Gärtner
aus seinem gemalten.

Die Komposition des Blattes erinnert an frühe Holzschnitte des Meisters, aber der
Strich ist so viel hastiger und nervöser, daß hier doch wohl Steinbart1 Recht zu geben
ist, der das Blatt einem anonymen holländischen Künstler um 1510 zuteilt. Von dem gleichen
Gefolgsmann des Jacob Cornelisz stammt die schöne Federzeichnung des Berliner Kabinetts
mit Christus vor Pilatus.2 Eine kunstgeschichtlich sehr interessante Erscheinung ist dann
der sogenannte Meister des Berliner Skizzenbuches. Wir würden das große Berliner Blatt

1 Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, V (1929), S. 7. Eine bessere Abb. bei Popham, Old Master
Drawings, I, 1926, Nr. 3.

2 Berliner Katalog Nr. 5415, T. 7. Von Winkler in Old Master Drawings dem Jacob Cornelisz zugeschrieben.

9. Gerard David, Betender Chri-
stus. Rotterdam, Slg. Koenigs

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