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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 2.1937

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Tietze-Conrat, Erika: Zwei venezianische Zeichnungen der Albertina
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https://doi.org/10.11588/diglit.6337#0092

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E. TIETZE-CONRAT / ZWEI VENEZIANISCHE ZEICHNUNGEN

DER ALBERTINA

Die Rötelzeichnung (Höhe 156 mm, Breite 118 mm) auf Seite 87 (Abb. 1) befindet sich in
der Albertina, sie wurde von Wickhoff Gerolamo Romanino zugeschrieben und als solche in
den Katalog von A. Stix und L. Fröhlich-Bum aufgenommen (Nr. 53 auf S. 37). Fischel hatte
an Paris Bordone gedacht. Der Typus des schneidigen und dennoch sentimentalen Kavaliers
mit Federhut findet sich öfters auf Malereien Romaninos. In der Tat ist das Blatt aber weder
von Bordone noch von Romanino, sondern von Pordenone, eine Studie von 1520 für den
prächtigen Reiter auf der Kreuzigung im Dom von Cremona (Abb. 2). Jedes Detail des Kostüms
ging in die Ausführung hinüber, nur der Gesichtsausdruck wurde ein wenig ins Rohe verändert.
Pordenone hatte den Auftrag für die Ausmalung der drei letzten Wandfelder über dem Bogen
des Mittelschiffes am 2. August 1520 bekommen und das erste Feld schon am 9. Oktober des-
selben Jahres beendet. Unmittelbar vor ihm hatte Romanino das vierte und fünfte Feld ge-
malt, doch waren die Auftraggeber mit seiner Arbeit unzufrieden gewesen, so daß sie ihm erst
nach langem Streit drei Jahre später bezahlt wurde.

Im Louvre existiert eine andere Rötelzeichnung zu derselben Figur, die Hadeln als Nr. 41
in seinem Band „Zeichnungen der Hochrenaissance" (Berlin) unter den Pordenonezeichnungen
veröffentlichte, ohne den Zusammenhang mit dem Fresko in Cremona zu erkennen. Es ist ein
früher Entwurf, flüchtiger als das Blatt der Albertina; das Gesicht unter dem Federhut zeigt
eine andere Drehung, ist auch nur angedeutet, aber die charakteristische Stellung der rechten
Hand — die auf der Zeichnung gerade ertastet wird — stellt die Beziehung zum Fresko eindeutig
fest. Ebenso das Pferd, wenn man auch nur die Croupe sieht; der nach links gedrehte Vorder-
leib mit dem Kopf sind bei der scharfen Scorzierung noch nicht dazugenommen.

Es gibt eine dritte Rötelzeichnung, in der Morgan Library in New York (Collection Pierpont
Morgan Drawings IV, 69), die richtig als Pordenone, aber wiederum, ohne daß die Beziehung
zum Kreuzigungsfresko in Cremona erkannt worden wäre, veröffentlicht wurde; sie skizziert die
Erfindung der linken Hälfte des Freskos und endet mit unserem Reiter, der hier nur entwurfs-
mäßig angedeutet wird.

Reiter mit Federhut auf dem Roß, von hinten gesehen in ihrer charakteristischen Placierung
neben dem Kreuz, sind aus Dürers Holzschnitt B. 11 herausentwickelt. Darf ich als Bekräfti-
gung dieser Abhängigkeit von Dürer auf ein Bild im Museum in Feltre hinweisen, das früher
Morto da Feltre zugeschrieben war, aber von Adolfo Venturi in seiner Storia dell'Arte Italiana,
vol. 9/III, p. 686, dem Pordenone gegeben wird? Es stellt eine Beweinung Christi dar, und zwar
in einer auffälligen und eindrucksvollen Komposition, über deren Originalität Venturi staunende
Worte fand. Ihre merkwürdige Wirkung stammt aber aus ihrer Verknüpfung der beiden
Hauptgruppen aus Dürers Holzschnitten B. 11 und B. 13; Dürers Maria, die danach zweimal
im Bilde vorkommt, wird bei dieser Adaptierung durch die Farbe der Kleider unterschieden.
Pordenones Zutat sind nur die den Hintergrund auffüllenden Kriegerköpfe mit den giorgionesk
das Licht spiegelnden Helmen. Wenn Venturis Datierung „spätestens um 1514" zutrifft, be-
weist sie das frühe Eindringen Dürerscher Vorlagen in Oberitalien.

Die von Hadeln Tafel 40 abgebildete Rötelzeichnung des „nach rechts eilenden Jünglings"
(Haarlem, Sammlung Königs) soll noch als die unbedingt sichere Studie zu der Figur rechts auf
demselben Fresko in Cremona in diesem Zusammenhang angeführt werden. Wir haben mit ihr
vier Zeichnungen Pordenones zu demselben Bild von 1520 erhalten. Man überlege: welche

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