Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZWOELFTES KAPITEL, m
DIE SCHRIFT, DER SATZ,
DAS PAPIER, mmmmms

~'eit ungefähr einem halben Jahrhundert sind die Bestrebungen für eine


o einheitliche, deutsche Orthographie und für eine einheitliche, nationale
Druckschrift im Fluss; sie haben aber bis heute noch zu keinem endgültig-
befriedigenden Resultat geführt. Unsere grössten und bedeutendsten Dichter
und Denker haben sich schon mit dieser Frage beschäftigt und auf den
gegensätzlichen Zwiespalt zwischen deutscher Schreibschrift und Druckschrift
und auf den völlig unphonetischen Charakter der deutschen Orthographie hin-
gewiesen; manche von ihnen, u. a. Klopstock, Bürger und Jakob Grimm, ver-
suchten gegen diese Missbräuche anzukämpfen, aber vergebens. Nicht allein
träge Gewohnheit steht allen derartigen Bemühungen als ein schlimmer Feind
gegenüber, sondern vor allem die unerhörte Schwierigkeit, einem einmal ein-
gelernten Setzerpersonal, das heutzutage in fliegender Eile arbeiten muss,
neue Regeln vorzuschreiben und neue Gewohnheiten beizubringen, und ferner
die bedeutenden Kosten, die der Schnitt und Guss neuer Typenformen er-
fordert. Wohl haben sich immer grössere Schriftgiessereien zur Herstellung
neuer Typen bereit gefunden; aber der Konsum neu entworfener Lettern,
deren Güte noch nicht praktisch erwiesen ist, beschränkt sich immer auf
einen engen Kreis grösserer Druckereien. Die Werkdruckereien der Provinz,
die zum Teil gerade sehr stark beschäftigt sind, auch gerade für grössere
Verlagshäuser, haben ihr Renommee sich durch billige Ausführung ihrer Druck-
arbeiten verschafft, die ihnen durch niedrig-e Lohnsätze und durch solide
Einfachheit und anspruchslose Schlichtheit möglich wird. Experimente mit
neuentworfenem Schriftmaterial liegen ihnen fern; sie verfügen meistens nur
über eine geringe Auswahl von verschiedenen Schriftkörpern, deren Charakter
einem vulgären Durchschnittsgeschmack angepasst, bedeutend nur in der
Quantität ist. Gegen diese traditionellen und noch dazu wirtschaftlich be-
gründeten Gewohnheiten anzukämpfen, erscheint fast als ein Unding.
Aber noch ein nicht zu unterschätzendes Hindernis liegt den Bestrebungen
für eine einheitliche deutsche Druckschrift im Wege: die Verworrenheit der
Begriffe über den Charakter der deutschen Schrift.
Man unterscheidet gemeiniglich zwischen deutscher und lateinischer Schrift
und meint damit die Fraktur und die Antiqua. Die Alldeutschen, aber auch
jeder gute Patriot und ferner diejenigen, die ihr höchstes Ideal in der boden-
ständigen Heimatskunst erblicken, treten für die Erhaltung der Frakturschrift
ein und ereifern sich für sie, in der sie eine nationale Eigentümlichkeit und
eine spezifisch deutsche Besonderheit erblicken wollen.
Wie die lateinische Sprache im frühesten Mittelalter eine Art Welt-
sprache war, vor allem aber die Gelehrtensprache, die ihre Verbreitung durch
die Kirche fand, also wurden auch die Schriftformen der lateinischen Ver-
kehrssprache durch die Klöster in Deutschland eingeführt. Abgesehen von
 
Annotationen