Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

DOI Artikel:
Plehn, A. L.: Das Bild als Kunst-Verglasung und als Wand-Teppich
DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Zweck u. Kunst im Theaterbau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0031
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Januar-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 17.

die altdeutschen Künstler taktmässig und häufig gewiss ohne
sich deutlich davon Rechenschaft zu geben, genau nach dieser
Richtschnur handelten. Es ist wahr, dass uns von den Fenstern
der Nürnberger Kirchen Dürers Madonnenbilder entgegen-
strahlen. Aber der Maassstab der Figuren ist so klein, sie
sind aus so vielen Glas-Scherben zusammengestückt und von
so reichem Beiwerk umwuchert, dass man sieht, wie Klarheit
der Komposition garnicht beabsichtigt war. Mit den alten
Wirkereien steht es genau so. Sie verschlingen bunte Farben,
und scheinen eine heimliche Freude gerade am Verstecken
des Bildes zu haben. Wie könnte auch sonst der Porträt-
maler auf den Gedanken kommen, seinen Modellen alte
Gobelins als Hintergrund zu geben, wenn diese nicht bescheiden
und ruhig als Fläche hinter dem Leben zurückträten, das
sich davor so wirksam abspielt. So tritt bei der Erwägung,
was sich für unseren Wohnraum schickt, jedesmal die Frage
entscheidend in den Vordergrund: was sich später vor oder
neben jedem Dekorations-Gegenstand zeigen wird. a. l. plehn.

ZWeck; u. Kunst im TBeaterbau.

Von Dr. Hans Schmidkunz.

In den letzten zwei Jahrzehnten haben einige verhäng-
nissvolle Brände öffentlicher Gebäude, besonders die
Katastrophen des Ringtheaters und des Stadttheaters zu
Wien, der Theater zu Riga und zu Barmen, des Wohlthätig-
keits-Bazars zu Paris u. a., unsere Aufmerksamkeit auf die
Hygiene solcher Bauten gelenkt, wenngleich noch nicht genug
erfolgreich. Jedenfalls ist damit eines der sozusagen heraus-
forderndsten Probleme der »hygienischen Reformbewegung«,
die ja seit Jahren einen besonderen Stolz unserer Zeit bildet,
der Theorie und Praxis vorgelegt. Gerade diese Angelegen-
heit jedoch erscheint in hervorragender Weise geeignet, eine
Klage zu begünstigen, die sich überhaupt gegenüber jener
Reformbewegung erhoben hat oder erheben kann.

Man wird sagen: was sein muss, muss freilich sein;
allein aufmerksam machen müssen wir doch, dass diese
hygienischen Bestrebungen ähnlich den technischen Fortschritten
unserer Zeit die künstlerischen Bestrebungen verdrängen
und uns —
Beispiele zu
der kräftigen
Bausteines die
des Eisensund
kunstreichen
ehemals die
Unterlagen
auf nöthigen;

um nur zwei
nennen — statt
Schönheit des
Unschönheit
statt der oft so
Teppiche von

nüchternen
aus Linoleum
und verlangen

H. van de Velde.

Schreib-Stuhl.

Henry van de Velde.

Elektrischer Wand-Leuchter.

können wir des-
wegen, dass an
der Seite der un-
bestrittenen hy-
gienischen Inter-
essen die Inter-
essen der Kunst
ebenfalls eine
Stelle finden.
Soll aus unseren
Theatern, Baza-
ren u. s. w. alles
Feuergefährliche
verbannt, sollen
sie in erster Linie

gesundheits-
sicher gebaut
werden mit all
den Nüchtern-
heiten der eiser-
nen Konstruk-
tionen und Vor-
hänge, des elek-
trischen Lichtes u. s. w., so mache man dies durch verdoppelte
Anstrengungen im Dienste der Schönheit wert.

Allein die Schönheit ist nicht vom Himmel gefallen,
vielmehr wächst sie auf der Erde und zwingt sich oft auf
dem steinigsten Boden empor. Selbst aus dem Eisen kann
sie als »Eisenstil« erstehen (wenngleich eiserne Abschlüsse
der Bühne durchaus nicht das Beste sein müssen), und das
elektrische Licht ist erstens nicht »kalt«, wie man manchmal
meint, wenn man die im Sinne des Malers so zu nennende
»Wärme« verschiedener Lichter vergleicht, begünstigt zweitens
all die an sich ja künstlerischen Bestrebungen, die man im
weitesten Sinne als »Hellmalerei« zusammenfassen könnte,
und bietet uns drittens die nur eben allzuoft übersehene
Gelegenheit dar, im Bau der Beleuchtungskörper etwas Ur-
sprüngliches auf Grund eben dieser Beleuchtungstechnik zu
schaffen. Dass in solcher Weise die Kunst nicht neben der
Hygiene einherzugehen braucht, sondern gerade in ihr einen
fruchtbaren, echt »modernen« Boden finden kann, das lässt
sich nun gerade auch im Anschluss an jene Baufrage zeigen.

Vergleichen wir zunächst im allgemeinen Bauten von
heute mit Bauten aus älterer Zeit, z. B. aus der Renaissance,
so bemerken wir neben anderen Verschiedenheiten auch die,
dass wir jetzt, kurz gesagt, offener bauen. Darunter ist
mehrfaches zu verstehen. Die griechischen ■ und römischen
Wohnhäuser waren insofern nach innen konzentrirt, als sich
ihre verschiedenen Theile um einen wie immer beschaffenen
Hof gruppirten, und als die Lichtöffnungen nicht oder nicht
so unmittelbar auf die Strasse gingen wie bei uns. Die
heutigen Wohnhäuser unserer Gegenden sind in mehrfachem
Sinne auf das Aeussere berechnet, schon in Folge des An-
einanderwohnens mehrerer Familien. Aehnlich ist es mit
öffentlichen Bauten welüicher wie gottesdienstlicher Art: an
die Stelle der geschlossenen Herrscherburg sind zugänglichere
Paläste und Amtshäuser gekommen, an die Stelle des alten,
möglichst geschlossenen Tempels, der dem Gott und den
Priestern gehörte, ist im allgemeinen das Versammlungs-Haus
der Gemeinde getreten, das gleichsam darauf angelegt ist,
die Welt mit offenen Armen zu empfangen.

Wir ersehen daraus zunächst dies: Die dabei voraus-
gesetzte Umwandlung der sozialen Verhältnisse wirkte als
ein Hauptfaktor kunstgeschichtlicher oder zunächst wenigstens
baugeschichtlicher Entwicklung. Wie es aber auch sonst geht,

1900. 1.3.
 
Annotationen