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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Schmidkunz, Hans: Zweck u. Kunst im Theaterbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0032

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

Henry van de Velde.

Buch-Decke.

hält eine in solcher Weise abgeleitete Entwicklung nicht
gleichen Schritt mit dem, was zu ihr drängt. Man baut jetzt
z. B. zwar gerne genügend gross für ein zahlreiches Publikum,
sorgt aber nicht immer hinreichend für alle die Bedürfnisse,
die ein solches Publikum mit sich bringt — beispielsweise
wird noch heute in vielen grossen Kirchen nicht geheizt. Im
Allgemeinen glauben wir nun behaupten' zu können, dass
gegenwärtig jenes »offene« Bauen, der Zug des Bauens nach
aussen (abgesehen von der »offenen Bauweise« im Sinne des
freien Zwischenraums zwischen Nachbarbauten), trotz mannig-
fachster Fortschritte noch immer nicht zur Genüge durch-
geführt ist, und dass auf diesen Mangel grösstentheils die
unglückseligen Theaterbrände u. dgl. zurückgehen. Unsere
verschiedenen Versammlungs-Gebäude gleichen noch immer in
allzu vielen Fällen alten Festungen, Raubschlössern, »Kam-
mern« im Sinne eines fürstlichen Regierungs-Raumes. Die
»Rechte der Oeffentlichkeit« sind hier nicht so wie in manchen
anderen Punkten gewahrt: irgend ein Theater oder Wohl-
thätigkeits-Bazar soll für das Volk da sein; thatsächlich aber
ist es manchmal so, als sei das Volk für jene Veranstaltung
da. Der Gedanke: »Wer zu uns kommen will, soll dies auf
sich nehmen!«,'entspricht unserer Zeit nicht mehr.

Nun ist man in dieser Beziehung seit den verschiedenen
technischen und wirthschaftlichen Aufschwüngen der [letzten
Jahrzehnte immerhin vorwärts geschritten. Wir besitzen be-
reits 'zahlreiche Theater, die nicht mehr Burgen oder Ge-
fängnissen oder Mausfallen gleichen, sondern mehr oder
weniger gut und schön auf ihren eigenen Zweck angelegt
sind. So das von Gottfried Semper entworfene Theater in
Dresden, so das von Nikolaus v. Ybl erbaute Opernhaus in
Budapest. Solchen und anderen Theatern ist vor Allem das
eigen, dass sie in dem von uns gemeinten Sinne »nach aussen«
gebaut sind. Ihr Zweck und ihre Mittel zu diesem Zweck
kommen auch äusserlich zur Anschauung, und dies ist im
Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass bei ihrer Anlage
von den Hauptbedürfnissen des Baues ausgegangen wurde,
und dieser Hauptsache die Nebensachen untergeordnet wurden.
Sie sind eben, wie der Architekt sagt, »von innen nach aussen
gebaut«. Früher fing man auch hier, ebenso wie bei den
anderen architektonischen Aufgaben, von aussen an. Man

nahm einen durch andere Interessen bestimmten Platz, viel-
leicht auch schon vorhandene Räume; man schuf die Um-
hüllung und zwar gerne mit irgend einer imponirenden Fassade,
und von dieser Umhüllung, zumeist einem rechteckigen Kasten,
der ebensogut eine Kaserne für Militär oder Zivil sein kann,
ging der Gedanke des Theaterbaus nach innen zum Kern.
Dieser musste nun untergebracht werden, wie es eben ging;
seine Treppen und Korridore wanden sich düster, eng und
blicklos hin und her, auf die Gefahren eines Feuers und einer
Panik konnte nicht besser hingearbeitet werden.

Vergleicht man damit auch nur den vorläufigen Nothbau
auf dem Festspiel-Hügel zu Bayreuth, so hat man diese
Schöpfung Sempers noch lange nicht überschätzt, wenn man
sowohl von ihrer zweckmässigen Anlage als auch von dem
wohlgefälligen Eindruck, den die Anschauung eben davon
gibt, befriedigt ist. Der Umstand, dass zwischen dem Theater-
kern und dem Freien kein »Winkelwerk« oder »Irrgarten«
steckt, hat jedenfalls künstlerisch nichts geschadet. Wichtig
ist bei diesem Theaterbau noch dies, dass die Sitze sich
amphitheatralisch hinter einander erheben. Dies hat er mit
dem antiken Theater und mit mancher Sommertheater-Bude
oder Arena aus unserer Zeit gemein, wie solche wohl jedem
Kunstfreund in einer gar nicht üblen Erinnerung sind. Die
allermeisten übrigen Theater der letzten Vergangenheit und
der Gegenwart besitzen statt dessen eine solche Anlage des
Zuschauer-Raumes, dass über den Rändern des Parterres oder
Parkets sich mehrere »Ränge« gerade übereinander thürmen.
Dies hat zweierlei Bedeutung: erstens kann dadurch im gleichen

Henky van di Vei.de.

Stuhl-Rückansicht.
 
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