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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Menzel- Ausstellung in der Galerie Thannhauser, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0344
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CAMILLE PISSARRO, LANDSCHAFT AUS PONTOISE. 1875

AUSGESTELLT BEI BERNHEIM & DURAND-RUEL, PARIS

MENZEL-AUSSTELLUNG
IN DER GALERIE THANNHAUS ER, BERLIN

Mehr als dreihundertfünfzig Bilder, Gouachen , Pastelle
und Zeichnungen hat die Galerie Thannhauser zusammen-
gebracht. Ein bemerkenswertes Ergebnis, wenn man bedenkt,
wie vollständig Menzel in der Nationalgalerie vertreten ist
und wie schwer gerade Menzelsammler sich überreden lassen,
ihren Besitz herzugeben.

Die Ausstellung ist scheinbar gemacht worden, weil der
Flut ausländischer Kunst ein großer deutscher Künstler ent-
gegengestellt werden sollte. Diese Absicht ausgleichender
Gerechtigkeit verdient lebhafte Anerkennung. Nur ist diese
Menzel-Ausstellung vielleicht zu unmittelbar nach den Manet-
und Monet-Ausstellungen gekommen. Menzel verliert im Ver-
gleich — der sich von selbst einstellt — ein wenig, weil
diesem sonst so reichen Genie das fehlt, wodurch Manet zum
Beispiel bezwingt: die große Freiheit. Es fällt um so mehr
auf, weil eine so reiche Menzel-Ausstellung notwendig den
späten Menzel betonen muß. Und der überzeugt bei weitem
nicht so spontan wie der frühe. Etwas Äußerliches kommt
hinzu: man kann nicht in der Mitte des Raumes stehen und
mit den Augen die Wände abwandern, sondern muß nahe
herantreten und die Bilder, die Zeichnungen fast wie Mi-
niaturen betrachten. Sie sind im Kleinen groß; das Monu-
mentale hat meist nur den Umfang eines Skizzenblattes.

Die Wände mehrerer Räume sind eng bedeckt mit Werken
von Menzels fleißigen und unendlich begabten Händen. Man

muß suchen, läßt vieles auf sich beruhen, wird immer wieder
dann aber reich belohnt durch Dinge, die zum besten ge-
hören, was deutsche Kunst im neunzehnten Jahrhundert her-
vorgebracht hat. In diesen Tagen, wo man erfüllt ist von
Erinnerungen an Albrecht Dürer, kommt es einem wie von
selbst in den Sinn, wie gut sich Menzel in einigen wesent-
lichen Zügen mit Dürer vergleichen läßt, wie klar beide in
ihrer Weise dieselbe ewige deutsche Problematik widerspiegeln.
Pegasus im Joch; so wie Menzel selbst ihn für die Werke
Friediichs des Großen witzig gezeichnet hat.

Menzel ist ein Thema, worüber man endlos sprechen
könnte und möchte. Er verführt geradezu zum Abschweifen.
Widersteht man, hält man sich nur an das, was die Aus-
stellung bietet, so erlebt man Stunden voller Genuß. Tritt
man hinaus, so überrascht man sich dabei, daß man alles
Leben mit den Augen dieses Künstlers sieht. Keiner hat
Berlin, hat den Geist dieser Stadt erfaßt wie Menzel. Berlin
hat ihn befruchtet, wie Paris Manet entzündet hat.

Dieser Winter war reich an reinen Ausstellungsgenüssen.
Wofür wir denen, die uns dazu verholfen haben, dankbar
sind. Diese Menzel-Ausstellung ist ein schöner und würdiger
Abschluß. Manches mutet ja historisch und zeitbefangen an;
vieles strahlt aber auch in jener ewigen Jugend, die ein Vor-
recht des Genies ist.

Karl Schettler.

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