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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Dormoy, Marie: Ambroise Vollard: Deutsch von Margarete Mauthner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0343

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pressionistenbilder, als Herausgeber der schönsten Bücher,
die im Anfang des Jahrhunderts erschienen sind, bekannt,
sondern auch als Schriftsteller hat sein Name Klang.

Er ist der Verfasser dreier Kunstbücher. Das erste be-
handelt Cezanne, das zweite Renoir*, das letzte Degas *. Diese
Werke sichern ihm eine Sonderstellung in der Kunstliteratur.

Denn statt, wie es der Brauch, auf die Methoden, die
Technik und die Theorien der Maler einzugehen, die er
feiern will, hat er sie mit kleinen präzisen Strichen, mit
Spott, oft mit beißender Satire gezeichnet. Wenn auch nicht
eigentlich schöpferisch, ist Vollard doch ein scharfer Be-
obachter, der aus einem ihm eigentümlichen Gesichtswinkel
die charakteristischen Merkmale eines jeden Menschen erfaßt.

Der Erfolg dieser Bücher war so groß, daß ein ameri-
kanischer Verleger ihm goldene oder vielmehr Dollar-Berge
versprach, wenn er sich entschließen würde, seine Memoiren
zu schreiben. Ob er dazu wohl ebensoviel Zeit benötigen
wird, wie für seinen Umzug?

Neben den kunstliterarischen hat Vollard auch rein litera-
rische Werke geschaffen. Er hat „Les Reincarnations du Pere
Ubu" geschrieben, in denen er in schneidender Weise seine
Epoche geißelt, dann „La Sainte Monique", eine Heilige, die ab
und zu einen höllischen Schwefelgeruch verbreitet. Die „Re-
incarnations du Pere Ubu" wird mit Illustrationen von Rouault,
„La Sainte Monique" mit Illustrationen von Bonnard erscheinen.

In seinem Patrizierhaus lebt Vollard in einem Zimmer,
nicht viel anders wie in der Rue de Grammont oder in der
Rue Lafitte. Immerhin ist jetzt der Teppich funkelnagelneu,
und von den Mäuschen ist nichts mehr zu merken: ein
imposanter Kater hat sie in die Flucht getrieben.

Dieses Haus ist geheimnisvoll wie das Schloß Blaubarts.
Überall Ecken, Schlupfwinkel, versteckte Treppen, Geheim-
kabinette! Sollte nicht eines darunter irgendein erotisches
oder tragisches Geheimnis verbergen?

Wenn einem eine halboffene Tür einen Blick in eines
der Zimmer zu werfen gestattet, so sieht man Bilder über
Bilder in Reihen aufgestapelt.
* Bruno Cassirer Verlag.

Die Unordnung — mag sie nun beabsichtigt oder natür-
lich sein — fängt schon im Vestibül an, wo große Abgüsse
der Venus von Renoir mit goldenen Holzstatuen von Bischöfen
im schönsten Barock beieinander stehen. Für die Seelenruhe
dieser Frommen sorgen glücklicherweise ungeheure Kisten,
die die Papiervorräte für Bücherauflagen enthalten, und
deren hohe Wände den heiligen, den Versuchungen so sehr
ausgesetzten Männern als Schutzwall ihrer Tugend dienen.

In den Empfangsräumen, in den Gängen, überall die-
selben dichten Reihen von Bildern. Wie viele mögen es
sein? Wer sind die Maler?

Wenn man Ambroise Vollard um die Vergünstigung bittet,
seine Sammlung besichtigen zu dürfen, antwortet er in einem
nicht gerade entgegenkommenden Ton: „Kommen Sie, wann
Sie wollen, ich werde Ihnen dann ein paar Bilder zeigen."

Ist der Bittsteller durch diese etwas mürrische Antwort
nicht abgeschreckt und wagt er sich in das Labyrinth des
großen Patrizierhauses, so empfängt ihn Vollard ganz wohl-
wollend, nimmt ein imposantes Schlüsselbund aus der Tasche,
wählt einen Schlüssel aus und steckt ihn in die Wand, in
der sich plötzlich eine Geheimtür auftut. Der Hausherr
verschwindet dahinter und kommt einige Augenblicke später
mit einem Bild unter dem Arm wieder.

Er stellt es auf einen Stuhl, wählt sorgfältig das gün-
stigste Licht und trägt es, wenn man es, seiner Meinung
nach, genügend lange betrachtet hat, fort. Er bringt ein
anderes, dann noch eines, und selbst wenn man auf diese
Weise die Sammlung Vollard mehrmals besichtigt hat, ge-
schieht es kaum, daß dem Beschauer ein Bild zum zweiten
Mal gezeigt wird. Dafür muß man aber darauf gefaßt sein,
daß Vollard statt eines Cezannes, um den man gebeten
hat, einen Renoir zeigt oder daß sratt des erbetenen Renoir
ein Picasso oder ein Rousseau vorgeführt wird.

Ist das Absicht oder Zufall? Kann sich vielleicht Am-
broise Vollard in dieser Fülle selbst nicht zurecht finden?
Und zieht er aufs Geradevvohl heraus, was der Zufall ihm
in die Hand spielt? Wie dem auch sei, eines ist gewiß —
der Zufall bringt immer ein Meisterwerk ans Tageslicht.

GERHARD FRANKL, LANDSCHAFT MIT NEUBAU. 1927

AUSGESTELLT IN DER GALERIE CASPARI, MÜNCHEN

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