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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 2
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Chronik
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CHRONIK

Willy F. Storck ist nach langer Leidenszeit einer tücki-
schen Krankheit erlegen, der er durch Jahre mannhaft ge-
trotzt hat. Mit ihm ist einer der tatenfreudigsten und von
seiner Aufgabe begeistertsten jüngeren Museumsleiter Deutsch-
lands dahingegangen. In der Schule Wicherts, dessen Assi-
stent er in Mannheim gewesen ist, hat Storck das Amt eines
Museumsdirektors, als eines Erziehers zur Kunst, zu erfassen
gelernt. Als er nach Karlsruhe berufen wurde, um die Ga-
lerie neu zu ordnen, die bis dahin Hans Thoma verwaltet
hatte, ergriff er mit Freude die dankbare Aufgabe, den rei-
chen Stoff zu formen und zu gliedern. Aus einer provin-
ziellen Galerie machte er zielbewußt das Hauptmuseum einer
alten Kulturprovinz, indem er die Werke heimischer Kunst,
die bis dahin stiefmütterlich behandelt waren, in den Haupt-
sälen eindrucksvoll zur Schau stellte und diesen Teil der
Sammlung, deren Bedeutung nun erst erkennbar wurde,
durch geschickte Ankäufe vermehrte.

Uber den Rahmen seines Museums hinaus hat Storck
durch die Organisation großer Ausstellungen anregend auf
das Kunstleben Süddeutschlands gewirkt. Die große Aus-
stellung schweizerischer Kunst, die in veränderter Gestalt
später auch im Berliner Kronprinzen-Palais gezeigt wurde,
war sein Werk. Noch vom Krankenlager aus bemühte er
sich um die Gedächtnis-Ausstellung für Wilhelm Trübner,
die dann in Basel stattfand, weil Karlsruhe nicht die Mittel
für die Veranstaltung aufzubringen vermochte.

*

Seit uns nach der Inflation der Segen eines neuen Hart-
geldes beschieden wurde, haben wir mancherlei an Münz-
prägungen bedenklicher Art erlebt. Die Gelegenheit einer
künstlerischen Erneuerung des deutschen Münzwesens von
Grund auf ist versäumt worden, so viel vor einigen Jahren
von solchen Dingen geredet wurde. Die Münzen waren kaum
besser als manche von den vielgeschmähten Geldstücken
der kaiserlichen Zeit, aber sie waren wenigstens nicht schlech-
ter. Das neue Fünfmarkstück, das uns kürzlich beschert wor-
den ist, hat auch diesen Rekord gebrochen. Es verdient den
Ehrentitel der schlechtesten Münze, die wir seit langem ge-
habt haben. Die Verhältnisse von Bild und Schrift, von
Raum und Dekor sind so gründlich verfehlt, wie nur mög-
lich. Die kleinlich durchgebildete Eiche mit der großen
Jahreszahl am Fuß, der winzige Sternenkranz und die klo-
bige Umschrift, die dann nochmals von einem Perlrand ge-
rahmt wird: es übertrifft alle Erwartungen; und die Vorder-
seite mit dem kleinen Adler und der viel zu schweren
Schrift ist nicht besser als die Rückseite. Man fragt sich,
ob wirklich der Reichskunstwart diesem Geldstück seinen
Segen gegeben, oder ob wieder einmal der Instanzenweg
den guten Willen ertötet hat. Denn vor nicht langer Zeit
gab es ein Preisausschreiben des Reichsfinanzministeriums
zur Erlangung neuen Hartgeldes, das immerhin einige brauch-
bare Vorschläge gezeitigt hat. Man darf sich also nicht

hinter die billige Behauptung verstecken, es werde heute
nichts Besseres geleistet. So schlimm hätte es nicht zu
kommen brauchen.

*

Glückliche Entdeckungen von Zeichnungen und Gemäl-
den haben unseren Besitz an Werken Matthias Grünewalds
in den letzten Jahren bedeutend bereichert. Vor einigen
Monaten wurde die Nachricht von einem neuen Funde ver-
breitet, den Heinz Braune in der Kirche zu Münnerstadt
gemacht habe. In vier Flügeltafeln eines Altars, die bisher
auf Grund einer alten Urkunde dem Bildhauer Veit Stoß
zugeschrieben wurden, wollte er die Hand Grünewalds er-
kannt haben. Die Nachricht wurde mit ungläubigem Still-
schweigen aufgenommen, aber der Respekt vor der hervor-
ragenden Kennerschaft ihres Urhebers forderte vor einer
Ablehnung nochmalige Prüfung durch eigenen Augenschein.
Der Unterzeichnete muß bekennen, daß er die Hand Grüne-
walds in den Münnerstädter Tafeln nicht zu entdecken ver-
mag. Die alte Zuschreibung an Veit Stoß erscheint durch
den Vergleich mit dessen bekannten Kupferstichen immer
noch durchaus plausibel. Jedenfalls aber gehören die Bilder
einer Schulrichtung an, mit der man den jungen Grünewald
schwerlich in Verbindung zu bringen vermag. Es scheint noch
immer richtig, was schon vor Jahren ausgesprochen worden
ist: daß man die Spur Grünewalds um die Jahrhundertwende
in Frankfurt zu suchen hat, wo der merkwürdige Dominikaner-
altar des alten Holbein seine Einwirkung erkennen läßt.
In dieser Richtung muß man nach Jugendwerken des Mei-
sters fahnden, falls solche sich noch verbergen sollten. Am
Mittelrhein, für dessen Kunst die schöne Darmstädter Aus-
stellung dieses Sommers manche Aufklärung gegeben hat,
scheinen Grünewalds Anfänge verwurzelt zu sein, nicht in
dem fränkisch-bayrischen Kunstkreise, dem die Münnerstädter
Tafeln angehören. Glaser.

Vor dem Krieg war oft Gelegenheit, die Dekorations-
künste der Berliner Baubehörden zu ironisieren, wenn Fürsten-
empfänge, Regierungsjubiläen u. dergl. öffentlich gefeiert
wurden. Die Republik hat dann einen Reichskunstwart be-
rufen. Man sollte meinen, daß er nun der verantwortliche
Festordner sei. Es heißt aber, daß ihm die Baudirektion
gelegentlich der Geburtstagsfeier des Reichspräsidenten die
Dekorationsaufgabe aus der Hand genommen hat und daß
er es sich hat gefallen lassen. Das klingt wahrscheinlich.
Denn für die Dekoration des Brandenburger Tors kannRedslob
nicht verantwortlich sein. Sie spottete jeder Vorstellung. Die
Reihe kleiner spitzer Pyramidenlorbeeren auf der Höhe des
Tors ging weit über alles Wilhelminische hinaus. Es war,
alles in allem, armselig provinziell, es war kläglich!

Und dabei lebt in Berlin ein Mann wie Poelzig, der
einen wirksamen Dekorationsentwurf in einer halben Stunde
macht!

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