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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 7
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Mayer, August Liebmann: Zu Goyas Hundertstem Todestag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0287

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GOYA, ENTWURF ZUM VIERTEN BLATT DER „DISPARATES". PINSELZEICHNUNG

MADRID, PRADO. PHOTO I MORENO

ZU GOYAS HUNDERTSTEM TODESTAG

VON

AUGUST L. MAYER

iscbe

\Tor kurzem hat Rudolf Borchardt ein Essay
* veröffentlicht „Über den Dichter und das
Dichterische"*, worin versucht wird, den Dichter
und das Dichterische vom Künstler und dem Künst-
lerischen einerseits, von der Literatur und dem
Literarischen anderseits zu isolieren. Der Dichter
wird über den bildenden Künstler, über den Maler
und Bildhauer vor allem hinausgehoben, und es
wird behauptet: „Die Muse der bildenden Künstler
heißt nicht Muse, sie heißt Techne. Was fehlt,
ist die Dämonie, das Inkalkulable." Eine weitgehende
Auseinandersetzung mit den gedankenreichen Aus-
führungen Borchardts sei in diesen der Kunst und
den Künstlern gewidmeten Blättern für späterhin

* Die Hören IV, Heft I.

aufgespart, aber eine Richtigstellung der Haupt-
irrtümer läßt sich unschwer verbinden mit der
Würdigung eines der größten bildenden Künstler
der neueren Zeit, über dessen irdischen Hingang
nunmehr ein Jahrhundert verflossen ist. In Fran-
cisco de Goya verehren wir einen jener schöp-
ferischen Persönlichkeiten auf dem Gebiete der
Malerei und Graphik, die ganz wie die großen
Dichter Künder, Seher und Mittler des Göttlichen
sind. Je älter Goya wurde, desto häufiger besuchten
ihn, um mit Borchardt zu reden, die Götter, und er
erfuhr ihren Besuch in der Form des Gesichtes.
Er durchlebte durchaus die Tragik des nicht von
der Techne, sondern von der Muse begnadeten
Meisters, der gezwungen war, „beengt in der Aus-

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