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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 4
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Auktionsnachrichten
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Künstleranekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0194

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wie sie in solchem Umfange seit langem nicht mehr aut
den Markt gelangt war. Die Preise bewiesen, daß für dieses
Spezialgebiet sich wieder ein starkes Interesse zu regen beginnt.

Berlin ist in den letzten Jahren als Markt für Graphik
sehr in den Hintergrund getreten. Die Versteigerungen der
Firma Hollstein & Puppel können mit Boerner nicht kon-
kurrieren, und Paul Graupe, der einen regen Auktionsbetrieb
unterhält, beschränkt sich im wesentlichen auf Bücher und auf
neuere Graphik. Der neue Saal in der Tiergartenstraße wurde
mit einer Versteigerung moderner Graphik eröffnet, die Opti-
misten zur Feststellung einer leichten Belebung des Marktes
verleitete. In der Tat wurden gute Preise nur für einige aus-
ländische Blätter erzielt. Man notierte in der großen Zorn-
Serie Einzelpreise bis zu 800 Mark, für Whistlers Fischerboot
1010, für Meryons Abside de Notre-Dame 1300, für ein
Blatt von Bone 1250, für Londoner Ansichten von Buhot

400 Mark. Die Deutschen konnten mit solchen Preisen nicht
Schritt halten. Immer noch kann man schöne Blätter von
Corinth für 10 bis 20 Mark kaufen. Für Liebermann wurde
etwa das Doppelte bezahlt. Einzelblätter von Sievogt hielten
sich auf der Mitte zwischen diesen beiden. Ein Exemplar
der Vorzugsausgabe von Wak Wak kam auf 450 Mark. Nur
Arbeiten von Käte Kollwitz wurden höher bewertet als in
früheren Jahren, die Carmagnole mit 160, andere Blätter
mit 50, 60 und bis an 80 Mark. Klingers Brahms-Phantasie
ist mit 11 50 Mark stark im Preise gesunken. Die späte Folge
„Das Zelt" kostete in einem der Probedruckexemplare immer
noch 6000 Mark. Von den 180 Radierungen Paul Ilerrmanns,
die der Eigentümer der Sammlung in seltensten Probe- und
Zustandsdrucken besaß, wurde nur eine verschwindend kleine
Zahl überhaupt verkauft.

G.

KUNSTLERANEKDOTEN

TH'dvard Münch geht, während eines Berliner Aufenthalts,
' in die Kammerspiele um die Orska zu sehen Nach dem
zweiten Akt ist Pause. Er geht ins Restaurant, und als es
klingelt, sucht er den schon wieder verdunkelten Zuschauer-
raum auf. Er wundert sich — denn jetzt ist es ein ganz ande-
res Stück, es treten andere Personen auf und die Orska kommt
überhaupt nicht wieder. Aber er denkt, es müsse wohl so
sein. Nach Schluß der Vorstellung begibt Münch sich zur
Garderobe. Die Frau betrachtet die Marke und sagt: „Mein
Herr, das ist doch für die Kammerspiele, hier sind Sie im
Deutschen Theater."

Vor dem Bildnis eines Bankdirektors von Liebermann
wird Fürstenberg um seine Meinung gefragt. Er sagt: „Ein
Racheakt!"

Oskar Fried führte Beethovens Neunte auf und lud
Liebermann dazu ein. Nach der Aufführung fragte er den
Künstler, wie es ihm gefallen hätte. „Wissen Sie," sagt dieser,
„die ist nicht tot zu kriegen."

Ein Mona-Lisa-Film. Lionardo liebt sie und malt sie
am Ende. Als das Bild schließlich gezeigt wird, sagt eine
Dame: „Ich weiß nicht, ich finde das Bild gar nicht so
ähnlich "

Fürst Bülovv erzählt, Liebermann hätte ihn einmal ge-
zeichnet. Doch wäre der Künstler nicht zufrieden gewesen
und hätte eine neue Zeichnung begonnen mit den Worten:
„Diplomaten müssen besonders schlau aussehen."

In einer Kleinstadtkirche bemalt ein Maler die Wände
al fresco. Ein Besucher der Kirche sieht ihm zu und sagt
endlich: „Erlauben Sie, daß ich etwas sage: ich vermisse
in Ihren Bildern die dritte Dimension." „Stimmt," sagt der
Maler, „aber die Gemeinde ist arm, das Geld reicht nur für
zwei Dimensionen."

Im ,,Komischen Volkskalender auf 1846" von Adolf Glaß-
brenner findet sich eine Anekdote, die in der Zeit der neuen
Böcklinbegeisterung wieder aktuell ist. Der Bürger Büffey geht
mit seinem Sohn durch die Bildergalerie: „Des is en hüb-
sches Bild, Vater!" — „Ja, des isAllejorie! nennt man des,
was uf Deutsch unjefähr durch Als ob! zu übersetzen wäre.
Verstehste mir?" — „Als ob?' — „Ja!" — „Ne!" — „Ja!!
Wenn ick dir sage als ob, denn kannste dir druf verlassen!
Allejorie is uf Deutsch so viel wie als ob, nämlich als ob
Ideen Fijuren wären."

Ein eben getaufter jüdischer Finanzmann zeigt Fürstenberg
seine neu eingerichtete Wohnung. Er führt ihn in den Salon
und sagt: „Achtzehntes Jahrhundert". Er zeigt das Arbeits-
zimmer und sagt: „Deutsche Renaissance des sechszehnten
Jahrhunderts"; und im Wohnzimmer verkündet er: „Anfang
des neunzehnten Jahrhunderts". Dann durchschreitet er
schnell einen kleinen Raum ohne etwas zu sagen. „Was
ist denn dieses?" fragt Fürstenberg. „O, das sind nur alte
Möbel von meinen Eltern", antwortet der Finanzmann. „Also
vorchristliche Zeit", sagt Fürstenberg.

SECHSUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, VIERTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 15. DEZEMBER, AUSGABE AM 1. 1ANUAR
NEUNZEHNHUNDERTACHTUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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