Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

DOI Heft:
Heft 10
DOI Artikel:
Börger, Hans: Ein Porträtmedaillon Gottfried Schadows von Christian Rauch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0421

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
i-

f

CHRISTIAN RAUCH, BILDNISMEDAILLON GOTTFR. SCHADOWS

BES.: J. FRANK RATHGEN , LANDSBERG A. W.
PHOTOGRAPHIE FRANZ RÜMPEL. HAMBURG

EIN PORTRÄTMEDAILLON GOTTFRIED
SCHADOWS VON CHRISTIAN RAUCH

VON

HANS BÖRGER

TT'ür die menschliche Größe Gottfried Schadows spricht nichts
*- so unmittelbar wie die neidlose, von jeder Verbitterung
freie Anerkennung, die er Christian Rauch immer wieder
bis in sein hohes Alter hinein zuteil werden ließ. Daß der
fertige Meister dem jungen Lehrling und Gehilfen freundlich
entgegenkommt, ihn fördert und ermuntert, mag — als in
seinen Pflichtenkreis gehörig — keiner besonderen Betonung
wert sein; wahrhaft imponierend aber ist die Art, wie er
seine Zurücksetzung hinter Rauch unter König Friedrich
Wilhelm III. erträgt, insbesondere wie er die Übertragung
des Denkmals Friedrichs des Großen — seines Lebens-
traumes ! — an seinen berühmt gewordenen Schüler hin-
nimmt. Seine edle Gelassenheit und Güte hat er, wie wir
wissen, an keinen Unwürdigen verschwendet. Die Hoch-
achtung beruhte auf Gegenseitigkeit, und das schöne per-
sönliche Verhältnis der beiden durch lange Jahre ist
eines der sympathischsten Kapitel der deutschen Künstler-
geschichte.

In welcher Weise dieses menschliche Ver-
hältnis in die Sphäre der künstlerischen Pro-
duktion hineinragt, dafür mag — als Beitrag
zu bereits bekannten Tatsachen — das hier
zum erstenmal publizierte, gegenwärtig in Pri-
vatbesitz befindliche Profilbildnis Gottfried
Schadows Zeugnis ablegen. Es handelt sich
um ein Medaillon von beträchtlichem Ausmaß
— 3 51/= Zentimeter im Durchmesser — aus
feinem, nur stellenweise zart geädertem karra-
rischen Marmor, dessen Oberfläche mit der
Zeit einen sehr angenehm wirkenden hell-
gelblichen Ton angenommen hat. Der Kopf
Schadows ist in stark erhobenem Relief gear-
beitet und bis in die letzten Details fertig ge-
macht. Obwohl das Medaillon ohne jede Auf-
schrift ist, kann an der Urheberschaft Rauchs
kein Zweifel bestehen — man vergleiche nur
einmal die einschlägigen Arbeiten —, ja es
handelt sich meines Erachtens sogar um ein
besonders schönes Werk des gerade im Porträt-
fach von Schadow so geschätzten Meisters. Die
vorliegende Reproduktion gibt zwar im allge-
meinen einen guten BegrifF von der Relief be-
handlung, läßt aber die Züge des Gesichts ge-
glätteter erscheinen als sie tatsächlich sind.
Erst angesichts des Originals genießt man in
vollen Zügen den geheimen Bewegungsreichtum
der Flächen, die überaus feinfühlige Marmor-
behandlung und die frappierende Lebensnähe
dieses Greisenkopfes, dessen Topographie
Rauch bis in die verstecktesten Winkel beherrschte, und bei
dessen Wiedergabe ihm Liebe und Pietät sichtlich den
Meißel geführt haben.

Fragt man nach der genaueren Entstehungszeit des
Porträts, so bietet sich als willkommene Hilfe jene Bronze-
medaille an, die Carl Fischer im Auftrage der Berliner Aka-
demie der Künste zum siebzigsten Geburtstag Schadows goß
(1834) und auf deren Vorderseite ebenfalls der Kopf des
Meisters, und zwar in fast analoger Weise, dargestellt ist.
Vergleicht man die beiden Köpfe, so ist, nach den Symp-
tomen des physischen Verfalls zu urteilen, unser Marmor-
medaillon eher später als früher anzusetzen. Wahrscheinlich,
daß Schadow erst in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre
für dieses letzte Porträt seinem alten Schüler gesessen hat,
zu einer Zeit, als er der künstlerischen Tätigkeit längst ent-
sagt hatte und, mit theoretischen Studien beschäftigt, sich
anschickte, aufrecht und heiter die letzte Abendröte eines
kraftvoll geführten Lebens zu genießen. Güte und Ab-
geklärtheit dominieren in den Zügen des Altmeisters, so wie
ihn Rauch vor uns hingestellt hat, und nur gedämpft meldet
sich unter dieser schönen Hülle die unbändige Kraft einer
elementaren Natur, in der sich Augensinnlichkeit und kritischer
Verstand in so wundersamer Weise die Wage hielten.

395
 
Annotationen