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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 1
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Künstleranekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0066

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Eine Herde amerikanischer Lehrerinnen wird vor den
Florentiner Dom geführt, der bekanntlich aus weißem und
schwarzem Marmor aufgeführt ist. Eine der Lehrerinnen
bricht in die Worte aus: „Oh, they've painted it all over!"

*

Sonntagvormittag im Kaiser-Friedrich-Museum. Ein junges
Ehepaar besieht sich den Rubenssaal und dabei sagt die
Frau erstaunt: „Sieh mal Manne, da haben gleich zweie an
einem Bild gemalt — erst der Peter und dann Paul."

*

In der Tribuna der Uffizien hingen vor der jüngsten Neu-
ordnung Correggios „Ruhe auf der Flucht" und Tizians be-
rühmte nackte Venus aus Urbino (auf dem Ruhebett, mit
der Kammerfrau im Hintergrunde) nebeneinander. Ein wür-
diger älterer Herr, offenbar deutscher Offizier oder Grund-
besitzer, müht sich mit seiner hübschen Tochter an der Hand
des Baedeker ab, die Bilder mit ein oder zwei „Sternchen"
festzustellen. Zu seinem Unglück geht er aber in dem run-
den Raum in der falschen Richtung. Vor der Venus murmelt
er nach einem Blick in seinen Führer: „Merkwürdige Auf-
fassung, diese Ruhe auf der Flucht" und entschwindet.

Jemand, der von Liebermann porträtiert wurde, hatte
während der Arbeit manches an dem Bild auszusetzen. Da
sagte Liebermann: „Sie, wenn Sie noch ein Wort sagen,
mach ich Sie wie Sie sind."

*

Die Kokoschka-Ausstellung neulich bei Paul Cassirer
hieß: „Menschen und Tiere." Als der Künstler selbst ein-
mal anwesend war, sagte jemand, jetzt müsse es heißen:
„Götter, Menschen und Tiere."

*

Bei einem Photographienhändler der Rue de Rivoli:
„Haben Sie eine Photographie der Gioconda?"
„Gewiß, mein Herr."

Der Kunde sieht die Photographie lange an und sagt dann:
„Haben Sie sie nicht ein bißchen mehr im Profil?"

Ein Schriftsteller, der ein Buch über Picasso geschrieben
hatte, sagte zu dem Künstler: „Hoffentlich hilft mein Buch
Ihre Bilder verkaufen." Der Künstler erwiderte: „Hoffentlich
helfen meine Bilder Ihr Buch verkaufen."

Im Museum von Nantes hängt ein ehemals berühmtes
Bild, „Die drei Grazien" von Cesare Aretusi. Der alte Auf-
seher, ein ausgedienter Unteroffizier, Typus Marschall Joffre,
führt jeden Besucher vor das Bild, zwinkert verständnisinnig
und sagt: „Die Wäsche ist gerade beim Waschen."

*

Lautrec hatte zum ersten Mal in Paris ausgestellt. Als er
mit dem Maler und Lithographen Anguetin ein Cafe verließ,
begegnete er Degas. Dieser ging auf ihn zu, machte ihm große
Komplimente über seine Arbeiten, überschüttete ihn mit Lob
und ging dann davon, ohne Anguetin zu beachten. Lautrec
war ganz blaß geworden und ging lange stumm neben dem
Kollegen einher. Endlich sagte er: „Glauben Sie, daß Degas
das alles ernst gemeint hat?" „Ach wo," erwiderte Anguetin,
„er hat sich doch nur über Sie lustig gemacht."

*

Aus einem Antiquariatskatalog: Nr. 653: „Protest deut-
scher Künstler" (unbeschnitten). Bremen 1911.

In einer Tageszeitung steht das Inserat: „Großer Leistikow
zu verkaufen". Es kommt eine Offerte: „Ich interessiere mich
sehr für Ihren Leistikow und bitte ich um Mitteilung, wann
ich mit demselben eine Probefahrt unternehmen kann."

Ein amerikanischer Milliardär wünscht sich zu seinem
sechzigsten Geburtstag einen Rembrandt und einen Rolls
Royce. Einige Tage vor dem Geburtstag muß er verreisen
und fragt telephonisch bei seiner Frau an, ob die Geschenke
gekommen seien. Die Frau antwortet: „Yes, but I dont know
which is which."

*

Ein Assistent der Berliner Museen kommt mit der Photo-
graphie eines Bildes zu Max J. Friedländer und fragt: „Wo,
um Himmels willen, mag sich nur dieses Bild befinden?"
Friedländer wirft einen Blick auf die Photographie und sagt:
„Über der Tür Ihres Arbeitszimmers."

SECHSUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ERSTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 15. SEPTEMBER, AUSGABE AM 1. OKTOBER
NEUNZEHNHUNDERTSIEBENUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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