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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 10
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0433

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m UKTIONSNACHRICHTEN

Wenige Tage nachdem Berlin
die Sensation der Huldschinsky-
Versteigerung erlebt hatte, ver-
sammelte sich das gleiche Publi-
kum der Sammler, Museumsleiter
und Händler in London, um bei
Christie der Auktion des letzten Teiles der Holford-
Sammlung beizuwohnen. Nachdem im vergangenen Jahre
die italienischen Gemälde von Duveen für mehr als eine
halbe Million Guineas übernommen worden waren, blie-
ben jetzt vor allem die Niederländer und eine Reihe von
Werken englischer Meister, deren Verkauf die stattliche
Summe von über 400000 Guineas ergab. Am höchsten wur-
den auch hier, wie zu erwarten war, die Bilder von Rem-
brandt bezahlt, der Mann mit der Thora brachte 48000
Guineas, das heißt eine runde Million Mark, das angebliche
Porträt des Titus 44000, die Frau des Sylvius 30000, der
Martin Looten 26000. Das sind hohe, aber keine über-
raschenden Preise. Dagegen ist wohl bisher noch niemals
eine Zeichnung mit einem Preise von 10000 Guineas be-
zahlt worden wie hierRembrandts Porträt des MauritsIIuygens.
Noch unerwarteter war der Preis für eine Kreidezeichnung
von Rubens, Helene Fourment darstellend, die, obwohl sie
ausgeschnitten und auf anderes Papier aufgezogen war, von
Knoedler für 6500 Guineas erworben wurde. Ein bedeutendes
Porträt von Van Dyck erzielte den Riesenpreis von 30000
Guineas. Es ist nicht leicht verständlich, warum ein ebenso
großes Frauenporträt aus der Genueser Zeit nur mit einem
Bruchteil, nämlich 1500 Guineas bewertet wurde. Solche
krasse Preisunterschiede gab es noch öfter, so zum Beispiel
wenn das Bildnis eines Edelmannes von Sustermans mit
dem unbegreiflich hohen Preise von 12500 Guineas bezahlt
wurde, während andere Porträts des Künstlers mit 460 220,
160 Guineas normal eingeschätzt wurden. Ein Hauptstück
der Sammlung war die große Ansicht von Dordrecht von
Aelbert Cuyp, die mit 20000 Guineas ihrer Bedeutung ent-
sprechend bewertet wurde. Eine Landschaft von Ruysdael
kostete 6000, ein Aert van der Neer 3500, ein schöner Potter
8000, ein Teniers 3200, und sogar ein Wouverman brachte
es bis auf 4000 Guineas. Ein dem Petrus Cristus zugeschrie-
benes Männerporträt erwarb Colnaghi für 14000, ein Porträt
des Mabuse Knoedler für 6800 Guineas.

Wird es nun schon als selbstverständlich genommen, daß
der große amerikanische Handel auf den bedeutenden Ver-
steigerungen in Europa als Hauptkäufer auftritt, so gewinnt
von Jahr zu Jahr New York selbst als ein Mittelpunkt des
Weltkunstmarktes an Wichtigkeit. Die American Art Asso-
ciation versteigerte die Sammlung Elbert H. Gary und er-
zielte für einen Krieger von Rembrandt 86000, für einen
Kavalier des Frans Hals 85000 Dollar. Die Hauptpreise
fielen hier aber den englischen Meistern zu, deren elegante
Gemälde als der vornehmste Schmuck eines angelsächsischen
Patrizierhauses begehrt werden. Die Preise für Hauptwerke
von Gainsborough sind noch immer im Steigen begriffen.
Diesmal brachte sein Erntewagen die Riesensumme von
360000 Dollar. Duveen zahlte diesen Millionenpreis. Ein

Damenporträt von Hoppner kostete 90000, ein Reynolds
5 5 000, ein Lawrence 45 000 Dollar. Daneben wirkt es fast
bescheiden, wenn Corots Etang de Ville dAvray 32000,
Daubignys Oise bei Conflans 23000 Dollar erzielte. Die
größte Überraschung der Auktion aber war der Rekordpreis
von rund einer Million Mark, den Knoedler für eine Büste
von Houdon, seine Tochter Sabine darstellend, anlegte.
In der Vente Doucet hatte vor dem Kriege die gleiche Büste
bereits den Riesenpreis von über 400000 fr. gebracht, der
nun mehr als verdoppelt wurde. 2300000 Dollar war der
Gesamterlös der Versteigerung.

In Berlin gab es zum Schluß der Saison zwei interessante
Versteigerungen ostasiatischer Kunst bei Cassirer-Helbing.
Otto Burchard stellte seine schöne Sammlung chinesischer
Keramik zum Verkauf, die lange Zeit im Museum zur Schau
gestanden hatte. Nach der Enttäuschung der Auktion
Guttmann war eine starke Belebung des Interesses fest-
zustellen, wenn auch nicht alle Preiserwartungen erfüllt
wurden. Ein so vollkommenes Stück der Chün-Ware wie
die kleine blütenförmige Schale mit ihren vier gleichmäßig
verteilten purpurroten Flecken auf lavendelblauem Grund
war für 5500 Mark nicht teuer, wie auch viele andere gute
Stücke der Sammlung bei weitem nicht die hohen Schätzungs-
preise erreichten, aber sie fanden ihre Käufer, und mit dem
Gesamtergebnis konnten die Veranstalter der Auktion wohl
zufrieden sein, wenngleich man feststellen muß, daß da?
Interesse für chinesische Frühkeramik seit der Bondyauktion
des vergangenen Jahres kaum gestiegen ist. Man spricht
und schreibt viel über chinesische Kunst, aber die Zahl der
ernsthaften Sammler in Deutschland ist noch merkwürdig
klein. Dagegen hört und liest man seit Jahren bei uns wenig
von japanischer Kunst, und den japanischen Holzschnitt ins-
besonders geringzuschätzen, gehört beinahe zum guten Ton.
Um so überraschender war es für viele, daß diese Einstellung
auf die Marktlage gar keinen Einfluß übte, daß sich im Gegen-
teil die alte Beliebtheit der japanischen Meisterholzschnitre bei
der Versteigerung der Sammlung Straus-Negbaur von neuem
aufs glänzendste bewährte. Die hohen Schätzungspreise,
die vor der Auktion von vielen für durchaus phantastisch
erklärt wurden, erwiesen sich im allgemeinen als vollkommen
berechtigt. Wurden sie nicht in allen Fällen erreicht, so
wurden sie doch zuweilen sogar recht erheblich überschritten.
Die Anwesenheit japanischer und französischer Händler
sicherte der Preisbildung das internationale Niveau. Leider
wurden auf diese Weise viele der wertvollsten Blätter in
das Ausland entführt, was um so bedauerlicher ist, als der
deutsche Besitz an japanischen Farbenholzschnitten, nach-
dem kürzlich auch die Sammlung Mösle nach Amerika ab-
gewandert ist, immer mehr zusammenschrumpft.

Die Sammlung Straus-Negbaur war eine der letzten deut-
schen Sammlungen von internationalem Rang. Sie war be-
sonders reich an seltenen Drucken der sogenannten Primi-
tiven, und es war der berechtigte Stolz der Eigentümerin,
daß sie im allgemeinen Drucke von hervorragender Qualität
und untadeliger Erhaltung in ihren Besitz zu bringen ver-
standen hatte. Legte man in früheren Jahrzehnten weniger

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