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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 11
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Autionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0474

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irrmrai u k t ions n a c m r i c i i t e n

PARISER
VERSTEIGERUNGEN

Im Hotel Drouot war es in die-
ser Frühjahrssaison auffallend still.
Den großen Auktionen in London,
Berlin und New York hatte Paris keine gleichwertigen Ver-
steigerungen zur Seite zu stellen. Trotzdem brachte eine an
sich bescheidene Sammlung, die Mitte Juni, also zu der er-
fahrungsgemäß günstigsten Zeit ausgeboten wurde, durch
überraschende Preise dem Markte die erwünschte Anregung.
In der Wohnung des Doktor Soubies waren die Wände zweier
mäßig großer Räume von unten bis oben mit modernen Bil-
dern behängt. Es gab vor allem Werke von Matisse in
großer Zahl, fast alle von der eleganten Art, die dem Maler
in den letzten Jahren die Salons in Paris wie in New York
geöffnet hat. Und diese Bilder erzielten Preise, wie sie
nur einem echten Modemaler zugebilligt zu werden pflegen.
40000 bis 60000 fr, also um 10000 Mark, war der Durch-
schnitt, über den sich einzelne Stücke ganz bedeutend er-
hoben. Ein Anemonenstrauß kostete 150000, ein weiblicher
Halbakt 128000, der Karneval in Nizza 121000, eine Oda-
liske vor blauem Wandschirm 217000, eine Dame in gelbem
Kleid sogar 230000 fr, also mit den Zuschlägen weit über
40000 Mark.

Nach dieser Auktion kann Matisse den Ehrentitel des
höchst bezahlten lebenden Malers Frankreichs beanspruchen.
Wie weit würde jede Versteigerung von Werken lebender
deutscher Künstler hinter diesen Rekordziffern zurückbleiben.
Stand Matisse bei weitem an der Spitze, so wurde doch
auch Derain recht gut bezahlt. Ein Früchtestilleben brachte
36000, zwei Bilder mit weiblichen Akten 30000 und
46000 fr. Sehr hoch bewertet wurde Modigliani, von dem
ein Frauenbildnis mit 65000 fr zugeschlagen wurde, wäh-
rend ein kubistischer Picasso sich mit 30000 fr begnügen
mußte. Zwei Stilleben von Braque kosteten 20000 und
48000 fr. Als ein Hauptstück der Sammlung galten ein
Herrenporträt von Cezanne, das mit 360000 fr und ein Mäd-
chen in Weiß von Renoir, das mit 221 000 fr zugeschlagen
wurde, also nicht höher bewertet war als einzelne neue
Arbeiten von Matisse. Ein Riesenpreis für ein frühes Werk
von Renoir wurde übrigens kürzlich in New York erzielt,
wo eine Kunsthandlung das Bild zweier Damen in einer
Konzertloge für 100000 Dollar verkaufte, — ungefähr für

den gleichen Preis, den bei Georges Petit eine große Tapisserie
und aus Beauvais nach einem Karton von Boucher erzielte,
die früher im Hotel Soubise gehangen hat.

Bei Georges Petit fand die zweite wichtige Versteigerung
neuerer Kunst in dieser Saison statt, die für die künftige
Preisbildung von entscheidender Bedeutung sein wird. Hier
wurde, ebenfalls Mitte Juni, die Sammlung des verstorbenen
Loys Delteil, des bedeutendsten Kenners neuerer Graphik,
unter den Hammer gebracht. Delteil, dem wir die muster-
gültigen Kataloge neuer Graphik verdanken, hatte durch
viele Jahre alle Auktionen seines Spezialgebietes vorbereitet,
und so waren viele Tausende von Drucken durch seine Hände
gegangen, von denen er nur einige der besten für seine
eigenen Mappen zurückbehielt. So war es kein Wunder, daß
Preise gezahlt wurden, wie man sie für ähnliche Stücke
noch nicht gehört hatte. Eines der seltenen lithographischen
Porträts von Ingres brachte den Riesenpreis von 21 000 fr. Ein
Probedruck von Daumier stieg bis auf 12000 fr. Bisher hatte
man noch kaum mehr als 600 Mark für ein solches Blatt
bezahlt. Der Ventre legislatif kostete 6700 fr. Die beiden
großen Lithographien von Delacroix, der Löwe und der
Tiger, brachten 14700, Degas' seltene frühe Radierung
des Kupferstechers Tourny 17500 fr, Manets Gitarrespieler
17000 fr, Millets Glaneuses und le Depart pour le travail
je 13500, Rodins Victor Hugo 16200, sein Eternelle Idole
21000, Meryons Petit Pont 20500, sein Pont au Change
52500 fr. Von Goya wurden die Toros de Burdeos mit
57000 fr zugeschlagen. Eine Radierung von Jongkind stieg
auf 15000, Whistlers Kitchen auf 24000, Zorns Baigneuse
de dos gar auf 65000 fr und erzielte damit den Höchstpreis
dieser an Überraschungen reichen Auktion, die das in Deutsch-
land verbreitete Gerede von dem Rückgang des Interesses
für neuere Graphik höchst drastisch dementiert.

Einer der berühmten persischen Teppiche aus dem Be-
sitz des österreichischen Kaiserhauses, der im Jahre 1925
auf Betreiben des Reparationskomitees veräußert wurde, ist
jetzt bei Christies in London für 427000 Mark versteigert
worden. Es handelt sich übrigens nicht, wie immer wieder
fälschlich behauptet wird, um den berühmten sogenannten
Kaiserteppich, der sich nach wie vor im österreichischen Indu-
striemuseum befindet, sondern um ein minder bedeutendes
Stück der Wiener Sammlung. G.

SECHSUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ELFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 15. JULI, AUSGABE AM 1. AUGUST NEUN-
ZEHNHUNDERT ACHTUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER G.M.B.H., LEIPZIG
 
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