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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 12
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Glaser, Curt: Corot: zu der Ausstellung bei Paul Rosenberg in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0503

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CAMILLE COROT, ODALISKE. 1872

AUSGESTELLT BEI PAUL ROSENBERG, PARIS

COROT

ZU DER AUSSTELLUNG BEI PAUL ROSENBERG IN PARIS.

T Tnter der großen Zahl von Ausstellungen verschiedenster
Art, die Paris in dieser Frühjahrssaison dem Kunst-
liebhaber geboten har, war keine von so unmittelbarer und
zugleich so nachhaltiger Wirkung wie die Ausstellung von
Figurenbildern und italienischen Landschaften Corots, die
bei Paul Rosenberg zu sehen war. Die herrlichen gotischen
Tapisserien in der gewiß etwas entlegenen Gobelin-Manu-
faktur vermochten nicht viele Besucher anzulocken, die Aus-
stellung altamerikanischer Kunst im Musee des Arts deco-
ratifs, die vor ein paar Jahren noch das Entzücken der
jungen Künstler gewesen wäre, fand nur wenige Interessen-
ten, die Portraits de Femmes in der „Renaissance" waren ein
großer, aber ein mehr gesellschaftlicher Erfolg, — vor den
Bildern Corots traf man die wirklichen Kunstliebhaber, traf
man die Maler, still bewundernd oder eifrig diskutierend.
Die Entdeckung Corots war das große Ereignis der Saison.

Nun hat es Corot gewiß nicht nötig, entdeckt zu werden.
Sein Name ist weltberühmt. Seine Bilder sind in Amerika
begehrt. Man hört von märchenhaften Preisen, ebenso wie
von der märchenhaften Zahl von Bildern, um die mehr oder
minder geschickte Fälscher sein Werk vermehrt haben. Aber
nicht um diesen Corot handelt es sich, nicht um den Maler
der silbergrauen Landschaften, in denen die Nymphen des

Claude ihr Spiel treiben, nicht um den Liebling der Samm-
ler in der alten und in der neuen Welt, sondern um den
anderen Corot, den man auch wohl kannte, den aber noch
niemals eine Ausstellung so überzeugend dargestellt hatte
wie diese streng gewählte Schau, um den italienischen Corot
und den großen Frauenmaler, der nirgendwo seinesgleichen
findet, dessen Werk ganz für sich steht, als eines der unbe-
greiflichen Wunder menschlicher Schöpferkraft. Man mag
ihn einen Poeten nennen oder einen Musikanten, weil et-
was von jener geheimnisvollen Harmonie in seinen Werken
ist, die alle Künste im Grunde vereint, er ist in Wahrheit
ein Maler gewesen, dieses Wort in seinem engsten und
seinem weitesten Verstände genommen. Er hat mit breiten
Flächen klarer Farben italienische Landschaften gemalt, in
denen der ganze Duft, der einzigartige Zauber südlichen
Himmels, südlichen Lichtes eingefangen und zugleich der
klare kubische Gehalt südlicher Bauten zum Ausdruck ge-
bracht ist. Es ist nur ein Schritt von hier zu Cezanne, und
alles, was zwischen diesen italienischen und jenen Ansichten
der Provence steht, erscheint nur wie ein Umweg oder
Abweg.

Ebenso rein aber in seiner vegetativen Existenz, wie er
ein Stück Natur sah, hat Corot auch den Menschen geschaut.

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