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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 12
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Corot verkauft ein Bild
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Alten, v.: Ausstellung Toulouse-Lautrec in der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0508

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„Teufel auch," sagte Corot, „du hast keinen schlechten
Geschmack, das ist eine von meinen famosesten Sachen."
„Na ja, aber ich finde sie nicht."

Jetzt erinnerte sich Corot. Er wurde ganz rot. — „Hör
mal," sagte er, „du hast recht, sie ist nicht da . . . es ist
etwas mit ihr passiert."

„Was denn?"

„Es wird dir komisch vorkommen, aber es ist nun
mal so."

„Ja, was denn?"

„Ich bin ebenso verblüfft von der Sache, wie du es sein
wirst. Es muß ein Verrückter gewesen sein oder mindestens
ein Original. Er sah aus wie ein Engländer".

„Ja, wer denn?"

„Der . . ."

„Sollte sie jemand ausgeborgt haben?"
„Nein "

„Etwa gestohlen?"
„Nein."

„Na, von wem sprichst du denn?"

„Von dem Manne, der sie gekauft hat."

„Was? . . . Was? . . . Deine Studie? Dein Bild? Einer
hat dein Bild gekauft?"

„Jawohl, ja, es war mir peinlich, es dir zu sagen, aber
es ist so."

„Hör mal, Corot, darf ich offen reden?"
„Du siehst ja, ich tue es selbst."

„Also, ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube:
das finde ich nicht nett,"

„Was! du findest es nicht nett, daß man Bilder von
mir kauft?"

„Ach, spiel doch nicht die Unschuld ... es zwingt dich
niemand, deine Studien auszuleihen; deine Studien gehören
dir; du verleihst sie, wenn du willst, du tust es nicht, wenn
du keine Lust hast. Wenn ich dich um etwas bitte, so gebe
ich dir damit das Recht, es mir abzuschlagen."

„Aber —"

„Da gibt es kein Aber ... so geht man nicht mit einem
alten Kameraden um ..."

„Aber ich gebe dir mein Wort ..."

„Man sagt ganz offen: ich will dir die nicht leihen, und
das genügt."

„Aber wenn doch ..."

„Glaubst du, ich wäre dir böse gewesen, wenn du es
mir abgeschlagen hättest? Du glaubst doch nicht, daß ich
ein schlechter Kerl bin?"

„Nanu! hast du mich denn nicht verstanden?"

„Jawohl!"

„Also, die Studie ist verkauft und weg."
„Ich bitte dich!"

„Aber es ist die reine Wahrheit."

Der Freund nahm seinen Hur, machte die Tür auf und
wollte sie von draußen wieder schließen, als Corot sich
plötzlich besann und ihm sagte:

„Hör mal."

„Bemühe dich nicht," sagte der andere und kam wieder
herein, „ich will sie nicht mehr, es ist vorüber. Ich wollte
deine Studie nicht gegen deinen Willen fortnehmen. Was
mich ärgert, ist, daß du es mir nicht klar und deutlich sagst,
als der anständige Kerl, als den ich dich immer gekannt
habe, anstatt eine so lächerliche Ausrede zu erfinden."

„Nanu, jetzt wird es mir aber zu dumm," sagte Corot,
„ich weiß, es ist unglaublich, ich kann es selbst kaum
glauben, aber wenn ich mich frage, ob ich träume, so habe
ich ein Mittel, mich zu überzeugen. Tu dasselbe, zieh diese
Schublade auf..."

„Wahrhaftig, Banknoten und Goldstücke!"

„Du kennst mein Einkommen; ich bin weder reich noch
geizig genug, um eine solche Summe aufzuhäufen, und diese
Sorte von Pilzen wächst nicht auf dem Bleiweiß oder der
Terra di Siena oder dem Asphalt. Also, ein Mann ist hier
herein gekommen ... er sah übel aus; er hat das dage-
lassen, und er hat mein Bild mitgenommen, die famose
Studie, die du meinst. Ich bin nicht schuld- Ich habe es
nicht getan, um dich zu ärgern. Jetzt sei böse, wenn du
willst."

Der Freund war endlich überzeugt. Er ging und er-
zählte überall: „Sagt doch, wie merkwürdig! Corot hat ein
Bild verkauft".

Und überall sagte man: „Nanu!" oder „Ach was!" oder
„Unmöglich!" Und er antwortete: „Ich habe das Geld ge-
sehen, ich habe es selbst angerührt, Banknoten und Gold-
stücke!"

Aus der Lebensbeschreibung Corots, die Leo Larguier
unter dem Titel „La Vie gris-perle du pcre Corot in
der Zeitschrift L'Art Vivant veröffentlicht.

AUSSTELLUNG TOULOUSE-LAUTREC IN DER BREMER KUNSTHALLE

l^ie Bremer Kunsthalle hat für die Sommermonate ihren
gesamten Besitz an Graphik Toulouse-Lautrecs aus-
gestellt. Da Bremen mit seinem Vierteltausend Lithographien
wohl überhaupt das reichste graphische Oeuvre Toulouse-
Lautrecs besitzt, dürfte diese Veranstaltung der Aufmerk-
samkeit der Kunstfreunde wert sein.

In Bremen hat man sich schon früh für Toulouse-Lautrec
interessiert. Dr. H. H. Meier, dessen Graphiksammlung des
neunzehnten Jahrhunderts zirka 60000 Blatt umfaßte, besaß
fast seine sämtlichen Hauptblätter. Meiers etwa 150 Litho-

graphien bilden das Rückgrat des Lautrec-Werkes der Kunst-
halle. Aus der zweiten bedeutenden Toulouse-Lautrec-Samm-
lung in Bremen, der A. W. von Heymels, ist leider nur eine
Handzeichnung in die Kunsthalle gelangt. Die zum Teil sehr
seltenen, kaum je wiederzuerlangenden graphische Blätter
wurden Eigentum von Dr. Stinnes in Köln. Systematisches
Sammeln hat aber trotzdem in den letzten Jahren dem Meier-
schen Grundstock noch etwa hundert Nummern hinzufügen
können.

Einige der Bremer Blätter, die man verhältnismäßig selten

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