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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 3
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Chronik
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CHRONIK

Infolge eines Unglücksfalls ist der Architekt Hermann
Muthesius im sechsundsechzigsten Lebensjahre gestorben. Er
hat der Bewegung, die Kunstgewerbe, Baukunst und Kunst-
erziehung umfaßte, einst viel bedeutet. So viel, daß sein
Name nicht vergessen werden wird. Muthesius' großes Er-
lebnis waren die Jahre, die er als künstlerischer Attache
bei der deutschen Botschaft in London verlebte. Die eng-
lische Wohnkultur — worüber er auch ein sehr gutes Buch ge-
schrieben hat — hatte es ihm angetan. Sein Wirken in
Deutschland bestand in der Folge eigentlich nur darin, die
englischen Erfahrungen auf deutsche Verhältnisse zu über-
tragen. Er tat es von seinem Amt aus, als Geheimrat im
Handelsministerium, als Referent für die Kunstgewerbe-
schulen, und er tat es praktisch als ein vielbeschäftigter
Baumeister. Das Künstlerische nahm in seiner Natur nicht
den ersten Platz ein. Er wirkte vielmehr durch die ruhige
Überlegung seiner Reformgedanken, durch Gedanken, die
jedermann verstehen konnte. In den Debatten war er nicht
auf Seiten der einmaligen künstlerischen Persönlichkeiten zu
finden, sondern auf Seiten derer, die für Gesinnung, Norma-
lisierung und Niveau eintraten. Als die Zeit vorüber war,
auf die die englische Bauweise mit ihrer romantischen Sach-
lichkeit wirkte, trat Muthesius mehr zurück. Sein jäher Tod
erinnert nun aber daran, welch ein besonnener und produk-
tiver Pionier er gewesen ist.

*

Gegen die Ankaufspolitik der National Gallery hat das
Burlington-Magazine in einem viel beachteten, außerordent-
lich scharfen Leitartikel Stellung genommen. Es wird der
Leitung der Galerie vorgeworfen, sie habe ihre Mittel in
der Erwerbung unwichtiger Stücke verzettelt, die noch dazu
teilweise stark überzahlt worden seien. Es ist nicht unsere
Sache, uns in diesen Streit einzumischen. Blättert man aber
die Abbildungen durch, so ist, wenn man von deutschen
Verhältnissen ausgeht, der Angriff nicht ganz verständlich,
weil nicht wenige von den Bildern unter den Neuerwerbungen
unsrer Museen keine üble Figur machen würden. Es steht
bei uns nicht besser. Auch unsere Gemäldegalerie hat sich
vielfach in nur kunsthistorisch interessantem Kleinkram ver-
zettelt und das große Ziel, das ihr als Sammlung von euro-
päischem Rang voranleuchten muß, aus dem Auge ver-
loren. Die Säle werden voller, aber sie gewinnen kaum an
Gewicht. Man klagt über die Unpopularität der Museen,
aber man übersieht, daß man es versäumt, erzieherisch zu
wirken, daß man eigentlich nur an einen kleinen Kreis von
Spezialkennern und Kunstgelehrten denkt, anstatt die größere
Gemeinschaft kunstliebender Laien zu befriedigen, die weni-
ger kunsthistorische Zusammenhänge als hervorragende Ein-
zelstücke suchen.

Es wäre viel über diesen Punkt zu sagen. Wenn aber
das Burlington-Magazine auch zu der Frage der für die
Neuerwerbungen gezahlten Preise Stellung nahm, so möch-
ten wir einen der wundesten Punkte unserer Museums-
politik bei dieser Gelegenheit wenigstens mit einem Worte
berühren, nämlich den der Tauschhandlungen. Wie wir
hören, hat die National-Galerie jetzt auch das Allgeyer-

Porträt Feuerbachs abgegeben. Man mag über das Bild den-
ken, wie man will, es ist jedenfalls als Bildnis des ersten
Biographen eines der berühmtesten deutschen Maler wenig-
stens von so großer historischer Bedeutung, daß man nicht
begreift, wie die Berliner Nationalgalerie es veräußern konnte.
Aber es scheint uns überhaupt bedenklich, Kunstwerke von
Rang aus Museumsbesitz abwandern zu lassen, selbst wenn
man im Tausch Stücke erwirbt, die im Augenblick wichtiger
erscheinen. Es ist leicht möglich, daß die Meinungen
sich wandeln, und ein Watteau oder ein Frans Hals, den
man einmal verkauft hat, ist nicht so leicht wieder zu be-
schaffen. Es ist ein falscher und ein eigentlich kunstfeind-
licher Standpunkt, zu behaupten, man habe einen Meister
genügend vertreten und könne eines seiner Bilder entbehren.
Denn jedes bedeutende Kunstwerk ist ein Individuum, und
ein Kunstmuseum ist nicht dazu da, Typen zu sammeln, wie
ein naturhistorisches Museum es tut, sondern eben Indivi-
duen, einmalige Meisterwerke der Kunst. Das ist offenbar
die Meinung des Burlington-Magazine. Und das ist auch un-
sere Meinung.

*

Der Plan einer großen Berliner Bau-Ausstellung ist in den
letzten Monaten vielfach umkämpft worden. Widersprechende
Nachrichten, die von der Presse kolportiert wurden, verrieten
die Ratlosigkeit der maßgebenden Stellen. Man will eine
Ausstellung machen, doch man weiß offenbar noch gar nicht,
was man mit dieser Ausstellung bezweckt. Aber schon melden
sich die Interessenten, die ihren Vorteil wittern. Als einziges
Ziel eines angeblich idealen Projektes bleibt das Geschäft.

Eine große Gelegenheit findet kleine Geister. Berlin hat
in den letzten Jahren einen bedeutenden Aufschwung ge-
nommen. Es ist im Begriff, tatsächlich zur Reichshauptstadt
zu werden, da die Entwicklung auf allen Gebieten zur Ver-
einheitlichung und Zentralisierung drängt. Es wäre selbst-
verständliche Pflicht der städtischen Behörden, diese Ent-
wicklung nach Kräften zu fördern.

Man muß leider für 1930 Schlimmes befürchten. Die Inter-
essenten von der Baustoffindustrie haben sich zu einem Verein
„Bauausstellung" zusammengeschlossen, und es ist nun ihre
Hauptsorge, alles fernzuhalten, was nicht zum Geschäft gehört.
Auch die geplanten Sonder-Ausstellungen für Städtebau, Archi-
tektur,Wohnungs- und Siedlungs wesen, Gartenbau, Raumkunst,
Friedhofskunst, Kunstgewerbe sollen von niemand anders ver-
anstaltet werden dürfen als von dem allmächtigen Verein. Eine
Reihe von Verbänden, zu denen der Werkbund, der Kunstge-
werbeverein, das Kartell bildender Künstler, der Architekten-
verein und der „Ring" gehören, hat sich, unterstützt von der
Akademie der Künste, mit einer gemeinsamen Eingabe an
die Stadt gewendet, um gegen diese geplante Vergewaltigung
Front zu machen. Unglücklicherweise nahmen sich die
Kommunisten dieser Anträge, die gar nicht bis an das
Plenum der Stadtverordnetenversammlung gelangt waren,
an, und nun gab es einen großen Krawall, als der Stadt-
baurat Wagner die Frage, ob auch er für diesen Antrag
eintrete, selbstverständlich bejahte. Der Oberbürgermeister
Böß nahm gegen seinen Stadtbaurat Stellung, und die Stadt-
 
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