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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 4
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Mayer, Anton: Olaf Gulbransson
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0165

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OLAF GULBRANSSON, KARIKATUR BJÖRNSONS

OLAF GULBRANSSON

VON

ANTON MAYER

f^\as Geheimnis aller Kunst liegt in einer sonder-
^ baren Zwiespältigkeit, welche ihr allein zu
eigen ist: ihr Wesen beruht zutiefst auf einer
Gefühlsübertragung durch die Materie, als welche
Farbe und Fläche oder Linie und Umriß sein
kann. Es bleibt der nicht zu lösende Widerspruch,
daß die Materie Ubermittler einer immateriellen
Essenz wird, woher denn auch viele Menschen
dem Kunstwerk gänzlich hilflos gegenüberstehen,
weil sie entweder nicht in der Lage sind, die un-
sichtbare Parallele zur Sichtbarkeit zu entdecken,
oder wenn sie eine solche erfühlt haben, von der
Ungewöhnlichkeit des Ereignisses verwirrt und
zaghaft werden, um schließlich die ihnen unbe-
queme Divergenz unwillig beiseite zu schieben,
und sich lieber mit einer weniger aufregenden
und unkünstlerischen Angelegenheit, etwa dem
Film, zu beschäftigen.

Nun haben allerdings einige Künstler die Gabe,
den vor ihren Werken Stehenden mit unabweis-
barer Kraft auf ihren Wegen zu führen; sie be-

weisen damit, daß die von ihnen ausgehende Ge-
walt eine allgemein wirksame sein muß, eine
Macht, die in Wahrheit über die Regungen der
Herzen triumphiert: das sind jene wenigen Ge-
stalter, welche mit vollkommener Einfachheit und
Selbstverständlichkeit, über den Dingen des Lebens
stehend, die Vorstellungen eines jeden mit einem
Lächeln wiedergeben, das, von befreiender Heiter-
keit bis zum schmerzlichen Herabziehen der Mund-
winkel, alle Stadien, Hinter- und Abgründe des
Menschseins zu durchlaufen vermag. Zu ihnen
gehört, zusammen mit Daumier und Wilhelm
Busch, Olaf Gulbransson. Es ist kein Zufall, daß
die großen Humoristen — ein Name, der nur
besagt, daß nichts Menschliches ihnen unverständ-
lich ist, wie in der Literatur etwa Jean Paul und
Wilhelm Rabe, während dem Tragiker, wie etwa
Hebbel, sehr vieles, und zwar die einfachsten Dinge
unverständlich bleiben müssen, da es nämlich sonst
gar keine Tragik gäbe —: es ist kein Zufall, daß
diese großen Künstler in erster Linie Zeichner

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