Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Dormoy, Marie: Ambroise Vollard: Deutsch von Margarete Mauthner
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0341

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PIERRE BONNARD, BILDNIS AMBROISE VOLLARD

MIT ERLAUBNIS DER D. D. A. (GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN)

AMBROISE VOLLARD

VON

MARIE DORMOY
DEUTSCH VON MARGARETE MAUTHNER

Ambroise Vollard gilt allgemein für sehr gerissen- Wie
aber, wenn er ganz einfach ein großes Kind wäre, dem
das Schicksal ganz besonders gnädig gelächelt hat?

Märchenhaft, und unerwartet wie im Märchen, fiel ihm
das Glück in den Schoß.

Von Geburt ein Kreole, hat er alle Merkmale seiner
Rasse: ihre bernsteinfarbene Haut, die scharfgezeichneten
schwarzen Augen, die manchmal recht spöttisch und dann
wieder sanft wie die Augen eines Tieres blicken. Dabei
hat er die Gestalt eines Athleten und die Bewegungen
eines Kindes.

Sein Vater, ein Beamter auf der Insel Reunion, schickte
ihn im Alter von neunzehn Jahren nach Frankreich, um
Jura zu studieren; zuerst nach Montpellier, wo er sein Ab-
schlußexamen machte, dann nach Paris.

Auf einem Spaziergang über die Boulevards sah er eines
Tages ein Bild mit Pferden. Da es ihm ganz besonders ge-
fiel, erkundigte er sich nach dem Maler; man nannte ihm

den Namen Degas. Dieser Klang blieb für immer im Ohr
des jungen Studenten haften.

Ein anderes Mal entdeckte er bei einem Buchhändler
auf dem Quai einen unsignierten Druck, in dem er einen
Felicien Rops vermutete — er hatte gerade einen Artikel
über diesen von Huysmans gelesen, der großen Eindruck
auf ihn gemacht hatte. Um sich Gewißheit zu verschaffen,
suchte er kurz entschlossen den mutmaßlichen Urheber auf,
der das Blatt auch wirklich als das seinige anerkannte.

So erwachte in Ambroise Vollard jener feine Spürsinn
des Entdeckers, der, mehr als alle Kultur und kritische Be-
gabung, das Rüstzeug des geborenen Kunstliebhabers ist.
Zu diesen Auserwählten kann nur gehören, wer das Werk
des Genies mit demselben unfehlbaren Instinkt erkennt,
der den noch von keiner Kultur berührten Menschen auf
die Spur des Feindes oder des schädlichen Tieres leitet, der
ihn belehrt, mit untrüglicher Sicherheit die ihm heilsamen
Früchte und Pflanzen von den giftigen zu unterscheiden.

3*5
 
Annotationen